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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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Es bietet sich nunmehr ein entscheidender Punkt in der Frage, bis zu
welchem Gewichte Personen und Gegenstände ans den römischen Postwagen
fortgeschafft werden konnten. Die Angaben müssen demjenigen, der mit der
gewöhnlichen Vorstellung von den sehr vervollkommneten Zuständen der alten
Welt zum Gegenstande kommt, in hohem Grade überraschend und räthselhaft
erscheinen. Durch oft eingeschärfte kaiserliche Gesetze war festgestellt, und zwar
aus Schonung gegen die Thiere, daß die Belastung der Rheden tausend Pfund,
die der zweirüdrigen Cabriolete zweihundert, die der Angaricn bei den Güter-
Zügen fünfzehnhundert, und die der Karren (carri), einer kleineren Art von
Lastwagen, sechshundert Pfund nicht übersteigen sollte, und daß dabei jedem
einzelnen Postpferde nicht mehr als dreißig Pfund aufgebürdet werden dürften.
Dies gibt in der That ein äußerst geringes Maß, wofern wir, auf die Unter¬
suchungen bewährter Sachkenner gestützt, annehmen dürfen, daß die Adra oder
das Porto der Römer ohngefähr das Drittel eines französischen Kilogramms,
oder etwas über die Hälfte eines wiener Pfundes betrug. Sollte sich nun
auch bei näherer Untersuchung herausstellen. daß die Angaben vielleicht nur
aus das Gepäck, nach Abzug der Personen. Bezug haben, oder daß man das
Gewicht ermäßigte, um die Beförderung durch schnelleren Laus der Thiere.zu
beschleunigen, so bliebe das Ergebniß auch so noch unbedeutend genug. Heut¬
zutage haben die Leiterwagen unsrer Landleute schon an sich ein Gewicht von
acht bis zehn Centnern, und zwei tüchtige Pferde können nebst demselben zu-
gleich noch eine Last von zwanzig bis dreißig Centnern ohne erhebliche Schwie¬
rigkeit in Bewegung setzen. Auf ebenem Wege laufen zwei Pferde mit zwanzig
bis fünfundzwanzig Centnern im Trabe.

Was indessen die Posten des römischen Staates von den Postanstalten
unsrer Zeit wesentlich unterschied und sie zu einer wahrhaft drückenden Last
des Volkes machte, das war ihr rein staatlicher, oder vielmehr siscalischer
Zweck. Nur Beamtete und Bedienstete des Staates hatten Zugang zu den¬
selben; nur des letzteren Güter wurden befördert; die außerhalb jener Kreise
liegenden Schichten der Gesellschaft hatten daran keinen Antheil, keine Ver¬
günstigung. Dies mochte immerhin geschehen, wenn dabei die Grenzen der
Schicklichkeit und Billigkeit nur einigermaßen innegehalten worden wären.
Aber man wälzte mit unerhörter Selbstsucht die außerordentlichen Kosten der
Anstalt auf die Schultern derjenigen, die davon gänzlich ausgeschlossen blieben.
Die Freibriefe, sonst um das Vorrecht der Kaiser und einiger höheren Beam¬
te, wurden in das Unermeßliche vermehrt und von solchen ertheilt, die dazu
'"'ehe von fern ermächtigt waren, und von andern benutzt, denen jeder recht¬
liche Anspruch darauf abging. Die zahlreichen Verordnungen, welche diesem
Mißbrauch abhelfen sollten, beweisen nur. daß das Uebel bereits unvertilg-
b ar geworden war. Der Zudrnng zu den öffentlichen Posten steigerte sich fort


Es bietet sich nunmehr ein entscheidender Punkt in der Frage, bis zu
welchem Gewichte Personen und Gegenstände ans den römischen Postwagen
fortgeschafft werden konnten. Die Angaben müssen demjenigen, der mit der
gewöhnlichen Vorstellung von den sehr vervollkommneten Zuständen der alten
Welt zum Gegenstande kommt, in hohem Grade überraschend und räthselhaft
erscheinen. Durch oft eingeschärfte kaiserliche Gesetze war festgestellt, und zwar
aus Schonung gegen die Thiere, daß die Belastung der Rheden tausend Pfund,
die der zweirüdrigen Cabriolete zweihundert, die der Angaricn bei den Güter-
Zügen fünfzehnhundert, und die der Karren (carri), einer kleineren Art von
Lastwagen, sechshundert Pfund nicht übersteigen sollte, und daß dabei jedem
einzelnen Postpferde nicht mehr als dreißig Pfund aufgebürdet werden dürften.
Dies gibt in der That ein äußerst geringes Maß, wofern wir, auf die Unter¬
suchungen bewährter Sachkenner gestützt, annehmen dürfen, daß die Adra oder
das Porto der Römer ohngefähr das Drittel eines französischen Kilogramms,
oder etwas über die Hälfte eines wiener Pfundes betrug. Sollte sich nun
auch bei näherer Untersuchung herausstellen. daß die Angaben vielleicht nur
aus das Gepäck, nach Abzug der Personen. Bezug haben, oder daß man das
Gewicht ermäßigte, um die Beförderung durch schnelleren Laus der Thiere.zu
beschleunigen, so bliebe das Ergebniß auch so noch unbedeutend genug. Heut¬
zutage haben die Leiterwagen unsrer Landleute schon an sich ein Gewicht von
acht bis zehn Centnern, und zwei tüchtige Pferde können nebst demselben zu-
gleich noch eine Last von zwanzig bis dreißig Centnern ohne erhebliche Schwie¬
rigkeit in Bewegung setzen. Auf ebenem Wege laufen zwei Pferde mit zwanzig
bis fünfundzwanzig Centnern im Trabe.

Was indessen die Posten des römischen Staates von den Postanstalten
unsrer Zeit wesentlich unterschied und sie zu einer wahrhaft drückenden Last
des Volkes machte, das war ihr rein staatlicher, oder vielmehr siscalischer
Zweck. Nur Beamtete und Bedienstete des Staates hatten Zugang zu den¬
selben; nur des letzteren Güter wurden befördert; die außerhalb jener Kreise
liegenden Schichten der Gesellschaft hatten daran keinen Antheil, keine Ver¬
günstigung. Dies mochte immerhin geschehen, wenn dabei die Grenzen der
Schicklichkeit und Billigkeit nur einigermaßen innegehalten worden wären.
Aber man wälzte mit unerhörter Selbstsucht die außerordentlichen Kosten der
Anstalt auf die Schultern derjenigen, die davon gänzlich ausgeschlossen blieben.
Die Freibriefe, sonst um das Vorrecht der Kaiser und einiger höheren Beam¬
te, wurden in das Unermeßliche vermehrt und von solchen ertheilt, die dazu
'"'ehe von fern ermächtigt waren, und von andern benutzt, denen jeder recht¬
liche Anspruch darauf abging. Die zahlreichen Verordnungen, welche diesem
Mißbrauch abhelfen sollten, beweisen nur. daß das Uebel bereits unvertilg-
b ar geworden war. Der Zudrnng zu den öffentlichen Posten steigerte sich fort


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[0043] Es bietet sich nunmehr ein entscheidender Punkt in der Frage, bis zu welchem Gewichte Personen und Gegenstände ans den römischen Postwagen fortgeschafft werden konnten. Die Angaben müssen demjenigen, der mit der gewöhnlichen Vorstellung von den sehr vervollkommneten Zuständen der alten Welt zum Gegenstande kommt, in hohem Grade überraschend und räthselhaft erscheinen. Durch oft eingeschärfte kaiserliche Gesetze war festgestellt, und zwar aus Schonung gegen die Thiere, daß die Belastung der Rheden tausend Pfund, die der zweirüdrigen Cabriolete zweihundert, die der Angaricn bei den Güter- Zügen fünfzehnhundert, und die der Karren (carri), einer kleineren Art von Lastwagen, sechshundert Pfund nicht übersteigen sollte, und daß dabei jedem einzelnen Postpferde nicht mehr als dreißig Pfund aufgebürdet werden dürften. Dies gibt in der That ein äußerst geringes Maß, wofern wir, auf die Unter¬ suchungen bewährter Sachkenner gestützt, annehmen dürfen, daß die Adra oder das Porto der Römer ohngefähr das Drittel eines französischen Kilogramms, oder etwas über die Hälfte eines wiener Pfundes betrug. Sollte sich nun auch bei näherer Untersuchung herausstellen. daß die Angaben vielleicht nur aus das Gepäck, nach Abzug der Personen. Bezug haben, oder daß man das Gewicht ermäßigte, um die Beförderung durch schnelleren Laus der Thiere.zu beschleunigen, so bliebe das Ergebniß auch so noch unbedeutend genug. Heut¬ zutage haben die Leiterwagen unsrer Landleute schon an sich ein Gewicht von acht bis zehn Centnern, und zwei tüchtige Pferde können nebst demselben zu- gleich noch eine Last von zwanzig bis dreißig Centnern ohne erhebliche Schwie¬ rigkeit in Bewegung setzen. Auf ebenem Wege laufen zwei Pferde mit zwanzig bis fünfundzwanzig Centnern im Trabe. Was indessen die Posten des römischen Staates von den Postanstalten unsrer Zeit wesentlich unterschied und sie zu einer wahrhaft drückenden Last des Volkes machte, das war ihr rein staatlicher, oder vielmehr siscalischer Zweck. Nur Beamtete und Bedienstete des Staates hatten Zugang zu den¬ selben; nur des letzteren Güter wurden befördert; die außerhalb jener Kreise liegenden Schichten der Gesellschaft hatten daran keinen Antheil, keine Ver¬ günstigung. Dies mochte immerhin geschehen, wenn dabei die Grenzen der Schicklichkeit und Billigkeit nur einigermaßen innegehalten worden wären. Aber man wälzte mit unerhörter Selbstsucht die außerordentlichen Kosten der Anstalt auf die Schultern derjenigen, die davon gänzlich ausgeschlossen blieben. Die Freibriefe, sonst um das Vorrecht der Kaiser und einiger höheren Beam¬ te, wurden in das Unermeßliche vermehrt und von solchen ertheilt, die dazu '"'ehe von fern ermächtigt waren, und von andern benutzt, denen jeder recht¬ liche Anspruch darauf abging. Die zahlreichen Verordnungen, welche diesem Mißbrauch abhelfen sollten, beweisen nur. daß das Uebel bereits unvertilg- b ar geworden war. Der Zudrnng zu den öffentlichen Posten steigerte sich fort

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/43>, abgerufen am 26.07.2024.