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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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Thürmchen und Fahnen geschmückt, ist das schönste Haus der Insel. Fran¬
zösischer Geschmack und Comfort haben sich auch hier so gut als möglich ein¬
gerichtet, und in der Mitte des Platzes erhebt sich ein Palmenhain, der dem
Fremden nicht allein einen sehr anmuthigen Ruhepunkt bietet, sondern ihm
auch die Gelegenheit verschafft, die tahttische Noblesse zu bewundern.

Jeden Sonntag und Donnerstag spielt Militärmusik, und nach dem Takte
derselben promenirt hier die vornehme Welt; besonders stolziren die Stutzer
in einem Putz daher, wie man .seines Gleichen in der ganzen civilisirten Welt
uicht findet. Das Haar ist wohl geordnet und gekämmt, als hätte es ein
französischer Haarkünstler frisirt, und wird von einem schief sitzenden breiten
Palmenhut bedeckt. Ein dickes weißes Tuch, welches die französische Saion-
cravatte ersetzen soll, ist aufs ungeschickteste um den Hals gewunden, und der
Oberkörper in einen schwarzen Frack gehüllt, in einen Frack, dessen Formen
so weit und unbequem sind, daß er ursprünglich gewiß für eine dreimal wohl¬
beleibtere Person geschaffen wurde. Eine weiße Weste ersetzt zugleich die Stelle
des Palmengürtels, aber die Beine!--v Jammer! -- verhülle dich, Cultur!^
sind nackt, wie sie von Gott erschaffen wurden, und noch obendrein gelb, grün
oder blau tätowirt. Ich muß gestehn, daß mich schon lange nichts so ent¬
setzt hat, als diese Vereinigung der tahitischen mit der europäischen Mode;
und besonders wenn ich die tätowirten Beine wahrnahm, überfiel mich eine
Furcht, die nur dann wieder beruhigt wurde, wenn ich den civilisirten Ober¬
körper erblickte.

In diesem originellen Anzug stolziren die barfüßen Dandys auf und
ab, hören die Musik und kokettiren mit ihren Damen trotz eines wiener Lions.
Ihr hellbrauner glänzender Teint contrastirt seltsam mit den weißen und ro¬
then Gesichtern der Engländer und Franzosen, die man bald in gestreiften
Matrosenjacken, bald als Gentlemen, oder in glänzenden Uniformen mit spöt¬
tischen Mienen und boshaftem Lächeln um diesen urwüchsigen exotischen Ge¬
stalten vorüberwandeln sieht.

Die Frauen sind wohlgestaltet, haben angenehme Züge, feine Taille, rei¬
zende Fülle und schöne Augen. Ihr feines Haar rst wohlgeordnet, gesalbt
und aus dem Scheitel in seltsame Zöpfe geflochten. Mit der Mode nehmen
sie es weniger genau. Sie kleiden sich oft sehr wenig, oft in die prächtigsten
Seidenstoffe. Das Kleid reicht nicht weit über die Knie, aus dem Kopf
tragen sie gewundene Madwastücher oder einen Strohhut, und die Vor¬
nehmen schmücken Arme, Ohren und Beine mit Perlen. Korallen, Goldspangen.
gehen aber immer barfuß. Ihre Sprache, halb französisch, halb tahitisch, ist
weich, glühend und nachlässig wie ihre Sitten. Tanzen und Reiten sind
ihre Hauptvergnügungen, und nur ein kleiner Theil findet an europäischen
Beschäftigungen Genuß.


Thürmchen und Fahnen geschmückt, ist das schönste Haus der Insel. Fran¬
zösischer Geschmack und Comfort haben sich auch hier so gut als möglich ein¬
gerichtet, und in der Mitte des Platzes erhebt sich ein Palmenhain, der dem
Fremden nicht allein einen sehr anmuthigen Ruhepunkt bietet, sondern ihm
auch die Gelegenheit verschafft, die tahttische Noblesse zu bewundern.

Jeden Sonntag und Donnerstag spielt Militärmusik, und nach dem Takte
derselben promenirt hier die vornehme Welt; besonders stolziren die Stutzer
in einem Putz daher, wie man .seines Gleichen in der ganzen civilisirten Welt
uicht findet. Das Haar ist wohl geordnet und gekämmt, als hätte es ein
französischer Haarkünstler frisirt, und wird von einem schief sitzenden breiten
Palmenhut bedeckt. Ein dickes weißes Tuch, welches die französische Saion-
cravatte ersetzen soll, ist aufs ungeschickteste um den Hals gewunden, und der
Oberkörper in einen schwarzen Frack gehüllt, in einen Frack, dessen Formen
so weit und unbequem sind, daß er ursprünglich gewiß für eine dreimal wohl¬
beleibtere Person geschaffen wurde. Eine weiße Weste ersetzt zugleich die Stelle
des Palmengürtels, aber die Beine!—v Jammer! — verhülle dich, Cultur!^
sind nackt, wie sie von Gott erschaffen wurden, und noch obendrein gelb, grün
oder blau tätowirt. Ich muß gestehn, daß mich schon lange nichts so ent¬
setzt hat, als diese Vereinigung der tahitischen mit der europäischen Mode;
und besonders wenn ich die tätowirten Beine wahrnahm, überfiel mich eine
Furcht, die nur dann wieder beruhigt wurde, wenn ich den civilisirten Ober¬
körper erblickte.

In diesem originellen Anzug stolziren die barfüßen Dandys auf und
ab, hören die Musik und kokettiren mit ihren Damen trotz eines wiener Lions.
Ihr hellbrauner glänzender Teint contrastirt seltsam mit den weißen und ro¬
then Gesichtern der Engländer und Franzosen, die man bald in gestreiften
Matrosenjacken, bald als Gentlemen, oder in glänzenden Uniformen mit spöt¬
tischen Mienen und boshaftem Lächeln um diesen urwüchsigen exotischen Ge¬
stalten vorüberwandeln sieht.

Die Frauen sind wohlgestaltet, haben angenehme Züge, feine Taille, rei¬
zende Fülle und schöne Augen. Ihr feines Haar rst wohlgeordnet, gesalbt
und aus dem Scheitel in seltsame Zöpfe geflochten. Mit der Mode nehmen
sie es weniger genau. Sie kleiden sich oft sehr wenig, oft in die prächtigsten
Seidenstoffe. Das Kleid reicht nicht weit über die Knie, aus dem Kopf
tragen sie gewundene Madwastücher oder einen Strohhut, und die Vor¬
nehmen schmücken Arme, Ohren und Beine mit Perlen. Korallen, Goldspangen.
gehen aber immer barfuß. Ihre Sprache, halb französisch, halb tahitisch, ist
weich, glühend und nachlässig wie ihre Sitten. Tanzen und Reiten sind
ihre Hauptvergnügungen, und nur ein kleiner Theil findet an europäischen
Beschäftigungen Genuß.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/432>, abgerufen am 05.07.2024.