Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.neigt sind. Sie entbehrte zwar die Harmonie der Accorde und überhaupt des neigt sind. Sie entbehrte zwar die Harmonie der Accorde und überhaupt des <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0519" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/266328"/> <p xml:id="ID_1474" prev="#ID_1473" next="#ID_1475"> neigt sind. Sie entbehrte zwar die Harmonie der Accorde und überhaupt des<lb/> freieren Aufschwungs der modernen; allein sie war eben dadurch durchsichtiger,<lb/> von unmittelbarerer Wirkung, und da sich an bestimmte Tonarten und Takt¬<lb/> bewegungen im Bewußtsein des Hörers sogleich eine bestimmte Gemüthsstim¬<lb/> mung knüpfte, so wirkte sie bei der mimischen Darstellung als ein direct mit<lb/> das Verständniß vermittelndes! Element. Dennoch fehlte aber der Panto-<lb/> mimik noch so lange die höchste Fähigkeit, den ganzen Reichthum eines geschicht¬<lb/> lichen sujets in der Darstellung zu entwickeln, als sie sich noch nicht vom<lb/> Gesänge, dessen Text den Inhalt der Handlung bestimmt aussprach, begleiten<lb/> ließ. Dieses dritte nothwendige Vehikel der Kunst kam auf italischen<lb/> Boden hinzu, ohne daß die dadurch vervollkommnete Pantomimik eigentlich<lb/> eine römische Erfindung genannt werden kann. Das römische Drama bestand<lb/> bereits seit dem Jahr 240 vor Chr. aus dem Dialog (der stets gesprochen<lb/> wurde), dem Gesang und den Pantomimen. In den lyrischen Monologen<lb/> ging die Recitation in Gesang, die Gesticulation in Tanz über. Der eigent¬<lb/> liche Schauspieler stellte schon den Inhalt des Monologs pantomimisch dar,<lb/> während ein Sänger oder ein Chor den Text nach besonders dazu componir-<lb/> ter Melodien mit Flötenbegleitung absang. Von dieser Einrichtung zu rein<lb/> pantomimischen Stücken war nur noch ein Schritt. Man brauchte eben blos<lb/> den Dialog auszuschließen und die Hauptsituationen in eine Reihe von Mo¬<lb/> nologen zusammenzufassen, die vielleicht den erzählenden Recitativen unserer<lb/> Oratorien glichen. Die Bekanntschaft des Publicums mit dem gcscunmten mytho¬<lb/> logischen Material konnte dann die etwa bleibenden Lücken leicht ausfüllen.<lb/> . Griechische Balletmeister waren es, die unter der Negierung des Kaisers Augustus<lb/> diesen glücklichen Einfall hatten, so wie überhaupt Griechen aus Hellas oder<lb/> den gräcisirtcn Provinzen, besonders Syrien und Aegypten, den Ruhm der<lb/> Meisterschaft behaupteten, den Italienern die eigentlichen Mimen (Harlckina-<lb/> den mit übertriebenen Grimassen und obscönen Geberden) überlassend. Und<lb/> es sind nicht blos die Namen fast aller Virtuosen in dieser Kunst griechisch,<lb/> sondern auch die Texte scheinen den Andeutungen der alten Schriftsteller zu¬<lb/> folge in griechischer Sprache versaßt gewesen zu sein. Die Erfinder waren<lb/> Pylades aus Cilizien und Bathyllos aus Alexandria. Bathyllos zeich¬<lb/> nete sich besonders in der Darstellung des Zarten, Weichen, Weibischen und<lb/> Komischen aus, Pylades mehr in den tragischen Rollen. Bathyllos war des¬<lb/> halb ein Favorit des weichlichen Mäcenas und Liebling der römischen Damen,<lb/> die von namenlosem Entzücken hingerissen wurden, wenn er ihnen sein Mei¬<lb/> sterstück, die von Zeus geliebte Leda, vorzauberte. Die energischere Natur<lb/> seines Rivalen Pylades spricht aus mehreren, über ihn aufbewahrten Anek¬<lb/> doten. Als er zum ersten Mal im „rasenden Herkules" auftrat, deu er spä¬<lb/> ter privatim vor dem Kaiser wiederholen mußte, und das Publicum Zeichen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0519]
neigt sind. Sie entbehrte zwar die Harmonie der Accorde und überhaupt des
freieren Aufschwungs der modernen; allein sie war eben dadurch durchsichtiger,
von unmittelbarerer Wirkung, und da sich an bestimmte Tonarten und Takt¬
bewegungen im Bewußtsein des Hörers sogleich eine bestimmte Gemüthsstim¬
mung knüpfte, so wirkte sie bei der mimischen Darstellung als ein direct mit
das Verständniß vermittelndes! Element. Dennoch fehlte aber der Panto-
mimik noch so lange die höchste Fähigkeit, den ganzen Reichthum eines geschicht¬
lichen sujets in der Darstellung zu entwickeln, als sie sich noch nicht vom
Gesänge, dessen Text den Inhalt der Handlung bestimmt aussprach, begleiten
ließ. Dieses dritte nothwendige Vehikel der Kunst kam auf italischen
Boden hinzu, ohne daß die dadurch vervollkommnete Pantomimik eigentlich
eine römische Erfindung genannt werden kann. Das römische Drama bestand
bereits seit dem Jahr 240 vor Chr. aus dem Dialog (der stets gesprochen
wurde), dem Gesang und den Pantomimen. In den lyrischen Monologen
ging die Recitation in Gesang, die Gesticulation in Tanz über. Der eigent¬
liche Schauspieler stellte schon den Inhalt des Monologs pantomimisch dar,
während ein Sänger oder ein Chor den Text nach besonders dazu componir-
ter Melodien mit Flötenbegleitung absang. Von dieser Einrichtung zu rein
pantomimischen Stücken war nur noch ein Schritt. Man brauchte eben blos
den Dialog auszuschließen und die Hauptsituationen in eine Reihe von Mo¬
nologen zusammenzufassen, die vielleicht den erzählenden Recitativen unserer
Oratorien glichen. Die Bekanntschaft des Publicums mit dem gcscunmten mytho¬
logischen Material konnte dann die etwa bleibenden Lücken leicht ausfüllen.
. Griechische Balletmeister waren es, die unter der Negierung des Kaisers Augustus
diesen glücklichen Einfall hatten, so wie überhaupt Griechen aus Hellas oder
den gräcisirtcn Provinzen, besonders Syrien und Aegypten, den Ruhm der
Meisterschaft behaupteten, den Italienern die eigentlichen Mimen (Harlckina-
den mit übertriebenen Grimassen und obscönen Geberden) überlassend. Und
es sind nicht blos die Namen fast aller Virtuosen in dieser Kunst griechisch,
sondern auch die Texte scheinen den Andeutungen der alten Schriftsteller zu¬
folge in griechischer Sprache versaßt gewesen zu sein. Die Erfinder waren
Pylades aus Cilizien und Bathyllos aus Alexandria. Bathyllos zeich¬
nete sich besonders in der Darstellung des Zarten, Weichen, Weibischen und
Komischen aus, Pylades mehr in den tragischen Rollen. Bathyllos war des¬
halb ein Favorit des weichlichen Mäcenas und Liebling der römischen Damen,
die von namenlosem Entzücken hingerissen wurden, wenn er ihnen sein Mei¬
sterstück, die von Zeus geliebte Leda, vorzauberte. Die energischere Natur
seines Rivalen Pylades spricht aus mehreren, über ihn aufbewahrten Anek¬
doten. Als er zum ersten Mal im „rasenden Herkules" auftrat, deu er spä¬
ter privatim vor dem Kaiser wiederholen mußte, und das Publicum Zeichen
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