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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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Vergangenheit geblieben, als die düstern Steine der Königsstadt, ein roher
Pöbel und eine Neigung zu finsterem Fanatismus, welcher jetzt vor den neuen
Bildern der Heiligen die Ketzer verfluchte.

, Aus solcher Zeit ist uns eine kleine Schrift geblieben*), welche zwei von
den prager Berühmtheiten des Jesuitenordens, die Patres Eder und Christel,
der erste lateinisch verfaßt, der zweite ins Deutsche übertragen haben; beide
Verfasser auch sonst bekannt, der zweite als ein eifriger aber geschmackloser
deutscher Poet. Aus dieser Schrift ist der folgende Bericht entnommen. Bei
der Weitschweifigkeit und Unbehilflichkeit des Jcsuitendeutsch war ein wort¬
getreuer Abdruck unthunlich, doch gibt der Auszug, so treu als hier möglich,
die Worte des Originals und das Charakteristische des Ausdrucks wieder. Die
Erzählung beginnt folgendermaßen:

-- So sind in wenigen Jahren von einem einzigen Priester unserer So¬
cietät in der akademischen Salvatorkirche des Collegii der Gesellschaft Jesu
170 Personen jüdischen Standes durch das heilbringende Taufwasser gereinigt
worden.

Nebenbei will ich allhier kürzlich einiger Judenkinder sonderbare Neigung
zum christlichen Glauben erwähnen. Auf der zinkower Herrschaft trug vor
etlichen Jahren eine Jüdin ihr Töchterlein auf dein Arm, damit begegnete sie
zufällig einem katholischen Priester, dem sie antrug ihr Kind anzuschauen, in¬
dem sie den Schleier von dessen Gesichtlein abstreifte, nicht ohne sich zu be-
rühmen, daß sie ein dermaßen wohlgestaltetes Töchterlein zur Welt gebracht
hätte. Der Priester wurde durch dies ebenso ungereimte als unerwartete
Vertrauen angemuthet. das enthüllte Kind mit dem heiligen Kreuzzeichen zu
segnen, mit der beigefügten Ermahnung, daß die Mutter selbiges zur Furcht
und Liebe Gottes auferziehen, im Uebrigen aber der göttlichen Vorsicht über¬
lassen sollte. Und siehe diese kleine Jüdin war kaum auf ihre Füße gekommen,
so hielt sie sich alsbald zu christlichen Mädchen, bog mit ihnen, wenn sie
niederknieten, ihre Knielein, sang mit den Singenden, ging mit ihnen auf
die Auen und Wälder hinaus, graste mit ihnen, pflückte Erdbeeren und klaubte
Holz zusammen, erlernte nebenbei von ihnen das Vaterunser und den engli¬
schen Gruß, wie auch den Glauben aufsagen, mit einem Wort, sie machte
sich in christlicher Lehre bekannt und verlangte eifrig getauft zu werden. Die
hoch und wohlgeborne Gräfin von Zinkow, um dieses Mägdleins Begehren



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") Der vollständige Titel lautet: Mcmnhafftc Beständigkeit des zwölfjährigen Knabens
Simons Al'eins, welche er, um den Christlichen Glauben zu behaupten, an Tag gegeben, da
Ihn Lazarus Abeles, sei" Jndischer Vatter. aus Haß des Glaubens, zu Prag 21 Hornung
im Jahr 1694 grausam ermordet. Lateinisch beschrieben von It. ^manus Läer So>-,-l>-s"
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Vergangenheit geblieben, als die düstern Steine der Königsstadt, ein roher
Pöbel und eine Neigung zu finsterem Fanatismus, welcher jetzt vor den neuen
Bildern der Heiligen die Ketzer verfluchte.

, Aus solcher Zeit ist uns eine kleine Schrift geblieben*), welche zwei von
den prager Berühmtheiten des Jesuitenordens, die Patres Eder und Christel,
der erste lateinisch verfaßt, der zweite ins Deutsche übertragen haben; beide
Verfasser auch sonst bekannt, der zweite als ein eifriger aber geschmackloser
deutscher Poet. Aus dieser Schrift ist der folgende Bericht entnommen. Bei
der Weitschweifigkeit und Unbehilflichkeit des Jcsuitendeutsch war ein wort¬
getreuer Abdruck unthunlich, doch gibt der Auszug, so treu als hier möglich,
die Worte des Originals und das Charakteristische des Ausdrucks wieder. Die
Erzählung beginnt folgendermaßen:

— So sind in wenigen Jahren von einem einzigen Priester unserer So¬
cietät in der akademischen Salvatorkirche des Collegii der Gesellschaft Jesu
170 Personen jüdischen Standes durch das heilbringende Taufwasser gereinigt
worden.

Nebenbei will ich allhier kürzlich einiger Judenkinder sonderbare Neigung
zum christlichen Glauben erwähnen. Auf der zinkower Herrschaft trug vor
etlichen Jahren eine Jüdin ihr Töchterlein auf dein Arm, damit begegnete sie
zufällig einem katholischen Priester, dem sie antrug ihr Kind anzuschauen, in¬
dem sie den Schleier von dessen Gesichtlein abstreifte, nicht ohne sich zu be-
rühmen, daß sie ein dermaßen wohlgestaltetes Töchterlein zur Welt gebracht
hätte. Der Priester wurde durch dies ebenso ungereimte als unerwartete
Vertrauen angemuthet. das enthüllte Kind mit dem heiligen Kreuzzeichen zu
segnen, mit der beigefügten Ermahnung, daß die Mutter selbiges zur Furcht
und Liebe Gottes auferziehen, im Uebrigen aber der göttlichen Vorsicht über¬
lassen sollte. Und siehe diese kleine Jüdin war kaum auf ihre Füße gekommen,
so hielt sie sich alsbald zu christlichen Mädchen, bog mit ihnen, wenn sie
niederknieten, ihre Knielein, sang mit den Singenden, ging mit ihnen auf
die Auen und Wälder hinaus, graste mit ihnen, pflückte Erdbeeren und klaubte
Holz zusammen, erlernte nebenbei von ihnen das Vaterunser und den engli¬
schen Gruß, wie auch den Glauben aufsagen, mit einem Wort, sie machte
sich in christlicher Lehre bekannt und verlangte eifrig getauft zu werden. Die
hoch und wohlgeborne Gräfin von Zinkow, um dieses Mägdleins Begehren



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") Der vollständige Titel lautet: Mcmnhafftc Beständigkeit des zwölfjährigen Knabens
Simons Al'eins, welche er, um den Christlichen Glauben zu behaupten, an Tag gegeben, da
Ihn Lazarus Abeles, sei» Jndischer Vatter. aus Haß des Glaubens, zu Prag 21 Hornung
im Jahr 1694 grausam ermordet. Lateinisch beschrieben von It. ^manus Läer So>-,-l>-s"
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/452>, abgerufen am 05.07.2024.