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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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solchen Geschmack abgewinnen, daß dieses Geld allem andern vorgezogen
wird.*)

Aber auch die reichen Leute würden sich bemühen, in ihren Kassen nur
solch verzinsliches Geld statt des unverzinslichen Metallgeldes einzunehmen,
und während niemand sonst gern große Summen baaren Geldes bei sich be¬
hält, würde das leicht zu verwahrende verzinsliche Papiergeld durch bloßes
Liegen schon ohne irgend eine Bemühung, und ohne irgend eine Gefahr
dabei zu besorgen zu haben, sich vimnteressiren, darum überall gesucht,
und die Nachfrage nach demselben viel größer sein, als nach dem gewöhn¬
lichen Papiergeld.

Auch zu Depositen würden diese Zinszettcl vorzugsweise benutzt werden,
indem mit dem Augenblick der Deposition die Verzinsung ansinge (oder viel¬
mehr sie würde gar nicht aufhören) und das Depositum jeden Augenblick
zurückgenommen werden könnte, ohne dasselbe vorher aufkündigen zu müssen.

Welche immense Vortheile würden die Staatskassen sich verschaffen kön¬
nen, wenn sie z. B. bei den gegenwärtig so vielfach negociirt werdenden
Anleihen zu Ausführung von Eisenbahnen sich solcher Zinszettel bedienten.
Es ist doch immer nöthig und ganz unvermeidlich, daß größere Summen
baares Geld in den Kassen liegen, welche natürlich verzinst werden müssen,
aber selbst keine Zinsen tragen; -- bestände nun dieses vorräthige Geld in
Zinszetteln, so wäre es für die Kasse selbst verzinslich, indem bei der Aus¬
zahlung jederzeit dem Empfänger der bereits entstandene Zins aufgerechnet
würde.

Man könnte hier den Einwand machen, daß immer der Staat es sein
würde, welcher diesen Zins zu bezahlen habe, daß somit diese Zinsersparniß
durchaus illusorisch sei, -- es ist jedoch nicht andem. Das baare Geld --
die klingende Münze -- welche der Staat schafft, kostet demselben, wie ich oben
gezeigt habe, grade so viel, als die Summe desselben ausmacht, oder mit
anderen Worten: Wenn der Staat für 10 Millionen Gulden z. B. klingende
Münze ausprägt, so kosten ihm die dazu erforderlichen edlen Metalle und die



") Wir sehen dieses deutlich bei den sogenannten Lottcrieanlehen, welche in neuester Zeit
in immer kleineren Beträgen -- jetzt schon bis zu 7 und 10 si. herab -- ausgegeben werden,
und zwar doch nur um deswillen, weil die Lust dazu in den unteren, weniger bemittelten
Kreisen des Volkes von Tag zu Tag zunimmt. Ueber den größeren Nutzen solcher Zins¬
zettel gegenüber solchen Lossen etwas zu sagen, dürfte wol unnöthig sein. Schon Pölitz
(Volkswirthschaftslehre II., 236) sagt: "Nur aufgeklärte Individuen und Völker setzen das
Geld in ununterbrochenen Umlauf, während der engherzige Landmann es vergräbt, weil er
dieses für das Sicherste hält." Da es, wenn es überhaupt dazu kommen sollte, jedenfalls noch
lange währen wird, bis diese Aufklärung alle Schichten der Bevölkerung durchdringt, so
wird es jedenfalls gute Früchte bringen, wenn man denen, welche ihre Ersparnisse in solcher
Weise verwenden, Gelegenheit gibt, ohne alle Mühe und Gefahr Zinsen davon beziehen zu
können.

solchen Geschmack abgewinnen, daß dieses Geld allem andern vorgezogen
wird.*)

Aber auch die reichen Leute würden sich bemühen, in ihren Kassen nur
solch verzinsliches Geld statt des unverzinslichen Metallgeldes einzunehmen,
und während niemand sonst gern große Summen baaren Geldes bei sich be¬
hält, würde das leicht zu verwahrende verzinsliche Papiergeld durch bloßes
Liegen schon ohne irgend eine Bemühung, und ohne irgend eine Gefahr
dabei zu besorgen zu haben, sich vimnteressiren, darum überall gesucht,
und die Nachfrage nach demselben viel größer sein, als nach dem gewöhn¬
lichen Papiergeld.

Auch zu Depositen würden diese Zinszettcl vorzugsweise benutzt werden,
indem mit dem Augenblick der Deposition die Verzinsung ansinge (oder viel¬
mehr sie würde gar nicht aufhören) und das Depositum jeden Augenblick
zurückgenommen werden könnte, ohne dasselbe vorher aufkündigen zu müssen.

Welche immense Vortheile würden die Staatskassen sich verschaffen kön¬
nen, wenn sie z. B. bei den gegenwärtig so vielfach negociirt werdenden
Anleihen zu Ausführung von Eisenbahnen sich solcher Zinszettel bedienten.
Es ist doch immer nöthig und ganz unvermeidlich, daß größere Summen
baares Geld in den Kassen liegen, welche natürlich verzinst werden müssen,
aber selbst keine Zinsen tragen; — bestände nun dieses vorräthige Geld in
Zinszetteln, so wäre es für die Kasse selbst verzinslich, indem bei der Aus¬
zahlung jederzeit dem Empfänger der bereits entstandene Zins aufgerechnet
würde.

Man könnte hier den Einwand machen, daß immer der Staat es sein
würde, welcher diesen Zins zu bezahlen habe, daß somit diese Zinsersparniß
durchaus illusorisch sei, — es ist jedoch nicht andem. Das baare Geld —
die klingende Münze — welche der Staat schafft, kostet demselben, wie ich oben
gezeigt habe, grade so viel, als die Summe desselben ausmacht, oder mit
anderen Worten: Wenn der Staat für 10 Millionen Gulden z. B. klingende
Münze ausprägt, so kosten ihm die dazu erforderlichen edlen Metalle und die



") Wir sehen dieses deutlich bei den sogenannten Lottcrieanlehen, welche in neuester Zeit
in immer kleineren Beträgen — jetzt schon bis zu 7 und 10 si. herab — ausgegeben werden,
und zwar doch nur um deswillen, weil die Lust dazu in den unteren, weniger bemittelten
Kreisen des Volkes von Tag zu Tag zunimmt. Ueber den größeren Nutzen solcher Zins¬
zettel gegenüber solchen Lossen etwas zu sagen, dürfte wol unnöthig sein. Schon Pölitz
(Volkswirthschaftslehre II., 236) sagt: „Nur aufgeklärte Individuen und Völker setzen das
Geld in ununterbrochenen Umlauf, während der engherzige Landmann es vergräbt, weil er
dieses für das Sicherste hält." Da es, wenn es überhaupt dazu kommen sollte, jedenfalls noch
lange währen wird, bis diese Aufklärung alle Schichten der Bevölkerung durchdringt, so
wird es jedenfalls gute Früchte bringen, wenn man denen, welche ihre Ersparnisse in solcher
Weise verwenden, Gelegenheit gibt, ohne alle Mühe und Gefahr Zinsen davon beziehen zu
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/58>, abgerufen am 26.07.2024.