Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Kraft." "Das geistliche Amt also empfange das Kirch e nregi neue
der evangelischen Kirche; zumal im hessischen Lande, wo es noch unver-
kümmert dasteht wie vor dreihundert, ja wie vor tausend Jahren." "Ist
Nun der lebendige Herr Christus lebendig und gegenwärtig in euch und mit
euch, die ihr Sein Amt durch Handauflegen auf eure Häupter em¬
pfangen habt?" "Die Zeit der Lehre ist abgelaufen; es beginnt die Zeit der
That und des Amts."

Wir denken, das. ist deutlich. Vielleicht der wichtigste Gegensatz der. Re¬
formation gegen den alten Katholicismus ist die Aufhebung der Scheidewand
zwischen Priestern und Laien; die Aufhebung des sacrcnnentalen Charakters
der erstem: diese Scheidewand soll wieder aufgerichtet werden, wir sind im
vollsten Katholicismus.

Es bleibt noch übrig, zu untersuchen, welcher Jnstinct einen Gebildeten
in diese Richtung hineintreiben kann. Einen sehr bedeutenden Fingerzeig fin¬
den wir 1. B. S. 94. "Niemand bilde sich ein, daß er ein Volk blos dadurch
lenken und regieren könne, daß er es belehrt, ihm vernünftig zuredet und es
überzeugt; auf die Dauer wird die Menschheit nur von demjenigen regiert,
der ihren Willen zu bewegen und zu binden versteht. Und das geschieht nur
auf zweierlei Wegen: durch die Leidenschaft, weiche aus der finstern Tiefe
des Herzens aufsteigt auf der einen, und durch Gottes Wort auf der andern
Seite. Zwischen diesen zwei Dingen hat der, welcher die Menschen lenken
will, zu wählen."

Das ist die Lösung des Räthsels: wer die Menschen lenken will und eigne
Leidenschaft nicht besitzt, wendet sich an den Fanatismus; er thut dieselben
Dienste und ist sicherer; denn es ist ein äußerer Halt für einen in sich selbst
nicht sichern Charakter.




Der General von Grumbkolo.
Ein Charakterbild aus der Staatengeschichte des vorigen
Jahrhunderts.

Nicht leicht wird man in dem ganzen Gebiet der Weltgeschichte einen
Zeitraum finden, der ärmer an Aufschwung wäre, als die erste Hälfte des
vorigen Jahrhunderts. Nichts von den weltbewegenden Kämpfen der Refor-
mationszeit klingt hier nach, nichts deutet auf die geistige Sturmflut der


Kraft." „Das geistliche Amt also empfange das Kirch e nregi neue
der evangelischen Kirche; zumal im hessischen Lande, wo es noch unver-
kümmert dasteht wie vor dreihundert, ja wie vor tausend Jahren." „Ist
Nun der lebendige Herr Christus lebendig und gegenwärtig in euch und mit
euch, die ihr Sein Amt durch Handauflegen auf eure Häupter em¬
pfangen habt?" „Die Zeit der Lehre ist abgelaufen; es beginnt die Zeit der
That und des Amts."

Wir denken, das. ist deutlich. Vielleicht der wichtigste Gegensatz der. Re¬
formation gegen den alten Katholicismus ist die Aufhebung der Scheidewand
zwischen Priestern und Laien; die Aufhebung des sacrcnnentalen Charakters
der erstem: diese Scheidewand soll wieder aufgerichtet werden, wir sind im
vollsten Katholicismus.

Es bleibt noch übrig, zu untersuchen, welcher Jnstinct einen Gebildeten
in diese Richtung hineintreiben kann. Einen sehr bedeutenden Fingerzeig fin¬
den wir 1. B. S. 94. „Niemand bilde sich ein, daß er ein Volk blos dadurch
lenken und regieren könne, daß er es belehrt, ihm vernünftig zuredet und es
überzeugt; auf die Dauer wird die Menschheit nur von demjenigen regiert,
der ihren Willen zu bewegen und zu binden versteht. Und das geschieht nur
auf zweierlei Wegen: durch die Leidenschaft, weiche aus der finstern Tiefe
des Herzens aufsteigt auf der einen, und durch Gottes Wort auf der andern
Seite. Zwischen diesen zwei Dingen hat der, welcher die Menschen lenken
will, zu wählen."

Das ist die Lösung des Räthsels: wer die Menschen lenken will und eigne
Leidenschaft nicht besitzt, wendet sich an den Fanatismus; er thut dieselben
Dienste und ist sicherer; denn es ist ein äußerer Halt für einen in sich selbst
nicht sichern Charakter.




Der General von Grumbkolo.
Ein Charakterbild aus der Staatengeschichte des vorigen
Jahrhunderts.

Nicht leicht wird man in dem ganzen Gebiet der Weltgeschichte einen
Zeitraum finden, der ärmer an Aufschwung wäre, als die erste Hälfte des
vorigen Jahrhunderts. Nichts von den weltbewegenden Kämpfen der Refor-
mationszeit klingt hier nach, nichts deutet auf die geistige Sturmflut der


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0376" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/266185"/>
          <p xml:id="ID_1007" prev="#ID_1006"> Kraft." &#x201E;Das geistliche Amt also empfange das Kirch e nregi neue<lb/>
der evangelischen Kirche; zumal im hessischen Lande, wo es noch unver-<lb/>
kümmert dasteht wie vor dreihundert, ja wie vor tausend Jahren." &#x201E;Ist<lb/>
Nun der lebendige Herr Christus lebendig und gegenwärtig in euch und mit<lb/>
euch, die ihr Sein Amt durch Handauflegen auf eure Häupter em¬<lb/>
pfangen habt?" &#x201E;Die Zeit der Lehre ist abgelaufen; es beginnt die Zeit der<lb/>
That und des Amts."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1008"> Wir denken, das. ist deutlich. Vielleicht der wichtigste Gegensatz der. Re¬<lb/>
formation gegen den alten Katholicismus ist die Aufhebung der Scheidewand<lb/>
zwischen Priestern und Laien; die Aufhebung des sacrcnnentalen Charakters<lb/>
der erstem: diese Scheidewand soll wieder aufgerichtet werden, wir sind im<lb/>
vollsten Katholicismus.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1009"> Es bleibt noch übrig, zu untersuchen, welcher Jnstinct einen Gebildeten<lb/>
in diese Richtung hineintreiben kann. Einen sehr bedeutenden Fingerzeig fin¬<lb/>
den wir 1. B. S. 94. &#x201E;Niemand bilde sich ein, daß er ein Volk blos dadurch<lb/>
lenken und regieren könne, daß er es belehrt, ihm vernünftig zuredet und es<lb/>
überzeugt; auf die Dauer wird die Menschheit nur von demjenigen regiert,<lb/>
der ihren Willen zu bewegen und zu binden versteht. Und das geschieht nur<lb/>
auf zweierlei Wegen: durch die Leidenschaft, weiche aus der finstern Tiefe<lb/>
des Herzens aufsteigt auf der einen, und durch Gottes Wort auf der andern<lb/>
Seite. Zwischen diesen zwei Dingen hat der, welcher die Menschen lenken<lb/>
will, zu wählen."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1010"> Das ist die Lösung des Räthsels: wer die Menschen lenken will und eigne<lb/>
Leidenschaft nicht besitzt, wendet sich an den Fanatismus; er thut dieselben<lb/>
Dienste und ist sicherer; denn es ist ein äußerer Halt für einen in sich selbst<lb/>
nicht sichern Charakter.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Der General von Grumbkolo.<lb/>
Ein Charakterbild aus der Staatengeschichte des vorigen<lb/>
Jahrhunderts.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1011" next="#ID_1012"> Nicht leicht wird man in dem ganzen Gebiet der Weltgeschichte einen<lb/>
Zeitraum finden, der ärmer an Aufschwung wäre, als die erste Hälfte des<lb/>
vorigen Jahrhunderts. Nichts von den weltbewegenden Kämpfen der Refor-<lb/>
mationszeit klingt hier nach, nichts deutet auf die geistige Sturmflut der</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0376] Kraft." „Das geistliche Amt also empfange das Kirch e nregi neue der evangelischen Kirche; zumal im hessischen Lande, wo es noch unver- kümmert dasteht wie vor dreihundert, ja wie vor tausend Jahren." „Ist Nun der lebendige Herr Christus lebendig und gegenwärtig in euch und mit euch, die ihr Sein Amt durch Handauflegen auf eure Häupter em¬ pfangen habt?" „Die Zeit der Lehre ist abgelaufen; es beginnt die Zeit der That und des Amts." Wir denken, das. ist deutlich. Vielleicht der wichtigste Gegensatz der. Re¬ formation gegen den alten Katholicismus ist die Aufhebung der Scheidewand zwischen Priestern und Laien; die Aufhebung des sacrcnnentalen Charakters der erstem: diese Scheidewand soll wieder aufgerichtet werden, wir sind im vollsten Katholicismus. Es bleibt noch übrig, zu untersuchen, welcher Jnstinct einen Gebildeten in diese Richtung hineintreiben kann. Einen sehr bedeutenden Fingerzeig fin¬ den wir 1. B. S. 94. „Niemand bilde sich ein, daß er ein Volk blos dadurch lenken und regieren könne, daß er es belehrt, ihm vernünftig zuredet und es überzeugt; auf die Dauer wird die Menschheit nur von demjenigen regiert, der ihren Willen zu bewegen und zu binden versteht. Und das geschieht nur auf zweierlei Wegen: durch die Leidenschaft, weiche aus der finstern Tiefe des Herzens aufsteigt auf der einen, und durch Gottes Wort auf der andern Seite. Zwischen diesen zwei Dingen hat der, welcher die Menschen lenken will, zu wählen." Das ist die Lösung des Räthsels: wer die Menschen lenken will und eigne Leidenschaft nicht besitzt, wendet sich an den Fanatismus; er thut dieselben Dienste und ist sicherer; denn es ist ein äußerer Halt für einen in sich selbst nicht sichern Charakter. Der General von Grumbkolo. Ein Charakterbild aus der Staatengeschichte des vorigen Jahrhunderts. Nicht leicht wird man in dem ganzen Gebiet der Weltgeschichte einen Zeitraum finden, der ärmer an Aufschwung wäre, als die erste Hälfte des vorigen Jahrhunderts. Nichts von den weltbewegenden Kämpfen der Refor- mationszeit klingt hier nach, nichts deutet auf die geistige Sturmflut der

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/376
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/376>, abgerufen am 22.07.2024.