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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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schcifllichcn Gehalts werden (abgesehn von den öffentlichen Bibliotheken) in
den Kreisen getauft, welche den Universitäten angehören oder nahe stehen.
Hauptsächlich sind es die Universitätslehrer selbst, sodann solche, die eine
Universitätsbildung genossen haben und durch ihren Beruf darauf angewiesen
sind, ihre Studien fortzusetzen, besonders Lehrer, Geistliche und Aerzte. Leider
vermindert sich nun in neuerer Zeit diese Classe von Käufern immer, mehr,
da die schmalen Besoldungen nicht mehr zureichen, um neben den gesteigerten
Ausgaben für die täglichen Lebensbedürfnisse einen Bücheretat zu erübrigen.
Dieses unnatürliche Verhältniß ist um so mehr zu bedauern, als mit der
größeren Einnahme in den höheren Kreisen der Gesellschaft keineswegs der
Aufwand für Bücher verhältnißmäßig steigt, indem der Luxus in andern
Dingen das Bücherbudget auf eine miglaublich kleine Summe herabdrückt.
Während in England und theilweise auch in Frankreich auf den Familiensitzen
des Adels eine Bibliothek zur Ausstattung des Hauses gehört, und es auch bei
deutschen Familien der adeligen und bürgerlichen Aristokratie früher Sitte war,
eine Büchersammlung zu halten, ist es jetzt eine große Seltenheit geworden,
daß in einem Hause alljährlich eine bestimmte Summe für Bücher verwendet
wird. Zu dem allgemeinen Gebrauch der Familie wird etwa außer den Schul-
und Kinderbüchern noch eine Ausgabe von Schiller und Goethe, ein Conver-
sationslexikon, eine Zeitschrift zur Unterhaltung und Belehrung und, wenn es
hoch kommt, eine Weltgeschichte angeschafft. In dieser Beschränkung geht die
Literatur wol auch in die Kreise des städtischen Handwerkerstandes herab.
An die Stelle der Familienbibliothek tritt die Theilnahme an einer Lesegesell¬
schaft, das Abonnement bei einer Leihbibliothek, und diese Institute sind es,
auf welche der Verleger von Werken für die Unterhaltung vorzugsweise zu
rechnen hat. Der größere Theil des Etats der Lesegesellschaften wird in der
Regel sür Zeitschriften verwendet, für Bücher bleibt nur ein kleiner Theil
übrig. In den Leihbibliotheken bilden die Romane, welche ein unterhaltendes
Lesefutter darbieten, den Grundstock, an den sich populäre naturwissenschaftliche
Schriften, Reisebeschreibungen und Memoiren anschließen.

Am meisten Erfolg haben seit einigen Jahren die Zeitschriften, welche
allerlei zur Unterhaltung und Belehrung darbieten und durch eingedruckte
Holzschnitte der Anschauung zu Hilfe kommen. Das verbreitetste Journal
dieser Art ist die "Gartenlaube", deren Abonnenten bis über 60,000 gestiegen
sind. Große Mannigfaltigkeit und geschickte Auswahl zeitgemäßer Stoffe in
populärer Zubereitung zeichnen das Blatt aus, dabei ist der Preis von 2 Thlr.
für 80--gg Bogen unterhaltender Lectüre unglaublich niedrig und anlockend.
Die ungeheure Zahl von Abnehmern setzt andererseits den Verleger in den
Stand, durch Anbietung reichlicher Honorare gute Schriftsteller zu gewinnen.
Die Gartenlaube ist in ganz Deutschland verbreitet, am wenigsten im süd-


schcifllichcn Gehalts werden (abgesehn von den öffentlichen Bibliotheken) in
den Kreisen getauft, welche den Universitäten angehören oder nahe stehen.
Hauptsächlich sind es die Universitätslehrer selbst, sodann solche, die eine
Universitätsbildung genossen haben und durch ihren Beruf darauf angewiesen
sind, ihre Studien fortzusetzen, besonders Lehrer, Geistliche und Aerzte. Leider
vermindert sich nun in neuerer Zeit diese Classe von Käufern immer, mehr,
da die schmalen Besoldungen nicht mehr zureichen, um neben den gesteigerten
Ausgaben für die täglichen Lebensbedürfnisse einen Bücheretat zu erübrigen.
Dieses unnatürliche Verhältniß ist um so mehr zu bedauern, als mit der
größeren Einnahme in den höheren Kreisen der Gesellschaft keineswegs der
Aufwand für Bücher verhältnißmäßig steigt, indem der Luxus in andern
Dingen das Bücherbudget auf eine miglaublich kleine Summe herabdrückt.
Während in England und theilweise auch in Frankreich auf den Familiensitzen
des Adels eine Bibliothek zur Ausstattung des Hauses gehört, und es auch bei
deutschen Familien der adeligen und bürgerlichen Aristokratie früher Sitte war,
eine Büchersammlung zu halten, ist es jetzt eine große Seltenheit geworden,
daß in einem Hause alljährlich eine bestimmte Summe für Bücher verwendet
wird. Zu dem allgemeinen Gebrauch der Familie wird etwa außer den Schul-
und Kinderbüchern noch eine Ausgabe von Schiller und Goethe, ein Conver-
sationslexikon, eine Zeitschrift zur Unterhaltung und Belehrung und, wenn es
hoch kommt, eine Weltgeschichte angeschafft. In dieser Beschränkung geht die
Literatur wol auch in die Kreise des städtischen Handwerkerstandes herab.
An die Stelle der Familienbibliothek tritt die Theilnahme an einer Lesegesell¬
schaft, das Abonnement bei einer Leihbibliothek, und diese Institute sind es,
auf welche der Verleger von Werken für die Unterhaltung vorzugsweise zu
rechnen hat. Der größere Theil des Etats der Lesegesellschaften wird in der
Regel sür Zeitschriften verwendet, für Bücher bleibt nur ein kleiner Theil
übrig. In den Leihbibliotheken bilden die Romane, welche ein unterhaltendes
Lesefutter darbieten, den Grundstock, an den sich populäre naturwissenschaftliche
Schriften, Reisebeschreibungen und Memoiren anschließen.

Am meisten Erfolg haben seit einigen Jahren die Zeitschriften, welche
allerlei zur Unterhaltung und Belehrung darbieten und durch eingedruckte
Holzschnitte der Anschauung zu Hilfe kommen. Das verbreitetste Journal
dieser Art ist die „Gartenlaube", deren Abonnenten bis über 60,000 gestiegen
sind. Große Mannigfaltigkeit und geschickte Auswahl zeitgemäßer Stoffe in
populärer Zubereitung zeichnen das Blatt aus, dabei ist der Preis von 2 Thlr.
für 80—gg Bogen unterhaltender Lectüre unglaublich niedrig und anlockend.
Die ungeheure Zahl von Abnehmern setzt andererseits den Verleger in den
Stand, durch Anbietung reichlicher Honorare gute Schriftsteller zu gewinnen.
Die Gartenlaube ist in ganz Deutschland verbreitet, am wenigsten im süd-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/399>, abgerufen am 04.11.2024.