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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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kamen. Der Werth der Einfuhr war 781,121, der Werth der Ausfuhr
374,366 Pfd. Se.

Im Alterthum bildete" die Inseln bekanntlich verschiedene Staaten, die
je nach der Abstammung ihrer Bürger auch verschiedene politische Einrichtungen
hatten. Nachdem letztere auf den Hauptinseln wiederholt gewechselt, siel die
ganze Inselgruppe mit den übrigen Theilen Griechenlands an Rom. In
den ersten Jahrhunderten des Mittelalters geboten lateinische Fürsten über
einzelne von den Inseln. Nach mancherlei Zwischenfällen, und nachdem Korfu
Cephalonia, Ithaka und Zarte mehrmals auf das furchtbarste von den
christlichen und mohammedanischen Seeräuberflotten verwüstet worden, welche
damals die griechischen Meere unsicher machten, stellte sich Korfu im Jahr
1386 unter die Souveränetät Venedigs, und in den nächsten zwei Jahr¬
hunderten sielen auch die übrigen westgriechischen Inseln sämmtlich in die
Hände dieses modernen Karthago, welches dieselben auf unverantwortliche
Weise verwaltete. Man stellte nur Venetianer als Beamte an, und diese ver¬
fuhren in der Weise der alten Proconsuln. Sie sahen ihre Stellen als Mittel
zur Bereicherung an und richteten sich in ihrer Verwaltung nach dem Recept
des bekannten Staatskanzlers Fra Paolo Sarpi. welcher sich über die Grund¬
sätze, nach denen den Griechen gegenüber zu verfahren, folgendermaßen äußert:
"In den Colonien muß man sich erinnern, daß auf nichts weniger Verlaß ist
als auf die Treue der Griechen. Man muß sie behandeln wie wilde Thiere,
ihnen die Zähne und die Krallen ausbrechen, sie häusig demüthigen, vor
allem aber ihnen die Gelegenheit abschneiden, sich an den Krieg zu gewöhnen.
Brot und den Stock, das ists was ihnen zukommt, menschliche Empfindung
hebe man sich für eine passendere Gelegenheit auf."

In Uebereinstimmung mit diesen liebenswürdigen Vorschriften, wurden die
Jonier schwer besteuert und von den Steuern starke Besatzungen unier ihnen
erhalten und mächtige Zwingburgen erbaut. Die Rechtspflege war äußerst
willkürlich, Bestechung gab den Ausschlag bei allen Fragen der Justiz wie
der Verwaltung, der größere Theil der Einnahmen fiel in die Taschen der Be¬
amten, und man führte mit allen Mitteln Krieg gegen die griechische Natio¬
nalität. Die jungen Leute lockte man nach italienischen Universitäten, indem
man ihnen dort Titel zu erwerben gestattete, ohne daß sie zu den Prüfungen
gezogen wurden, denen andere Studenten sich zu unterwerfen hatten. Daheim
wurde nichts für, vieles gegen die Schulen gethan. Die griechische Sprache
wurde aus dem Gerichtssaal, aus allen öffentlichen Urkunden verbannt, und
es gelang, sie selbst aus den Kreisen der vornehmen Welt zu verdrängen.
Nur das Landvolk bewahrte dieses Erbtheil seiner Vater. Der römisch-katho¬
lische Glaube wurde zum herrschenden erklärt, obwol außer den venetiauijchen
Eoloniften nur wenige Bewohner der Insel" ihm anhingen. Endlich Jesus


kamen. Der Werth der Einfuhr war 781,121, der Werth der Ausfuhr
374,366 Pfd. Se.

Im Alterthum bildete» die Inseln bekanntlich verschiedene Staaten, die
je nach der Abstammung ihrer Bürger auch verschiedene politische Einrichtungen
hatten. Nachdem letztere auf den Hauptinseln wiederholt gewechselt, siel die
ganze Inselgruppe mit den übrigen Theilen Griechenlands an Rom. In
den ersten Jahrhunderten des Mittelalters geboten lateinische Fürsten über
einzelne von den Inseln. Nach mancherlei Zwischenfällen, und nachdem Korfu
Cephalonia, Ithaka und Zarte mehrmals auf das furchtbarste von den
christlichen und mohammedanischen Seeräuberflotten verwüstet worden, welche
damals die griechischen Meere unsicher machten, stellte sich Korfu im Jahr
1386 unter die Souveränetät Venedigs, und in den nächsten zwei Jahr¬
hunderten sielen auch die übrigen westgriechischen Inseln sämmtlich in die
Hände dieses modernen Karthago, welches dieselben auf unverantwortliche
Weise verwaltete. Man stellte nur Venetianer als Beamte an, und diese ver¬
fuhren in der Weise der alten Proconsuln. Sie sahen ihre Stellen als Mittel
zur Bereicherung an und richteten sich in ihrer Verwaltung nach dem Recept
des bekannten Staatskanzlers Fra Paolo Sarpi. welcher sich über die Grund¬
sätze, nach denen den Griechen gegenüber zu verfahren, folgendermaßen äußert:
„In den Colonien muß man sich erinnern, daß auf nichts weniger Verlaß ist
als auf die Treue der Griechen. Man muß sie behandeln wie wilde Thiere,
ihnen die Zähne und die Krallen ausbrechen, sie häusig demüthigen, vor
allem aber ihnen die Gelegenheit abschneiden, sich an den Krieg zu gewöhnen.
Brot und den Stock, das ists was ihnen zukommt, menschliche Empfindung
hebe man sich für eine passendere Gelegenheit auf."

In Uebereinstimmung mit diesen liebenswürdigen Vorschriften, wurden die
Jonier schwer besteuert und von den Steuern starke Besatzungen unier ihnen
erhalten und mächtige Zwingburgen erbaut. Die Rechtspflege war äußerst
willkürlich, Bestechung gab den Ausschlag bei allen Fragen der Justiz wie
der Verwaltung, der größere Theil der Einnahmen fiel in die Taschen der Be¬
amten, und man führte mit allen Mitteln Krieg gegen die griechische Natio¬
nalität. Die jungen Leute lockte man nach italienischen Universitäten, indem
man ihnen dort Titel zu erwerben gestattete, ohne daß sie zu den Prüfungen
gezogen wurden, denen andere Studenten sich zu unterwerfen hatten. Daheim
wurde nichts für, vieles gegen die Schulen gethan. Die griechische Sprache
wurde aus dem Gerichtssaal, aus allen öffentlichen Urkunden verbannt, und
es gelang, sie selbst aus den Kreisen der vornehmen Welt zu verdrängen.
Nur das Landvolk bewahrte dieses Erbtheil seiner Vater. Der römisch-katho¬
lische Glaube wurde zum herrschenden erklärt, obwol außer den venetiauijchen
Eoloniften nur wenige Bewohner der Insel» ihm anhingen. Endlich Jesus


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/474>, abgerufen am 26.07.2024.