Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.durften; ja er verbannte acht Jahre später, als die Klagen sich mehrten 65*
durften; ja er verbannte acht Jahre später, als die Klagen sich mehrten 65*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0523" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/266332"/> <p xml:id="ID_1478" prev="#ID_1477" next="#ID_1479"> durften; ja er verbannte acht Jahre später, als die Klagen sich mehrten<lb/> alle Schauspieler aus Italien. Allein Caligula führte die lange entbehrten<lb/> Belustigungen wieder ein, veranstaltete dieselben sogar des Nachts, was bis<lb/> dahinmoch unerhört war, bei voller Erleuchtung der Stadt, grollte lästernd<lb/> mit Jupiter, als einst Regengüsse die Vorstellungen der Pantomimen verzögerten.'<lb/> und küßte den vortrefflichen Pantomimen Mnestor vor den Augen des ganzen<lb/> Volkes. Nero begünstigte natürlich in seiner Kunstmanie auch die Pantomimen,<lb/> hatte seine große Freude an den Raufereien des Volkes und warf selbst vom<lb/> Proscenium herab mit Steinen und Stuhlbeinen unter die Kämpfenden! als<lb/> aber sein Versuch, die Orchestik beim Tänzer Paris zu- erlernen mißlang,<lb/> ließ er denselben hinrichten und verbannte alle derartigen Künstler aus Italien.<lb/> Seine Ermordung brachte die Hauptstadt um einen großen Genuß; denn er<lb/> hatte bei der herannahenden Gefahr das Gelübde gethan, bei den Spielen zu<lb/> Ehren seiner Erhaltung als Wasserorgelspieler, Chorflötist und Dudelsacks¬<lb/> pfeifer aufzutreten und den König Turnus nach Virgil zu tanzen! Wenn<lb/> man bedenkt, daß damals jeder Anführer von einer Abtheilung der kaiserlichen<lb/> Claque eine Besoldung von 2500 Thlr. erhielt , so kann man sich eine schwache<lb/> Vorstellung von den Kosten des Theaters.machen (der gewöhnliche Preis einer<lb/> Vorstellung für den Schauspieler schwankte übrigens in der Kaiserzeit gesetzlich<lb/> zwischen 25 und 50 Thlr.). Unter Domitian entzückte ein zweiter Paris<lb/> das Volk. Er war so sehr Liebling der Damen, daß Juvenal es unter<lb/> den Opfern aufzählt, die sich eine Frau auferlegte, wenn sie die Hauptstadt<lb/> verließ: daß sie das Spiel dieses Künstlers missen mußte. So war es<lb/> kein Wunder, daß selbst die Kaiserin Domitia sich sterblich in ihn ver¬<lb/> liebte. Endlich merkte aber der Tyrann die Untreue seiner Gemahlin, ver¬<lb/> stieß dieselbe und ließ den Pantomimen auf offener Straße niederstoßen.<lb/> Seiner Wuth siel sogar ein unschuldiger, kränklicher, aber seinem .Lehrer<lb/> an Gestalt und Kunst ähnelnder Schüler des Paris zum Opfer, so wie die<lb/> Todesstrafe an allen vollzogen wurde, welche den Ort. wo der Tänzer ermor¬<lb/> det worden war. mit Blumen schmückten. Außerdem gestattete Domitian von<lb/> nun an nur noch das Spiel der Pantomimen innerhalb der Privatwoh¬<lb/> nungen. Vom edlen Trajan verlangte das Volk mit derselben Uebereinstimmung<lb/> die Abschaffung der Pantomimen, wie von Nerva die Wiedereinführung der¬<lb/> selben. Unter den folgenden Kaisern wagte es höchstens Commodus, dem<lb/> Volk diese Darstellungen zu entziehn, und sie erhielten sich in Gunst bis zum<lb/> Untergang des weströmischen Reiches und fanden in der neuen Hauptstadt<lb/> des oströmischen denselben ausschweifenden Beifall. Noch der ostgothische Ge¬<lb/> heimschreiber Cassiodor lobt „die geschwätzigen Hände, die zungenfertigen<lb/> Finger, das schreiende Stillschweigen, die stumme Erzählung" der Panto¬<lb/> mimen und zugleich ersieht man aus ihm. daß weder die Art der Action,</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 65*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0523]
durften; ja er verbannte acht Jahre später, als die Klagen sich mehrten
alle Schauspieler aus Italien. Allein Caligula führte die lange entbehrten
Belustigungen wieder ein, veranstaltete dieselben sogar des Nachts, was bis
dahinmoch unerhört war, bei voller Erleuchtung der Stadt, grollte lästernd
mit Jupiter, als einst Regengüsse die Vorstellungen der Pantomimen verzögerten.'
und küßte den vortrefflichen Pantomimen Mnestor vor den Augen des ganzen
Volkes. Nero begünstigte natürlich in seiner Kunstmanie auch die Pantomimen,
hatte seine große Freude an den Raufereien des Volkes und warf selbst vom
Proscenium herab mit Steinen und Stuhlbeinen unter die Kämpfenden! als
aber sein Versuch, die Orchestik beim Tänzer Paris zu- erlernen mißlang,
ließ er denselben hinrichten und verbannte alle derartigen Künstler aus Italien.
Seine Ermordung brachte die Hauptstadt um einen großen Genuß; denn er
hatte bei der herannahenden Gefahr das Gelübde gethan, bei den Spielen zu
Ehren seiner Erhaltung als Wasserorgelspieler, Chorflötist und Dudelsacks¬
pfeifer aufzutreten und den König Turnus nach Virgil zu tanzen! Wenn
man bedenkt, daß damals jeder Anführer von einer Abtheilung der kaiserlichen
Claque eine Besoldung von 2500 Thlr. erhielt , so kann man sich eine schwache
Vorstellung von den Kosten des Theaters.machen (der gewöhnliche Preis einer
Vorstellung für den Schauspieler schwankte übrigens in der Kaiserzeit gesetzlich
zwischen 25 und 50 Thlr.). Unter Domitian entzückte ein zweiter Paris
das Volk. Er war so sehr Liebling der Damen, daß Juvenal es unter
den Opfern aufzählt, die sich eine Frau auferlegte, wenn sie die Hauptstadt
verließ: daß sie das Spiel dieses Künstlers missen mußte. So war es
kein Wunder, daß selbst die Kaiserin Domitia sich sterblich in ihn ver¬
liebte. Endlich merkte aber der Tyrann die Untreue seiner Gemahlin, ver¬
stieß dieselbe und ließ den Pantomimen auf offener Straße niederstoßen.
Seiner Wuth siel sogar ein unschuldiger, kränklicher, aber seinem .Lehrer
an Gestalt und Kunst ähnelnder Schüler des Paris zum Opfer, so wie die
Todesstrafe an allen vollzogen wurde, welche den Ort. wo der Tänzer ermor¬
det worden war. mit Blumen schmückten. Außerdem gestattete Domitian von
nun an nur noch das Spiel der Pantomimen innerhalb der Privatwoh¬
nungen. Vom edlen Trajan verlangte das Volk mit derselben Uebereinstimmung
die Abschaffung der Pantomimen, wie von Nerva die Wiedereinführung der¬
selben. Unter den folgenden Kaisern wagte es höchstens Commodus, dem
Volk diese Darstellungen zu entziehn, und sie erhielten sich in Gunst bis zum
Untergang des weströmischen Reiches und fanden in der neuen Hauptstadt
des oströmischen denselben ausschweifenden Beifall. Noch der ostgothische Ge¬
heimschreiber Cassiodor lobt „die geschwätzigen Hände, die zungenfertigen
Finger, das schreiende Stillschweigen, die stumme Erzählung" der Panto¬
mimen und zugleich ersieht man aus ihm. daß weder die Art der Action,
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