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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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tigem Naturkindern in langgetragenen Accorden als Kirchenlieder benutzt wer¬
den, diese Weihe nicht entzauberten. . . .

Zum Schluß lassen wir die Schilderung einer Audienz folgen, welche der
Verfasser bei Pomare hatte: Endlich ging nur ein langersehnter Wunsch in
Erfüllung. Dienstag erhielt ich durch den Gouverneur die Nachricht, daß
mich Pomare zu hören verlangt, und da die Audienz noch am selben Tage
stattfinden sollte, so mußte ich mich über Hals und Kopf hofmäßig in Be¬
reitschaft setzen.

Um drei Uhr Nachmittags, die Sonne brannte grade am heftigsten, schritt
ich in Begleitung des Missionärs, der zugleich Hauspater der Königin ist,
durch die Straßen Tahitis. Ein halbnackter Indianer trug meinen Violin¬
isten hinten nach, und während der Missionär mir mein Verhalten bei der
Königin vorzcichncte und meinem ängstlichen Gemüth Trost zusprach, schifften
wir in einem Kahn nach der Insel Papet6e, der Residenz Ihrer barfüßen
Majestät.

Ein reizenderes Bild kann man sich nicht denken, als dieses hellgrüne
Eiland, das gleich einem Zaubergärten auf stiller Flut schwimmend, auf einer
Seite von lieblichen Häusern und Gärten, auf der andern von schäumenden
Riffen eingefaßt ist. an denen die Wellen des Oceans an stürmischen Tagen
oft 30 Fuß hoch hinaufspritzen.

Durch einen kleinen Palmenwald, an dessen Ende mehre Hütten der Ein-
gebornen zerstreut umherlagen, gelangten wir zu dem Hause der Königin,
welches sehr reizend mitten in der tropischen Pflanzenwelt liegt. Das Haus
gleicht einem europäischen Wohngebäude, ist mit zierlichen Fenstern, sogar
mit einem Balcon versehn, und eine vergoldete Krone, die aus der Dachspitze
in der Sonne glänzt, verkündet den Herrschersitz der gelben Königin. Eine
Schildwache, halb in glänzender Uniform, halb nackt, mit Flinte und Säbel
schwer bewaffnet, ging trotzig auf und nieder, aber nachdem wir ihr ein Geld¬
stück in die Hand gedrückt, wurde sie freundlicher und öffnete uns bereitwillig
die Pforten zum Throne der Monarchin.

Während der Missionär meinen Besuch der Königin meldete, wartete ich
in einem Zimmer des Erdgeschosses, welches nur mit einem langen Tisch
meublirt war, auf dem ein sehr wohlbeleibter Mann in etwas starkem Ne¬
glige zu schlafen schien. Kurz uach meinem Eintreten erhob er sich gähnend,
hüllte sich in einen grünen Frack, schnallte einen schweren, rostigen Degen
um, und schien sehr verwundert, als er mich erblickte. Unter dem Beendigen
seiner Toilette musterte er mich mit allerdings nicht sehr freundlichen Blicken
so durchdringend und machte ein solch diplomatisches Gesicht, daß ich nicht
länger daran zweifeln konnte, entweder einen Kämmerling, oder gar einen
Minister ihrer Majestät vor mir zu haben. Schnell verneigte ich mich gegen


tigem Naturkindern in langgetragenen Accorden als Kirchenlieder benutzt wer¬
den, diese Weihe nicht entzauberten. . . .

Zum Schluß lassen wir die Schilderung einer Audienz folgen, welche der
Verfasser bei Pomare hatte: Endlich ging nur ein langersehnter Wunsch in
Erfüllung. Dienstag erhielt ich durch den Gouverneur die Nachricht, daß
mich Pomare zu hören verlangt, und da die Audienz noch am selben Tage
stattfinden sollte, so mußte ich mich über Hals und Kopf hofmäßig in Be¬
reitschaft setzen.

Um drei Uhr Nachmittags, die Sonne brannte grade am heftigsten, schritt
ich in Begleitung des Missionärs, der zugleich Hauspater der Königin ist,
durch die Straßen Tahitis. Ein halbnackter Indianer trug meinen Violin¬
isten hinten nach, und während der Missionär mir mein Verhalten bei der
Königin vorzcichncte und meinem ängstlichen Gemüth Trost zusprach, schifften
wir in einem Kahn nach der Insel Papet6e, der Residenz Ihrer barfüßen
Majestät.

Ein reizenderes Bild kann man sich nicht denken, als dieses hellgrüne
Eiland, das gleich einem Zaubergärten auf stiller Flut schwimmend, auf einer
Seite von lieblichen Häusern und Gärten, auf der andern von schäumenden
Riffen eingefaßt ist. an denen die Wellen des Oceans an stürmischen Tagen
oft 30 Fuß hoch hinaufspritzen.

Durch einen kleinen Palmenwald, an dessen Ende mehre Hütten der Ein-
gebornen zerstreut umherlagen, gelangten wir zu dem Hause der Königin,
welches sehr reizend mitten in der tropischen Pflanzenwelt liegt. Das Haus
gleicht einem europäischen Wohngebäude, ist mit zierlichen Fenstern, sogar
mit einem Balcon versehn, und eine vergoldete Krone, die aus der Dachspitze
in der Sonne glänzt, verkündet den Herrschersitz der gelben Königin. Eine
Schildwache, halb in glänzender Uniform, halb nackt, mit Flinte und Säbel
schwer bewaffnet, ging trotzig auf und nieder, aber nachdem wir ihr ein Geld¬
stück in die Hand gedrückt, wurde sie freundlicher und öffnete uns bereitwillig
die Pforten zum Throne der Monarchin.

Während der Missionär meinen Besuch der Königin meldete, wartete ich
in einem Zimmer des Erdgeschosses, welches nur mit einem langen Tisch
meublirt war, auf dem ein sehr wohlbeleibter Mann in etwas starkem Ne¬
glige zu schlafen schien. Kurz uach meinem Eintreten erhob er sich gähnend,
hüllte sich in einen grünen Frack, schnallte einen schweren, rostigen Degen
um, und schien sehr verwundert, als er mich erblickte. Unter dem Beendigen
seiner Toilette musterte er mich mit allerdings nicht sehr freundlichen Blicken
so durchdringend und machte ein solch diplomatisches Gesicht, daß ich nicht
länger daran zweifeln konnte, entweder einen Kämmerling, oder gar einen
Minister ihrer Majestät vor mir zu haben. Schnell verneigte ich mich gegen


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[0437] tigem Naturkindern in langgetragenen Accorden als Kirchenlieder benutzt wer¬ den, diese Weihe nicht entzauberten. . . . Zum Schluß lassen wir die Schilderung einer Audienz folgen, welche der Verfasser bei Pomare hatte: Endlich ging nur ein langersehnter Wunsch in Erfüllung. Dienstag erhielt ich durch den Gouverneur die Nachricht, daß mich Pomare zu hören verlangt, und da die Audienz noch am selben Tage stattfinden sollte, so mußte ich mich über Hals und Kopf hofmäßig in Be¬ reitschaft setzen. Um drei Uhr Nachmittags, die Sonne brannte grade am heftigsten, schritt ich in Begleitung des Missionärs, der zugleich Hauspater der Königin ist, durch die Straßen Tahitis. Ein halbnackter Indianer trug meinen Violin¬ isten hinten nach, und während der Missionär mir mein Verhalten bei der Königin vorzcichncte und meinem ängstlichen Gemüth Trost zusprach, schifften wir in einem Kahn nach der Insel Papet6e, der Residenz Ihrer barfüßen Majestät. Ein reizenderes Bild kann man sich nicht denken, als dieses hellgrüne Eiland, das gleich einem Zaubergärten auf stiller Flut schwimmend, auf einer Seite von lieblichen Häusern und Gärten, auf der andern von schäumenden Riffen eingefaßt ist. an denen die Wellen des Oceans an stürmischen Tagen oft 30 Fuß hoch hinaufspritzen. Durch einen kleinen Palmenwald, an dessen Ende mehre Hütten der Ein- gebornen zerstreut umherlagen, gelangten wir zu dem Hause der Königin, welches sehr reizend mitten in der tropischen Pflanzenwelt liegt. Das Haus gleicht einem europäischen Wohngebäude, ist mit zierlichen Fenstern, sogar mit einem Balcon versehn, und eine vergoldete Krone, die aus der Dachspitze in der Sonne glänzt, verkündet den Herrschersitz der gelben Königin. Eine Schildwache, halb in glänzender Uniform, halb nackt, mit Flinte und Säbel schwer bewaffnet, ging trotzig auf und nieder, aber nachdem wir ihr ein Geld¬ stück in die Hand gedrückt, wurde sie freundlicher und öffnete uns bereitwillig die Pforten zum Throne der Monarchin. Während der Missionär meinen Besuch der Königin meldete, wartete ich in einem Zimmer des Erdgeschosses, welches nur mit einem langen Tisch meublirt war, auf dem ein sehr wohlbeleibter Mann in etwas starkem Ne¬ glige zu schlafen schien. Kurz uach meinem Eintreten erhob er sich gähnend, hüllte sich in einen grünen Frack, schnallte einen schweren, rostigen Degen um, und schien sehr verwundert, als er mich erblickte. Unter dem Beendigen seiner Toilette musterte er mich mit allerdings nicht sehr freundlichen Blicken so durchdringend und machte ein solch diplomatisches Gesicht, daß ich nicht länger daran zweifeln konnte, entweder einen Kämmerling, oder gar einen Minister ihrer Majestät vor mir zu haben. Schnell verneigte ich mich gegen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/437>, abgerufen am 26.07.2024.