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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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Hauptsache nach bei dem Bestehenden verblieb, und mit dem Bau von Dampf¬
kriegsschiffen viel zu langsam vorwärts schritt.

Je schwächer eine Armee an Zahl ist, desto mehr bedarf sie der Stütz¬
punkte, und in einem Lände, wo es natürliche Wälle und Gräben, als große
Ströme, unübersteigliche Gebirge nicht gibt, müssen künstliche hergestellt wer¬
den. Viele Festungen schwächen, wegen der ihnen nöthigen Garnisonen, die
im Felde operirende Armee, und es ist unmöglich, sie in gehöriger Stärke her¬
zustellen, will man die Finanzen des Landes nicht zu sehr beschweren. Wie
der Ttaud der Dinge in England ist, würden einige Centralfcstungen, in
deren Schutze sich bewaffnete Lager befänden, den Zweck, einen vordringenden
Feind aufzuhalten, bis man die Armee verstärkt, d. h. die Miliz eingezogen
hat, vollständig erreichen. Die strategische Lage derselben ergibt sich ganz genau
aus den Bedingungen, welche sie zu erfüllen haben, und diese sind Unter¬
stützung der Sceftstungen, Schutz der Hauptstadt und der hinter ihnen liegen¬
den Theile des Landes, bis die Arme" concentrirt ist. Sie müßten demnach
vor der Linie Bristol-London angelegt werden. Werfen wir einen Blick auf die
Karte, so würde im Osten des Reiches Chntham als solche gelten können, wenn
die Landseiten stärker befestigt würden. Eine zweite müßte sich bei Farnham
befinden, ungefähr da, wo jetzt das Lager von Aldershott liegt. Die dritte
müßte am Kenne- und Avonkanale angelegt werden. Könnte man eine vierte
in der Gegend von Taunton errichten, so würde dies höchst vortheilhaft sein.
Diese Festungen richtig benutzt, würden das Vordringen des gekanteten Fein¬
des unendlich erschweren; auch verlangt die Heercsverfassung Englands gebie¬
terisch eine solche Jnnenbefestigung für den Fall, daß es dem Feinde möglich
wurde, einen überraschenden Angriff zu machen, und diesen Hauptfactor zum
Siege würden sich im Kriegsfall die Franzosen nicht entgehen lassen, das
beweist die ganze Anlage der Festung Cherbourg.

Die numerische Schwäche der königlich englischen Armee, ihre Zerstreuung
über alle Theile der Welt, machten schon früher die Organisation von Streit-
krüsten nöthig, welche die Vertheidigung des Mutterlandes mit übernehmen
müssen. Diese Streitkräfte bilden die Milizen und die Acomanrykavalerie,
die seit dem letzten russisch-türkischen Kriege mehrfach einberufen wurden, und
gegenwärtig wegen der indischen Wirren zum Theil noch unter Waffen stehen.
Ein Nebenzweck der Miliz ist. durch freiwilliges Engagement aus ihr Ersatz
für die königliche Armee zu erhalten, die wegen des herrschenden Werbcsystems
oft Mangel an Rekruten leidet. Die Milizen sind nach den Provinzen ein¬
getheilt und werden von diesen gestellt; sobald sie bei der Fahne sind, stehen
sie in allem der königlichen Armee gleich; ist ersteres nicht der FallH so ist nur
ein Capitän und das Musikcorps besoldet. Ihre Offiziere werden von den
Lordlieutenants der Grafschaften ernannt, und haben keine weitere militärische


Hauptsache nach bei dem Bestehenden verblieb, und mit dem Bau von Dampf¬
kriegsschiffen viel zu langsam vorwärts schritt.

Je schwächer eine Armee an Zahl ist, desto mehr bedarf sie der Stütz¬
punkte, und in einem Lände, wo es natürliche Wälle und Gräben, als große
Ströme, unübersteigliche Gebirge nicht gibt, müssen künstliche hergestellt wer¬
den. Viele Festungen schwächen, wegen der ihnen nöthigen Garnisonen, die
im Felde operirende Armee, und es ist unmöglich, sie in gehöriger Stärke her¬
zustellen, will man die Finanzen des Landes nicht zu sehr beschweren. Wie
der Ttaud der Dinge in England ist, würden einige Centralfcstungen, in
deren Schutze sich bewaffnete Lager befänden, den Zweck, einen vordringenden
Feind aufzuhalten, bis man die Armee verstärkt, d. h. die Miliz eingezogen
hat, vollständig erreichen. Die strategische Lage derselben ergibt sich ganz genau
aus den Bedingungen, welche sie zu erfüllen haben, und diese sind Unter¬
stützung der Sceftstungen, Schutz der Hauptstadt und der hinter ihnen liegen¬
den Theile des Landes, bis die Arme« concentrirt ist. Sie müßten demnach
vor der Linie Bristol-London angelegt werden. Werfen wir einen Blick auf die
Karte, so würde im Osten des Reiches Chntham als solche gelten können, wenn
die Landseiten stärker befestigt würden. Eine zweite müßte sich bei Farnham
befinden, ungefähr da, wo jetzt das Lager von Aldershott liegt. Die dritte
müßte am Kenne- und Avonkanale angelegt werden. Könnte man eine vierte
in der Gegend von Taunton errichten, so würde dies höchst vortheilhaft sein.
Diese Festungen richtig benutzt, würden das Vordringen des gekanteten Fein¬
des unendlich erschweren; auch verlangt die Heercsverfassung Englands gebie¬
terisch eine solche Jnnenbefestigung für den Fall, daß es dem Feinde möglich
wurde, einen überraschenden Angriff zu machen, und diesen Hauptfactor zum
Siege würden sich im Kriegsfall die Franzosen nicht entgehen lassen, das
beweist die ganze Anlage der Festung Cherbourg.

Die numerische Schwäche der königlich englischen Armee, ihre Zerstreuung
über alle Theile der Welt, machten schon früher die Organisation von Streit-
krüsten nöthig, welche die Vertheidigung des Mutterlandes mit übernehmen
müssen. Diese Streitkräfte bilden die Milizen und die Acomanrykavalerie,
die seit dem letzten russisch-türkischen Kriege mehrfach einberufen wurden, und
gegenwärtig wegen der indischen Wirren zum Theil noch unter Waffen stehen.
Ein Nebenzweck der Miliz ist. durch freiwilliges Engagement aus ihr Ersatz
für die königliche Armee zu erhalten, die wegen des herrschenden Werbcsystems
oft Mangel an Rekruten leidet. Die Milizen sind nach den Provinzen ein¬
getheilt und werden von diesen gestellt; sobald sie bei der Fahne sind, stehen
sie in allem der königlichen Armee gleich; ist ersteres nicht der FallH so ist nur
ein Capitän und das Musikcorps besoldet. Ihre Offiziere werden von den
Lordlieutenants der Grafschaften ernannt, und haben keine weitere militärische


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/84>, abgerufen am 26.07.2024.