Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.wiederum, nicht sowol die gegenwärtige Regierung, als das auf sie vererbte Wir sassen nochmals die Hauptmomente kurz zusammen, durch welche sich wiederum, nicht sowol die gegenwärtige Regierung, als das auf sie vererbte Wir sassen nochmals die Hauptmomente kurz zusammen, durch welche sich <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0352" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/266161"/> <p xml:id="ID_928" prev="#ID_927"> wiederum, nicht sowol die gegenwärtige Regierung, als das auf sie vererbte<lb/> System anzuklagen. Seit 160 Jahren besteht ein Gesetz, welches den Allein¬<lb/> handel mit Getreide der päpstlichen Kammer zuspricht. Jeder Einwohner ist<lb/> diesem Gesetz zufolge gezwungen, das Korn, welches er erzeugt, an die päpst¬<lb/> liche Kammer gegen einen von ihr willkürlich bestimmten Preis abzuliefern,<lb/> und die Kaminer versorgt die Bäcker, von denen das Publicum das Brot<lb/> kaufen muß. Dieselbe Bewandtnis) hat es auch mit dem Oel. wobei überdies<lb/> noch, wie mir von glaubwürdigen Personen gesagt wurde, Vermischungen des<lb/> guten Oels mit schlechtem gewöhnlich sein sollen" (IV. 63 ff.). Ebenso ver¬<lb/> nünftig spricht die Verfasserin über den Volkscharakter und die religiösen Uebel¬<lb/> stände; auch hier treffen ihre Bemerkungen fast durchweg noch buchstäblich zu.<lb/> Sie war ebenso weit von dem Indifferentismus Seumes als von dem Krypto-<lb/> katholicismus Stolbergs entfernt; sie wurde dem Papst vorgestellt und nahm<lb/> warmen Antheil an seiner edlen Persönlichkeit und an seinen Schicksalen.</p><lb/> <p xml:id="ID_929"> Wir sassen nochmals die Hauptmomente kurz zusammen, durch welche sich<lb/> die italienischen Reisebeschreibungen dieser Periode von denen der frühern<lb/> unterscheiden. Zunächst ist es die Theilnahme für das Volk, das Mitgefühl mit<lb/> seinen Leiden, die Indignation über die Mißregicrung und den Verfall des<lb/> Landes, die hier nach der Individualität der Versasser sich verschieden aus¬<lb/> spricht. Während die meisten sich dem Katholicismus gegenüber negirend<lb/> verhalten oder seine Ausartungen verhöhnen, erscheint in Stolberg bereits<lb/> ein Vorläufer der Richtung, die bald der alleinseligmachenden Kirche so<lb/> zahlreiche Gläubige zuführen sollte. Auf der andern Seite fängt der un¬<lb/> bedingte Idealismus die etwas unterschiedslose Verehrung der Antike und der<lb/> (man erlaube uns den Ausdruck) doctrinäre Enthusiasmus für Kunstschönheit<lb/> an weniger allgemein zu werden. Auch in der Kunstbetrachtung macht sich<lb/> das gegenständliche Interesse neben dein formalen geltend, das ungeschulte<lb/> Gefühl des Laien wird für untrüglicher erklärt als die in traditionellen Vor¬<lb/> urteilen befangene Anschauung des Kenners. Auch die bornirte philisterhafte<lb/> Gemeinheit hat bereits in Kotzebue einen würdigen Repräsentanten gefunden,<lb/> und dies Geschlecht von Reisenden ist später am zahlreichsten geworden.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0352]
wiederum, nicht sowol die gegenwärtige Regierung, als das auf sie vererbte
System anzuklagen. Seit 160 Jahren besteht ein Gesetz, welches den Allein¬
handel mit Getreide der päpstlichen Kammer zuspricht. Jeder Einwohner ist
diesem Gesetz zufolge gezwungen, das Korn, welches er erzeugt, an die päpst¬
liche Kammer gegen einen von ihr willkürlich bestimmten Preis abzuliefern,
und die Kaminer versorgt die Bäcker, von denen das Publicum das Brot
kaufen muß. Dieselbe Bewandtnis) hat es auch mit dem Oel. wobei überdies
noch, wie mir von glaubwürdigen Personen gesagt wurde, Vermischungen des
guten Oels mit schlechtem gewöhnlich sein sollen" (IV. 63 ff.). Ebenso ver¬
nünftig spricht die Verfasserin über den Volkscharakter und die religiösen Uebel¬
stände; auch hier treffen ihre Bemerkungen fast durchweg noch buchstäblich zu.
Sie war ebenso weit von dem Indifferentismus Seumes als von dem Krypto-
katholicismus Stolbergs entfernt; sie wurde dem Papst vorgestellt und nahm
warmen Antheil an seiner edlen Persönlichkeit und an seinen Schicksalen.
Wir sassen nochmals die Hauptmomente kurz zusammen, durch welche sich
die italienischen Reisebeschreibungen dieser Periode von denen der frühern
unterscheiden. Zunächst ist es die Theilnahme für das Volk, das Mitgefühl mit
seinen Leiden, die Indignation über die Mißregicrung und den Verfall des
Landes, die hier nach der Individualität der Versasser sich verschieden aus¬
spricht. Während die meisten sich dem Katholicismus gegenüber negirend
verhalten oder seine Ausartungen verhöhnen, erscheint in Stolberg bereits
ein Vorläufer der Richtung, die bald der alleinseligmachenden Kirche so
zahlreiche Gläubige zuführen sollte. Auf der andern Seite fängt der un¬
bedingte Idealismus die etwas unterschiedslose Verehrung der Antike und der
(man erlaube uns den Ausdruck) doctrinäre Enthusiasmus für Kunstschönheit
an weniger allgemein zu werden. Auch in der Kunstbetrachtung macht sich
das gegenständliche Interesse neben dein formalen geltend, das ungeschulte
Gefühl des Laien wird für untrüglicher erklärt als die in traditionellen Vor¬
urteilen befangene Anschauung des Kenners. Auch die bornirte philisterhafte
Gemeinheit hat bereits in Kotzebue einen würdigen Repräsentanten gefunden,
und dies Geschlecht von Reisenden ist später am zahlreichsten geworden.
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