Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.den und auch jetzt zum Theil noch nicht vergessen sind, nennen wir beispiels¬ Aber auch sür die Masse der Spießbürger und Philister, die nach Italien den und auch jetzt zum Theil noch nicht vergessen sind, nennen wir beispiels¬ Aber auch sür die Masse der Spießbürger und Philister, die nach Italien <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0504" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/266313"/> <p xml:id="ID_1432" prev="#ID_1431"> den und auch jetzt zum Theil noch nicht vergessen sind, nennen wir beispiels¬<lb/> weise: Hermann Friedländer, Ansichten von Italien 1320, 2 Bände; Kepha-<lb/> lides Reise durch Italien und SicUien 1818, 2 Bände; Christian Müllers<lb/> Briefe an deutsche Freunde von einer Reise durch Italien 1824. 2 Bände;<lb/> (worin man, beiläufig gesagt, 2. B. S. 730, einen sehr guten sachverständigen<lb/> Bericht über die Ostermusiken in der Sixtinischen Kapelle findet). Die durch¬<lb/> gehende Stimmung in diesen und andern Büchern ist Enthusiasmus für das<lb/> schöne Land, dessen Uebelstünde meist mit Humor ertragen, dessen Verfall zu¬<lb/> weilen mit Wehmuth betrauert wird. Je nach der Richtung und dem Bil¬<lb/> dungsgrad der Reisenden sind die Natur, die Kunst, die Alterthümer, auch (wie<lb/> namentlich bei Kephalides) die nationalen Eigenthümlichkeiten vorzugsweise<lb/> der Gegenstand ihres Interesses, die letztern finden fast überall wohlwollende<lb/> und nachsichtige Beurtheilung. In der Kunstbetrachtung herrscht wie bei<lb/> Niebuhr unbedingte Bewunderung der vorraphaelischen und zuweilen ent¬<lb/> sprechende Verachtung der nachraphaelischen Perioden; von diesem Standpunkt<lb/> aus werden auch die Bestrebungen der neuen deutschen Künstlerschule in Rom<lb/> gewürdigt (besonders bei Friedlünder). Die Einflüsse der Romantik zeigen<lb/> sich am meisten in der andächtigen Schwärmerei für die Ostcrmusiken der<lb/> päpstlichen Kapelle.</p><lb/> <p xml:id="ID_1433" next="#ID_1434"> Aber auch sür die Masse der Spießbürger und Philister, die nach Italien<lb/> reisten, weil es Mode war und das gerühmte Land weit unter ihrer Erwartung<lb/> fanden, denen weder der Golf von Neapel noch das Pantheon ihr heimisches<lb/> Weißbier und die gemüthliche Abendpfeife ersetzen konnte, wurde ein Buch<lb/> geschrieben, das vollkommen ihre Empfindungen ausdrückte. Wir meinen:<lb/> Italien wie es wirklich ist. Bericht über eine merkwürdige Reise in den<lb/> hesperischen Gefilden, als Warnungsstimme für alle, welche sich dahin sehnen,<lb/> von Gustav Nicolai, königl. preuß. Divisionsauditeur. Die zweite (1835<lb/> erschienene) Auslage enthält als Beigabe außer dem Portrait des Verfassers,<lb/> alle günstigen und ungünstigen Recensionen des Buchs, mit Bemerkungen be¬<lb/> gleitet. Der königl. preußische Divisionsauditeur hatte Italien als Milordo<lb/> mit Extrapost durchreist, weil er sich einbildete, daß wer mit Vetturinen reise,<lb/> in Italien für einen „Lump" gehalten werde; er war dem ungewöhnlichen Zu¬<lb/> schnitt seiner Reise gemäß geprellt worden, um so mehr als er auch die plumpsten<lb/> Zumuthungen erfüllen zu müssen glaubte, wenn man ihm andeutete, daß es<lb/> für Seinesgleichen nicht -anders schicklich sei. Wie er überall verhöhnt und<lb/> zum Narren gehalten wurde, erzählt er selbst mit großer Naivetät. Bei seiner<lb/> eiligen Fahrt (in nicht vollen zwei Monaten durcheilte er ganz Italien hin<lb/> und zurück) lernte er nur Gastwirthe. Postbeamte. Douaniers. Lohnbediente<lb/> und Bettler kennen; da er in den heißesten Sommermonaten reiste, wurde<lb/> er von Flöhen aufs äußerste geplagt. Mit komischer Gewissenhaftigkeit ver-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0504]
den und auch jetzt zum Theil noch nicht vergessen sind, nennen wir beispiels¬
weise: Hermann Friedländer, Ansichten von Italien 1320, 2 Bände; Kepha-
lides Reise durch Italien und SicUien 1818, 2 Bände; Christian Müllers
Briefe an deutsche Freunde von einer Reise durch Italien 1824. 2 Bände;
(worin man, beiläufig gesagt, 2. B. S. 730, einen sehr guten sachverständigen
Bericht über die Ostermusiken in der Sixtinischen Kapelle findet). Die durch¬
gehende Stimmung in diesen und andern Büchern ist Enthusiasmus für das
schöne Land, dessen Uebelstünde meist mit Humor ertragen, dessen Verfall zu¬
weilen mit Wehmuth betrauert wird. Je nach der Richtung und dem Bil¬
dungsgrad der Reisenden sind die Natur, die Kunst, die Alterthümer, auch (wie
namentlich bei Kephalides) die nationalen Eigenthümlichkeiten vorzugsweise
der Gegenstand ihres Interesses, die letztern finden fast überall wohlwollende
und nachsichtige Beurtheilung. In der Kunstbetrachtung herrscht wie bei
Niebuhr unbedingte Bewunderung der vorraphaelischen und zuweilen ent¬
sprechende Verachtung der nachraphaelischen Perioden; von diesem Standpunkt
aus werden auch die Bestrebungen der neuen deutschen Künstlerschule in Rom
gewürdigt (besonders bei Friedlünder). Die Einflüsse der Romantik zeigen
sich am meisten in der andächtigen Schwärmerei für die Ostcrmusiken der
päpstlichen Kapelle.
Aber auch sür die Masse der Spießbürger und Philister, die nach Italien
reisten, weil es Mode war und das gerühmte Land weit unter ihrer Erwartung
fanden, denen weder der Golf von Neapel noch das Pantheon ihr heimisches
Weißbier und die gemüthliche Abendpfeife ersetzen konnte, wurde ein Buch
geschrieben, das vollkommen ihre Empfindungen ausdrückte. Wir meinen:
Italien wie es wirklich ist. Bericht über eine merkwürdige Reise in den
hesperischen Gefilden, als Warnungsstimme für alle, welche sich dahin sehnen,
von Gustav Nicolai, königl. preuß. Divisionsauditeur. Die zweite (1835
erschienene) Auslage enthält als Beigabe außer dem Portrait des Verfassers,
alle günstigen und ungünstigen Recensionen des Buchs, mit Bemerkungen be¬
gleitet. Der königl. preußische Divisionsauditeur hatte Italien als Milordo
mit Extrapost durchreist, weil er sich einbildete, daß wer mit Vetturinen reise,
in Italien für einen „Lump" gehalten werde; er war dem ungewöhnlichen Zu¬
schnitt seiner Reise gemäß geprellt worden, um so mehr als er auch die plumpsten
Zumuthungen erfüllen zu müssen glaubte, wenn man ihm andeutete, daß es
für Seinesgleichen nicht -anders schicklich sei. Wie er überall verhöhnt und
zum Narren gehalten wurde, erzählt er selbst mit großer Naivetät. Bei seiner
eiligen Fahrt (in nicht vollen zwei Monaten durcheilte er ganz Italien hin
und zurück) lernte er nur Gastwirthe. Postbeamte. Douaniers. Lohnbediente
und Bettler kennen; da er in den heißesten Sommermonaten reiste, wurde
er von Flöhen aufs äußerste geplagt. Mit komischer Gewissenhaftigkeit ver-
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