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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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Aber dieser Mensch war das anerkannte Organ der ostpreußischen Reaction, der
Vertraute des General von Plehve, der Vertraute des Polizeipräsidenten Peters, und
eine Denunciation von ihm genügte, daß die Polizei ins Schlafgemach von Frauen
und Mädchen eindrang, um nach verborgenen Waffen zu suchen, daß sie alte Män¬
ner halb bekleidet durch Wind und Regen fortschleppte.

Wie gesagt, in der vorliegenden Broschüre ist noch nicht der zehnte Theil von
dem erzählt, was zu erzählen war, und wir hoffen nicht blos in der Presse, sondern
namentlich im Landtag' auf eine angemessene Vervollständigung. Es handelt sich
hier nicht um einen Act der Wiedervergeltung; die betreffenden Personen sind zu
klüglich; es handelt sich um den thatsächlichen Nachweis, daß wir kräftiger, bestimmt
ausgesprochener Gesetze bedürfen, um die Wiederkehr von Zuständen unmöglich zu
machen, die der künftige Geschichtschreiber Preußens mit Ekel berichten wird. Herr¬
lich ist eine Regierung, die ein reines Gewissen hat; aber dem Staat kommt es
darauf an, den Unterthan auch gegen eine Regierung zu schützen, die sich eines
solchen Gewissens nicht erfreut.

Als Rückkehr zu den geordneten Zuständen wird gewiß die neue Regierung in
allen Kreisen des deutschen Vaterlandes mit Freude begrüßt werden, und in dieser
Beziehung hätten wir gewünscht, daß das Dresdner Journal ausführlicher in der
Mittheilung der Depesche gewesen wäre, welche die sächsische Regierung an ihren
Gesandten in Preußen erlassen hat. Wenn diese Depesche sagt: "daß es ein Irr¬
thum sein würde, vorauszusetzen, als sei der neue Wechsel in Preußen geeignet,
bei der diesseitigen Regierung Unruhe oder Besorgniß zu erzeugen," so wird das
preußische Ministerium einer solchen Versicherung nicht erst bedürfen. Dagegen wäre
es für das Publicum, welches die bekannten Artikel der Leipziger Zeitung gelesen
hat und sich nicht immer daran erinnert, daß dieses Blatt keineswegs ein officielles
ist, gewiß von Interesse, auf diesen Unterschied wieder aufmerksam gemacht zu wer¬
den. Ebenso hoffen wir von der baierischen Regierung, daß ihr das Einlenken in
eine Bahn, welche die neuen Wahlen als einen so lebhaften Wunsch des Landes
darstellen, durch den Umschwung der Dinge in Preußen erleichtert, und daß sie
ihrerseits nicht verfehlen wird, ihre Befriedigung darüber auszusprechen. Mit dieser
herzlichen Hoffnung auf die erleichterte Einigkeit Deutschlands, begrüßen wir das
5 -j- neue Jahr.




Verantwortlicher Redacteur: v. Moritz Busch -- Verlag von F. L. H erdig
in Leipzig.
Druck von C. E Elbert in Leipzig,


Aber dieser Mensch war das anerkannte Organ der ostpreußischen Reaction, der
Vertraute des General von Plehve, der Vertraute des Polizeipräsidenten Peters, und
eine Denunciation von ihm genügte, daß die Polizei ins Schlafgemach von Frauen
und Mädchen eindrang, um nach verborgenen Waffen zu suchen, daß sie alte Män¬
ner halb bekleidet durch Wind und Regen fortschleppte.

Wie gesagt, in der vorliegenden Broschüre ist noch nicht der zehnte Theil von
dem erzählt, was zu erzählen war, und wir hoffen nicht blos in der Presse, sondern
namentlich im Landtag' auf eine angemessene Vervollständigung. Es handelt sich
hier nicht um einen Act der Wiedervergeltung; die betreffenden Personen sind zu
klüglich; es handelt sich um den thatsächlichen Nachweis, daß wir kräftiger, bestimmt
ausgesprochener Gesetze bedürfen, um die Wiederkehr von Zuständen unmöglich zu
machen, die der künftige Geschichtschreiber Preußens mit Ekel berichten wird. Herr¬
lich ist eine Regierung, die ein reines Gewissen hat; aber dem Staat kommt es
darauf an, den Unterthan auch gegen eine Regierung zu schützen, die sich eines
solchen Gewissens nicht erfreut.

Als Rückkehr zu den geordneten Zuständen wird gewiß die neue Regierung in
allen Kreisen des deutschen Vaterlandes mit Freude begrüßt werden, und in dieser
Beziehung hätten wir gewünscht, daß das Dresdner Journal ausführlicher in der
Mittheilung der Depesche gewesen wäre, welche die sächsische Regierung an ihren
Gesandten in Preußen erlassen hat. Wenn diese Depesche sagt: „daß es ein Irr¬
thum sein würde, vorauszusetzen, als sei der neue Wechsel in Preußen geeignet,
bei der diesseitigen Regierung Unruhe oder Besorgniß zu erzeugen," so wird das
preußische Ministerium einer solchen Versicherung nicht erst bedürfen. Dagegen wäre
es für das Publicum, welches die bekannten Artikel der Leipziger Zeitung gelesen
hat und sich nicht immer daran erinnert, daß dieses Blatt keineswegs ein officielles
ist, gewiß von Interesse, auf diesen Unterschied wieder aufmerksam gemacht zu wer¬
den. Ebenso hoffen wir von der baierischen Regierung, daß ihr das Einlenken in
eine Bahn, welche die neuen Wahlen als einen so lebhaften Wunsch des Landes
darstellen, durch den Umschwung der Dinge in Preußen erleichtert, und daß sie
ihrerseits nicht verfehlen wird, ihre Befriedigung darüber auszusprechen. Mit dieser
herzlichen Hoffnung auf die erleichterte Einigkeit Deutschlands, begrüßen wir das
5 -j- neue Jahr.




Verantwortlicher Redacteur: v. Moritz Busch — Verlag von F. L. H erdig
in Leipzig.
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[0528] Aber dieser Mensch war das anerkannte Organ der ostpreußischen Reaction, der Vertraute des General von Plehve, der Vertraute des Polizeipräsidenten Peters, und eine Denunciation von ihm genügte, daß die Polizei ins Schlafgemach von Frauen und Mädchen eindrang, um nach verborgenen Waffen zu suchen, daß sie alte Män¬ ner halb bekleidet durch Wind und Regen fortschleppte. Wie gesagt, in der vorliegenden Broschüre ist noch nicht der zehnte Theil von dem erzählt, was zu erzählen war, und wir hoffen nicht blos in der Presse, sondern namentlich im Landtag' auf eine angemessene Vervollständigung. Es handelt sich hier nicht um einen Act der Wiedervergeltung; die betreffenden Personen sind zu klüglich; es handelt sich um den thatsächlichen Nachweis, daß wir kräftiger, bestimmt ausgesprochener Gesetze bedürfen, um die Wiederkehr von Zuständen unmöglich zu machen, die der künftige Geschichtschreiber Preußens mit Ekel berichten wird. Herr¬ lich ist eine Regierung, die ein reines Gewissen hat; aber dem Staat kommt es darauf an, den Unterthan auch gegen eine Regierung zu schützen, die sich eines solchen Gewissens nicht erfreut. Als Rückkehr zu den geordneten Zuständen wird gewiß die neue Regierung in allen Kreisen des deutschen Vaterlandes mit Freude begrüßt werden, und in dieser Beziehung hätten wir gewünscht, daß das Dresdner Journal ausführlicher in der Mittheilung der Depesche gewesen wäre, welche die sächsische Regierung an ihren Gesandten in Preußen erlassen hat. Wenn diese Depesche sagt: „daß es ein Irr¬ thum sein würde, vorauszusetzen, als sei der neue Wechsel in Preußen geeignet, bei der diesseitigen Regierung Unruhe oder Besorgniß zu erzeugen," so wird das preußische Ministerium einer solchen Versicherung nicht erst bedürfen. Dagegen wäre es für das Publicum, welches die bekannten Artikel der Leipziger Zeitung gelesen hat und sich nicht immer daran erinnert, daß dieses Blatt keineswegs ein officielles ist, gewiß von Interesse, auf diesen Unterschied wieder aufmerksam gemacht zu wer¬ den. Ebenso hoffen wir von der baierischen Regierung, daß ihr das Einlenken in eine Bahn, welche die neuen Wahlen als einen so lebhaften Wunsch des Landes darstellen, durch den Umschwung der Dinge in Preußen erleichtert, und daß sie ihrerseits nicht verfehlen wird, ihre Befriedigung darüber auszusprechen. Mit dieser herzlichen Hoffnung auf die erleichterte Einigkeit Deutschlands, begrüßen wir das 5 -j- neue Jahr. Verantwortlicher Redacteur: v. Moritz Busch — Verlag von F. L. H erdig in Leipzig. Druck von C. E Elbert in Leipzig,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/528>, abgerufen am 06.02.2025.