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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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Periode nicht in diese Kategorie fällt, daß vermittelnde Naturen in die gegenwärtige '
Session nicht gehören, daß es vie l in ehr darauf ankommt, Männer zu finden, die
mit unbeugsamen Willen das Unrecht überall aufdecken und für seine Beseitigung
sorgen.

Wenn wir nun unsrerseits unsern politischen Freunden, der konstitutionellen
Partei, einen Rath ertheilen sollen, inwieweit Kandidaten der demokratischen Partei
zu unterstützen sind, so wäre es folgender. Haben die Constitutionellen die Neigung,
zu viel Rücksichten nach Oben zu nehmen, so haben die Demokraten die ebenso be¬
denkliche. Rücksichten nach Unten zu nehmen. Sie haben, verleitet von dem Dogma
der Bolkssouvcränetät, nicht selten den Willen des Volks über das Gesetz gestellt,
sie haben diesen Willen in dem Geschrei wüster Pöbcimasscn gesucht und die Barri¬
kade als eine Rechtsquelle behandelt. In der übertriebenen Empfindung ihres Gegen¬
satzes gegen die bestehenden Zustünde haben sie eine organische regelmäßige Entwick¬
lung für unmöglich gehalten und das Mittel des Fortschritts ausschließlich in Revo¬
lutionen gesucht, während doch nach der Erfahrung aller Zeiten jeder Revolution,
weil sie in ihren Sprüngen der Natur voreilt, einen natürlichen Rückschlag herbei¬
führt, der das Volt weiter zurückdrängt, als es anfangs stand. Wenn wir in
Preußen auch im Ganzen weniger erlitten haben, als wir hätten erleiden können,
so hat doch die Nationalzcitung selbst das ganz richtige Gefühl, daß unrecht Gut
nicht gedeiht, da sie im Gegensatz gegen die gegenwärtigen Zustände, die Früchte der
Revolution, fortwährend das altprcußische d. h. vvrmärzliche Rechtsbewußtsein hervor¬
hebt. Noch auf eins müssen wir hinweisen, was freilich nur den kleinern Theil der
Demokratie trifft, der in der Wuth des Nivellirens zuweilen alles preußische Gefühl
verleugnete und über die Herabdrückung dieses Staats wol gar eine tückische Schaden¬
freude empfand! Belege finden sich nicht blos in der Paulskirche, sondern auch in
der berliner "Reform" und ähnlichen Zeitschriften.

Demokratische Kandidaten hat man also (nach dem Ausdruck der National¬
zcitung) zunächst "aufs Korn zu nehmen", ob sie sich auch von diesen schlechten
Neigungen völlig lossagen; wo nicht, so kaun ihnen ein Eonstitutionciler seine
Stimme nicht geben. Wenn sie sich dagegen dem Programm der Nationalzeituug
anschließen, wenn sie aus dem Boden der Verfassung und in dem Geist derselben
jeder Willkür rücksichtslos entgegenzutreten verheißen, und wenn ihr Charakter diese
Verheißung verbürgt, so verdienen, -sie die Unterstützung aller Freunde des Vater¬
landes, gleichviel welchen Namen sie der Partei geben, die sie zu vertreten gedenken.


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Literatur.

i t Dramen. -- Brachvogel, der mit seinem Narciß eine so außerordent-
> )e Wirkung auf die Bühne ausgeübt, erscheint mit einem neuen Trauerspiel vor
dem Publicum- Adelbert vom Babenberge (Leipzig, Costenoble); es ist kein Fort-


Periode nicht in diese Kategorie fällt, daß vermittelnde Naturen in die gegenwärtige '
Session nicht gehören, daß es vie l in ehr darauf ankommt, Männer zu finden, die
mit unbeugsamen Willen das Unrecht überall aufdecken und für seine Beseitigung
sorgen.

Wenn wir nun unsrerseits unsern politischen Freunden, der konstitutionellen
Partei, einen Rath ertheilen sollen, inwieweit Kandidaten der demokratischen Partei
zu unterstützen sind, so wäre es folgender. Haben die Constitutionellen die Neigung,
zu viel Rücksichten nach Oben zu nehmen, so haben die Demokraten die ebenso be¬
denkliche. Rücksichten nach Unten zu nehmen. Sie haben, verleitet von dem Dogma
der Bolkssouvcränetät, nicht selten den Willen des Volks über das Gesetz gestellt,
sie haben diesen Willen in dem Geschrei wüster Pöbcimasscn gesucht und die Barri¬
kade als eine Rechtsquelle behandelt. In der übertriebenen Empfindung ihres Gegen¬
satzes gegen die bestehenden Zustünde haben sie eine organische regelmäßige Entwick¬
lung für unmöglich gehalten und das Mittel des Fortschritts ausschließlich in Revo¬
lutionen gesucht, während doch nach der Erfahrung aller Zeiten jeder Revolution,
weil sie in ihren Sprüngen der Natur voreilt, einen natürlichen Rückschlag herbei¬
führt, der das Volt weiter zurückdrängt, als es anfangs stand. Wenn wir in
Preußen auch im Ganzen weniger erlitten haben, als wir hätten erleiden können,
so hat doch die Nationalzcitung selbst das ganz richtige Gefühl, daß unrecht Gut
nicht gedeiht, da sie im Gegensatz gegen die gegenwärtigen Zustände, die Früchte der
Revolution, fortwährend das altprcußische d. h. vvrmärzliche Rechtsbewußtsein hervor¬
hebt. Noch auf eins müssen wir hinweisen, was freilich nur den kleinern Theil der
Demokratie trifft, der in der Wuth des Nivellirens zuweilen alles preußische Gefühl
verleugnete und über die Herabdrückung dieses Staats wol gar eine tückische Schaden¬
freude empfand! Belege finden sich nicht blos in der Paulskirche, sondern auch in
der berliner „Reform" und ähnlichen Zeitschriften.

Demokratische Kandidaten hat man also (nach dem Ausdruck der National¬
zcitung) zunächst „aufs Korn zu nehmen", ob sie sich auch von diesen schlechten
Neigungen völlig lossagen; wo nicht, so kaun ihnen ein Eonstitutionciler seine
Stimme nicht geben. Wenn sie sich dagegen dem Programm der Nationalzeituug
anschließen, wenn sie aus dem Boden der Verfassung und in dem Geist derselben
jeder Willkür rücksichtslos entgegenzutreten verheißen, und wenn ihr Charakter diese
Verheißung verbürgt, so verdienen, -sie die Unterstützung aller Freunde des Vater¬
landes, gleichviel welchen Namen sie der Partei geben, die sie zu vertreten gedenken.


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Literatur.

i t Dramen. — Brachvogel, der mit seinem Narciß eine so außerordent-
> )e Wirkung auf die Bühne ausgeübt, erscheint mit einem neuen Trauerspiel vor
dem Publicum- Adelbert vom Babenberge (Leipzig, Costenoble); es ist kein Fort-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/87>, abgerufen am 05.07.2024.