Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

der Obrigkeiten (irmgistraws) die Rede ist; aber man streitet darüber, ob dar¬
unter kaiserliche Obrigkeiten zu verstehen seien, zu deren Gunsten man einen
neuen Postdienst errichtete, oder die Obrigkeiten der Städte und Bezirke, denen
man damit eine drückende Last abnehmen wollte. Dem sei nun. wie ihm
wolle -- Thatsache bleibt, daß die Leistungen der Provinzialen in drückender
Weise fortdauerten, und daß die dortige Sachlage dem milden "inne des
Antoninus Pius wenigstens in diesem Lichte erscheinen mußte, wenn er sich
veranlaßt sah, eine Verordnung zur Erleichterung derselben zu erlassen. Die
Verfügung des Septimius Severus, wodurch die Last des Fuhrdicnstes neuer¬
dings dem Fiscus überwiesen werden sollte, änderte darin nur wenig; denn
sie war in der That nichts weiter, als ein vorübergehendes Zugeständniß an
die Volksgunst, und das Schwergewicht des unförmlichen Räderwerkes drückte
von selbst wieder zur Tiefe nieder. Auch sehen wir die Rechtsgelehrten jener
Zeit fortwährend an Formeln meißeln, um die Verpflichtung der Privaten zu
den Lasten des Postdicnstcs als einen vernunftgemäßen Rechtssatz hinzustellen.
Die meisten der uns übriggebliebenen Gesetze über das Postwesen häufen
sich gegen das Ende des dritten Jahrhunderts, und ziehen sich durch die Re¬
gierung der konstantinischen und theodosischen Kaiser bis in die Mitte des
fünften Jahrhunderts ununterbrochen fort. Es ist dies grade die Zeit, in
welcher das Postwesen des römischen Reiches zu seiner höchsten Ausbildung
gelangte, aber zugleich zu einem krebsartigen Uebel emporwuchs, das, mit
andern Uebeln aus derselben Quelle stammend, zum Untergange des Reiches,
wofern wir darunter seine äußerliche Maschinerie verstehen, wesentlich beige¬
tragen-hat. Von jetzt an gestattet auch die Reichhaltigkeit des Stoffes, die
Einrichtungen in das Einzelne zu verfolgen.

Alle große Heerstraßen waren durch Rasten bezeichnet, welche in den volk¬
reicheren und belebteren Gegenden fünf römische Meilen, in den entfernteren
und menschenleeren auch wol acht bis neun Meilen, in dem ersten Falle also
, Zwei und eine halbe, in dem anderen vier und eine halbe dclttsche Stunde
auseinanderlagen. Die größeren und geräumigeren unter denselben unter¬
schieden sich als sogenannte Mansionen oder kaiserliche Rastorte von den klei¬
neren, den sogenannten Mutationen. d,in anfänglich nur zum Wechsel der Zug¬
thiere dienten, aber nach und nach den Mansionen immer ähnlicher wurden.
Da die letzteren ebenso wol zur Beherbergung der Reisenden, als zum An¬
spannen der Pferde. Maulesel und Ochsen dienten, so waren sie mit Gast¬
zimmern. Stallungen und Schuppen in ausgedehntester Weise versehen. Manche
derselben erhielten grade gegen das Ende des Reiches eine glänzende Aus¬
rüstung und wurden sogar mit Palästen ausgeschmückt. Mansionen und Mu¬
tationen lagen oft in Städten und Dorfschaften. und wenn sie auch vereinzelt
waren, doch möglichst in der Nähe derselben. Zu diesen Rasten mußten aus


Grenzboten IV. 13SS. 5

der Obrigkeiten (irmgistraws) die Rede ist; aber man streitet darüber, ob dar¬
unter kaiserliche Obrigkeiten zu verstehen seien, zu deren Gunsten man einen
neuen Postdienst errichtete, oder die Obrigkeiten der Städte und Bezirke, denen
man damit eine drückende Last abnehmen wollte. Dem sei nun. wie ihm
wolle — Thatsache bleibt, daß die Leistungen der Provinzialen in drückender
Weise fortdauerten, und daß die dortige Sachlage dem milden «inne des
Antoninus Pius wenigstens in diesem Lichte erscheinen mußte, wenn er sich
veranlaßt sah, eine Verordnung zur Erleichterung derselben zu erlassen. Die
Verfügung des Septimius Severus, wodurch die Last des Fuhrdicnstes neuer¬
dings dem Fiscus überwiesen werden sollte, änderte darin nur wenig; denn
sie war in der That nichts weiter, als ein vorübergehendes Zugeständniß an
die Volksgunst, und das Schwergewicht des unförmlichen Räderwerkes drückte
von selbst wieder zur Tiefe nieder. Auch sehen wir die Rechtsgelehrten jener
Zeit fortwährend an Formeln meißeln, um die Verpflichtung der Privaten zu
den Lasten des Postdicnstcs als einen vernunftgemäßen Rechtssatz hinzustellen.
Die meisten der uns übriggebliebenen Gesetze über das Postwesen häufen
sich gegen das Ende des dritten Jahrhunderts, und ziehen sich durch die Re¬
gierung der konstantinischen und theodosischen Kaiser bis in die Mitte des
fünften Jahrhunderts ununterbrochen fort. Es ist dies grade die Zeit, in
welcher das Postwesen des römischen Reiches zu seiner höchsten Ausbildung
gelangte, aber zugleich zu einem krebsartigen Uebel emporwuchs, das, mit
andern Uebeln aus derselben Quelle stammend, zum Untergange des Reiches,
wofern wir darunter seine äußerliche Maschinerie verstehen, wesentlich beige¬
tragen-hat. Von jetzt an gestattet auch die Reichhaltigkeit des Stoffes, die
Einrichtungen in das Einzelne zu verfolgen.

Alle große Heerstraßen waren durch Rasten bezeichnet, welche in den volk¬
reicheren und belebteren Gegenden fünf römische Meilen, in den entfernteren
und menschenleeren auch wol acht bis neun Meilen, in dem ersten Falle also
, Zwei und eine halbe, in dem anderen vier und eine halbe dclttsche Stunde
auseinanderlagen. Die größeren und geräumigeren unter denselben unter¬
schieden sich als sogenannte Mansionen oder kaiserliche Rastorte von den klei¬
neren, den sogenannten Mutationen. d,in anfänglich nur zum Wechsel der Zug¬
thiere dienten, aber nach und nach den Mansionen immer ähnlicher wurden.
Da die letzteren ebenso wol zur Beherbergung der Reisenden, als zum An¬
spannen der Pferde. Maulesel und Ochsen dienten, so waren sie mit Gast¬
zimmern. Stallungen und Schuppen in ausgedehntester Weise versehen. Manche
derselben erhielten grade gegen das Ende des Reiches eine glänzende Aus¬
rüstung und wurden sogar mit Palästen ausgeschmückt. Mansionen und Mu¬
tationen lagen oft in Städten und Dorfschaften. und wenn sie auch vereinzelt
waren, doch möglichst in der Nähe derselben. Zu diesen Rasten mußten aus


Grenzboten IV. 13SS. 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0041" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/265850"/>
          <p xml:id="ID_66" prev="#ID_65"> der Obrigkeiten (irmgistraws) die Rede ist; aber man streitet darüber, ob dar¬<lb/>
unter kaiserliche Obrigkeiten zu verstehen seien, zu deren Gunsten man einen<lb/>
neuen Postdienst errichtete, oder die Obrigkeiten der Städte und Bezirke, denen<lb/>
man damit eine drückende Last abnehmen wollte.  Dem sei nun. wie ihm<lb/>
wolle &#x2014; Thatsache bleibt, daß die Leistungen der Provinzialen in drückender<lb/>
Weise fortdauerten, und daß die dortige Sachlage dem milden «inne des<lb/>
Antoninus Pius wenigstens in diesem Lichte erscheinen mußte, wenn er sich<lb/>
veranlaßt sah, eine Verordnung zur Erleichterung derselben zu erlassen. Die<lb/>
Verfügung des Septimius Severus, wodurch die Last des Fuhrdicnstes neuer¬<lb/>
dings dem Fiscus überwiesen werden sollte, änderte darin nur wenig; denn<lb/>
sie war in der That nichts weiter, als ein vorübergehendes Zugeständniß an<lb/>
die Volksgunst, und das Schwergewicht des unförmlichen Räderwerkes drückte<lb/>
von selbst wieder zur Tiefe nieder.  Auch sehen wir die Rechtsgelehrten jener<lb/>
Zeit fortwährend an Formeln meißeln, um die Verpflichtung der Privaten zu<lb/>
den Lasten des Postdicnstcs als einen vernunftgemäßen Rechtssatz hinzustellen.<lb/>
Die meisten der uns übriggebliebenen Gesetze über das Postwesen häufen<lb/>
sich gegen das Ende des dritten Jahrhunderts, und ziehen sich durch die Re¬<lb/>
gierung der konstantinischen und theodosischen Kaiser bis in die Mitte des<lb/>
fünften Jahrhunderts ununterbrochen fort.  Es ist dies grade die Zeit, in<lb/>
welcher das Postwesen des römischen Reiches zu seiner höchsten Ausbildung<lb/>
gelangte, aber zugleich zu einem krebsartigen Uebel emporwuchs, das, mit<lb/>
andern Uebeln aus derselben Quelle stammend, zum Untergange des Reiches,<lb/>
wofern wir darunter seine äußerliche Maschinerie verstehen, wesentlich beige¬<lb/>
tragen-hat.  Von jetzt an gestattet auch die Reichhaltigkeit des Stoffes, die<lb/>
Einrichtungen in das Einzelne zu verfolgen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_67" next="#ID_68"> Alle große Heerstraßen waren durch Rasten bezeichnet, welche in den volk¬<lb/>
reicheren und belebteren Gegenden fünf römische Meilen, in den entfernteren<lb/>
und menschenleeren auch wol acht bis neun Meilen, in dem ersten Falle also<lb/>
, Zwei und eine halbe, in dem anderen vier und eine halbe dclttsche Stunde<lb/>
auseinanderlagen. Die größeren und geräumigeren unter denselben unter¬<lb/>
schieden sich als sogenannte Mansionen oder kaiserliche Rastorte von den klei¬<lb/>
neren, den sogenannten Mutationen. d,in anfänglich nur zum Wechsel der Zug¬<lb/>
thiere dienten, aber nach und nach den Mansionen immer ähnlicher wurden.<lb/>
Da die letzteren ebenso wol zur Beherbergung der Reisenden, als zum An¬<lb/>
spannen der Pferde. Maulesel und Ochsen dienten, so waren sie mit Gast¬<lb/>
zimmern. Stallungen und Schuppen in ausgedehntester Weise versehen. Manche<lb/>
derselben erhielten grade gegen das Ende des Reiches eine glänzende Aus¬<lb/>
rüstung und wurden sogar mit Palästen ausgeschmückt. Mansionen und Mu¬<lb/>
tationen lagen oft in Städten und Dorfschaften. und wenn sie auch vereinzelt<lb/>
waren, doch möglichst in der Nähe derselben. Zu diesen Rasten mußten aus</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV. 13SS. 5</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0041] der Obrigkeiten (irmgistraws) die Rede ist; aber man streitet darüber, ob dar¬ unter kaiserliche Obrigkeiten zu verstehen seien, zu deren Gunsten man einen neuen Postdienst errichtete, oder die Obrigkeiten der Städte und Bezirke, denen man damit eine drückende Last abnehmen wollte. Dem sei nun. wie ihm wolle — Thatsache bleibt, daß die Leistungen der Provinzialen in drückender Weise fortdauerten, und daß die dortige Sachlage dem milden «inne des Antoninus Pius wenigstens in diesem Lichte erscheinen mußte, wenn er sich veranlaßt sah, eine Verordnung zur Erleichterung derselben zu erlassen. Die Verfügung des Septimius Severus, wodurch die Last des Fuhrdicnstes neuer¬ dings dem Fiscus überwiesen werden sollte, änderte darin nur wenig; denn sie war in der That nichts weiter, als ein vorübergehendes Zugeständniß an die Volksgunst, und das Schwergewicht des unförmlichen Räderwerkes drückte von selbst wieder zur Tiefe nieder. Auch sehen wir die Rechtsgelehrten jener Zeit fortwährend an Formeln meißeln, um die Verpflichtung der Privaten zu den Lasten des Postdicnstcs als einen vernunftgemäßen Rechtssatz hinzustellen. Die meisten der uns übriggebliebenen Gesetze über das Postwesen häufen sich gegen das Ende des dritten Jahrhunderts, und ziehen sich durch die Re¬ gierung der konstantinischen und theodosischen Kaiser bis in die Mitte des fünften Jahrhunderts ununterbrochen fort. Es ist dies grade die Zeit, in welcher das Postwesen des römischen Reiches zu seiner höchsten Ausbildung gelangte, aber zugleich zu einem krebsartigen Uebel emporwuchs, das, mit andern Uebeln aus derselben Quelle stammend, zum Untergange des Reiches, wofern wir darunter seine äußerliche Maschinerie verstehen, wesentlich beige¬ tragen-hat. Von jetzt an gestattet auch die Reichhaltigkeit des Stoffes, die Einrichtungen in das Einzelne zu verfolgen. Alle große Heerstraßen waren durch Rasten bezeichnet, welche in den volk¬ reicheren und belebteren Gegenden fünf römische Meilen, in den entfernteren und menschenleeren auch wol acht bis neun Meilen, in dem ersten Falle also , Zwei und eine halbe, in dem anderen vier und eine halbe dclttsche Stunde auseinanderlagen. Die größeren und geräumigeren unter denselben unter¬ schieden sich als sogenannte Mansionen oder kaiserliche Rastorte von den klei¬ neren, den sogenannten Mutationen. d,in anfänglich nur zum Wechsel der Zug¬ thiere dienten, aber nach und nach den Mansionen immer ähnlicher wurden. Da die letzteren ebenso wol zur Beherbergung der Reisenden, als zum An¬ spannen der Pferde. Maulesel und Ochsen dienten, so waren sie mit Gast¬ zimmern. Stallungen und Schuppen in ausgedehntester Weise versehen. Manche derselben erhielten grade gegen das Ende des Reiches eine glänzende Aus¬ rüstung und wurden sogar mit Palästen ausgeschmückt. Mansionen und Mu¬ tationen lagen oft in Städten und Dorfschaften. und wenn sie auch vereinzelt waren, doch möglichst in der Nähe derselben. Zu diesen Rasten mußten aus Grenzboten IV. 13SS. 5

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/41
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/41>, abgerufen am 05.07.2024.