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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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Ein besonderer Nutzen würde in der Eigenschaft dieses Papiergeldes, als
allgemeine Sparfasse zu dienen, liegen. Jeder, der irgend einen Betrag in
solchen Zetteln entnähme, würde ihn ohne weiteres so lange verzinslich be¬
nutzen, bis er ihn wieder aufgäbe, und so viele Leute aus den niederen
Classen, die keinen klaren Begriff von dem Werthe des Geldes und von sei¬
ner verzinslichen und productiven Anwendung haben, würden diese Anwen¬
dung ohne ihren Willen zu ihrem eignen großen Nutzen kennen lernen. Während
sich sonst das Geld in ihrer Tasche verlor, würde es dann vielmehr darin
keimen und wuchern. Jeder würde sich so lange als nur immer möglich
hüten, sem Geld auszugeben, wenn es morgen vielleicht schon einen höhern
Werth hätte, und der Sinn für Sparsamkeit, die Grundlage des Wohlstandes,
würde sich in allen Classen der Bevölkerung, vorzugsweise aber in den niederen
immer mehr verbreiten.

Auch hier könnte man sagen, daß ja über unser ganzes Vaterland ein
vollständiges Netz von Sparkassen verbreitet sei. welche entsprechende Gelegen¬
heit'zur Förderung der Sparsamkeit bieten, indem sie bereitwillig auch die
kleinsten Beträge annehmen und angemessen verzinsen u. s. w. Eine ver¬
gleichende Uebersicht dieser gewiß sehr lobeBwerthen und vielen Nutzen stif¬
tenden Kassen belehrt uns jedoch, daß dieselben bei weitem nicht so benutzt
werden, wie sie es verdienten, daß sie also entweder in ihren Einrichtungen
nicht allen Erfordernissen entsprechen, welche Attribute solcher Institute sein
müssen, oder daß der rechte Geist in dem Volke noch nicht geweckt ist, welcher
M Benutzung derselben anspornt. Es geht dieses ganz unzweideutig aus den
Resultaten derselben hervor; denn wenn auch einzelne Sparkassen b edeutende
Capitalien zu verwalten haben, so gibt es doch noch gar viele, welche vcr-
haltnißmähig -- obschon größere Bezirke auf sie angewiesen sind -- wenig
benutzt werden. Ein Hauptgrund dieser Erscheinungen ist wol darin zu suchen,
daß solche Kassen unmöglich in jedem einzelnen Orte errichtet werden können,
vielmehr in der Regel nur in der Kreis- oder Bezirkshauptstadt bestehen. Hat
nun jemand auf dem Lande eine kleine Summe erspart, und möchte dieselbe
gern in der Sparkasse anlegen, so müßte er sie 2, 3 Stunden weit dahintragen;
er will aber den dazu erforderlichen halben Tag nicht versäumen, und er läßt
das Geld liegen, bis er gelegentlich in die Stadt kommt. Erscheint endlich
die Gelegenheit.' so ist das Geld häusig wieder ausgegeben. Ein Andrer
glaubt das Geld in einigen Monaten wieder zu brauchen, ein Dritter fürchtet,
°s möchte bekannt werden, daß er sich Geld erspart habe u. s. w. Alle diese
Einwände Mer bei diesen Zinszetteln weg. ja die Leute sind gezwungen,
die Vortheile der Verzinsung anzunehmen, wenn sie mit solchem Papiergeld
bezahlt werden, und bald werden 'sie den Nutzen einsehen, und der Sache


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Ein besonderer Nutzen würde in der Eigenschaft dieses Papiergeldes, als
allgemeine Sparfasse zu dienen, liegen. Jeder, der irgend einen Betrag in
solchen Zetteln entnähme, würde ihn ohne weiteres so lange verzinslich be¬
nutzen, bis er ihn wieder aufgäbe, und so viele Leute aus den niederen
Classen, die keinen klaren Begriff von dem Werthe des Geldes und von sei¬
ner verzinslichen und productiven Anwendung haben, würden diese Anwen¬
dung ohne ihren Willen zu ihrem eignen großen Nutzen kennen lernen. Während
sich sonst das Geld in ihrer Tasche verlor, würde es dann vielmehr darin
keimen und wuchern. Jeder würde sich so lange als nur immer möglich
hüten, sem Geld auszugeben, wenn es morgen vielleicht schon einen höhern
Werth hätte, und der Sinn für Sparsamkeit, die Grundlage des Wohlstandes,
würde sich in allen Classen der Bevölkerung, vorzugsweise aber in den niederen
immer mehr verbreiten.

Auch hier könnte man sagen, daß ja über unser ganzes Vaterland ein
vollständiges Netz von Sparkassen verbreitet sei. welche entsprechende Gelegen¬
heit'zur Förderung der Sparsamkeit bieten, indem sie bereitwillig auch die
kleinsten Beträge annehmen und angemessen verzinsen u. s. w. Eine ver¬
gleichende Uebersicht dieser gewiß sehr lobeBwerthen und vielen Nutzen stif¬
tenden Kassen belehrt uns jedoch, daß dieselben bei weitem nicht so benutzt
werden, wie sie es verdienten, daß sie also entweder in ihren Einrichtungen
nicht allen Erfordernissen entsprechen, welche Attribute solcher Institute sein
müssen, oder daß der rechte Geist in dem Volke noch nicht geweckt ist, welcher
M Benutzung derselben anspornt. Es geht dieses ganz unzweideutig aus den
Resultaten derselben hervor; denn wenn auch einzelne Sparkassen b edeutende
Capitalien zu verwalten haben, so gibt es doch noch gar viele, welche vcr-
haltnißmähig — obschon größere Bezirke auf sie angewiesen sind — wenig
benutzt werden. Ein Hauptgrund dieser Erscheinungen ist wol darin zu suchen,
daß solche Kassen unmöglich in jedem einzelnen Orte errichtet werden können,
vielmehr in der Regel nur in der Kreis- oder Bezirkshauptstadt bestehen. Hat
nun jemand auf dem Lande eine kleine Summe erspart, und möchte dieselbe
gern in der Sparkasse anlegen, so müßte er sie 2, 3 Stunden weit dahintragen;
er will aber den dazu erforderlichen halben Tag nicht versäumen, und er läßt
das Geld liegen, bis er gelegentlich in die Stadt kommt. Erscheint endlich
die Gelegenheit.' so ist das Geld häusig wieder ausgegeben. Ein Andrer
glaubt das Geld in einigen Monaten wieder zu brauchen, ein Dritter fürchtet,
°s möchte bekannt werden, daß er sich Geld erspart habe u. s. w. Alle diese
Einwände Mer bei diesen Zinszetteln weg. ja die Leute sind gezwungen,
die Vortheile der Verzinsung anzunehmen, wenn sie mit solchem Papiergeld
bezahlt werden, und bald werden 'sie den Nutzen einsehen, und der Sache


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/57>, abgerufen am 06.02.2025.