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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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sehr schlecht bedient worden, ganz ebenso von den Alten als von den Jungen.
Wenn die jungen Minister und die Glücksritter von Generalen, wie Sie be¬
haupten, zum Krieg geneigt sind, der oft unvermeidlich ist, so haben die alten
Minister und die Generale von hoher Abkunft einen andern Nachtheil, daß
nämlich unter ihren Händen die Swapgeschäfte tänzeln, woraus folgt, daß
sie nicht sehr fortschreiten; wenn sie nun nicht fortschreiten, so gehn sie meiner
Meinung nach rückwärts, und grade dies hat mich die Erfahrung darin ge-
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Siepers blieb ohne Anstellung und, was das Unbequemste war, man
ließ ihn längere Zeit in Geldverlegenheit, bis ihm endlich in dieser Be¬
ziehung die Sonne der Gnade wieder leuchtete. Er benutzte den günstigen
Augenblick sofort, sich mit seinen Rathschlägen der Kaiserin wieder zu nahen,
und diese sind namentlich in einer Beziehung lehrreich,' sie zeigen uns, was
Preußen sich von seinem mächtigen Nachbarn zu versehn hat. So schreibt er
einmyl 5. Jan. 1795, es sei nothwendig, Polen ganz zu theilen, da jeder
kleine Zwischenstaat nur einen Zankapfel bilden und der Eifersucht der übri¬
gen Mächte gegen Rußland Veranlassung geben würde sich zu bethätigen.
"Der Preuße ist am gierigsten und verfänglichsten, gegen ihn möchte ich keine
anderen Grenzen als Flüsse oder gerade Linien, oder endlich keine Grenzen."
Ebenso dringend spricht er sich sür die Einverleibung Kurlands aus. "Ew.
k. M. kennen die Ränke Preußens, um die Politik des armen Herzogs irre
zu führen; ich wiederhole es, die kleinen Zwischenstaaten taugen nichts zwi¬
schen großen Reichen, wenn man sie vermeiden kann. . . . Herr Lithauens,
Samogitiens und Kurlands, von dem es nicht einen Zoll breit abtreten dürfte,
würde Nußland den gesammten Handel von Memel und Königsberg durch
einen sehr wahrscheinlichen Kanal ableiten." --

Obgleich nicht mehr in den höchsten Spitzen der Verwaltung beschäftigt,
blieb Siepers doch immer in einem Wirbel von Geschäften. Kaiser Paul
war ihm zu Anfang sehr günstig, aber einige Zeit darauf verdroß ihn eine
vermeintliche Eigenmächtigkeit des Grafen so, daß er ihm April 1800 einen
ungnädigen Abschied ertheilte. In derselben Zeit kehrte Suworow von seiner
glorreichen Siegerlaufbahn aus Italien-zurück. In Petersburg erwarteten
ihn bei seinem Einzug die größten Ehren; aber der wankelmüthige Herrscher
ließ sich gegen ihn aufhetzen und den Tagesbefehl unter Trommelschlag ver¬
künden: der Generalissimus habe durch Nichtbefolgung allerhöchster Befehle
strengen Tadel und des Kaisers Ungnade verdient. Dies vernahm der alte
Held in Riga. Schon angegriffen genug, ward er von Stund an ernstlich
krank; doch setzte er die Reise fort; unterwegs traf ihn das kaiserliche Verbots
nach der Residenz zu kommen. Der Fürst antwortete ruhig, er sei sterbend
und gehe heim. Er ließ sich im Weiterfahren nicht stören, und kam in der


Grenzbote" IV. ISöS. 33

sehr schlecht bedient worden, ganz ebenso von den Alten als von den Jungen.
Wenn die jungen Minister und die Glücksritter von Generalen, wie Sie be¬
haupten, zum Krieg geneigt sind, der oft unvermeidlich ist, so haben die alten
Minister und die Generale von hoher Abkunft einen andern Nachtheil, daß
nämlich unter ihren Händen die Swapgeschäfte tänzeln, woraus folgt, daß
sie nicht sehr fortschreiten; wenn sie nun nicht fortschreiten, so gehn sie meiner
Meinung nach rückwärts, und grade dies hat mich die Erfahrung darin ge-
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Siepers blieb ohne Anstellung und, was das Unbequemste war, man
ließ ihn längere Zeit in Geldverlegenheit, bis ihm endlich in dieser Be¬
ziehung die Sonne der Gnade wieder leuchtete. Er benutzte den günstigen
Augenblick sofort, sich mit seinen Rathschlägen der Kaiserin wieder zu nahen,
und diese sind namentlich in einer Beziehung lehrreich,' sie zeigen uns, was
Preußen sich von seinem mächtigen Nachbarn zu versehn hat. So schreibt er
einmyl 5. Jan. 1795, es sei nothwendig, Polen ganz zu theilen, da jeder
kleine Zwischenstaat nur einen Zankapfel bilden und der Eifersucht der übri¬
gen Mächte gegen Rußland Veranlassung geben würde sich zu bethätigen.
„Der Preuße ist am gierigsten und verfänglichsten, gegen ihn möchte ich keine
anderen Grenzen als Flüsse oder gerade Linien, oder endlich keine Grenzen."
Ebenso dringend spricht er sich sür die Einverleibung Kurlands aus. „Ew.
k. M. kennen die Ränke Preußens, um die Politik des armen Herzogs irre
zu führen; ich wiederhole es, die kleinen Zwischenstaaten taugen nichts zwi¬
schen großen Reichen, wenn man sie vermeiden kann. . . . Herr Lithauens,
Samogitiens und Kurlands, von dem es nicht einen Zoll breit abtreten dürfte,
würde Nußland den gesammten Handel von Memel und Königsberg durch
einen sehr wahrscheinlichen Kanal ableiten." —

Obgleich nicht mehr in den höchsten Spitzen der Verwaltung beschäftigt,
blieb Siepers doch immer in einem Wirbel von Geschäften. Kaiser Paul
war ihm zu Anfang sehr günstig, aber einige Zeit darauf verdroß ihn eine
vermeintliche Eigenmächtigkeit des Grafen so, daß er ihm April 1800 einen
ungnädigen Abschied ertheilte. In derselben Zeit kehrte Suworow von seiner
glorreichen Siegerlaufbahn aus Italien-zurück. In Petersburg erwarteten
ihn bei seinem Einzug die größten Ehren; aber der wankelmüthige Herrscher
ließ sich gegen ihn aufhetzen und den Tagesbefehl unter Trommelschlag ver¬
künden: der Generalissimus habe durch Nichtbefolgung allerhöchster Befehle
strengen Tadel und des Kaisers Ungnade verdient. Dies vernahm der alte
Held in Riga. Schon angegriffen genug, ward er von Stund an ernstlich
krank; doch setzte er die Reise fort; unterwegs traf ihn das kaiserliche Verbots
nach der Residenz zu kommen. Der Fürst antwortete ruhig, er sei sterbend
und gehe heim. Er ließ sich im Weiterfahren nicht stören, und kam in der


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[0265] sehr schlecht bedient worden, ganz ebenso von den Alten als von den Jungen. Wenn die jungen Minister und die Glücksritter von Generalen, wie Sie be¬ haupten, zum Krieg geneigt sind, der oft unvermeidlich ist, so haben die alten Minister und die Generale von hoher Abkunft einen andern Nachtheil, daß nämlich unter ihren Händen die Swapgeschäfte tänzeln, woraus folgt, daß sie nicht sehr fortschreiten; wenn sie nun nicht fortschreiten, so gehn sie meiner Meinung nach rückwärts, und grade dies hat mich die Erfahrung darin ge- Kh»t.">i6 ^ni<fmgÄ»oÄL'«,l>j? et'lKÄ?»,^^) um yj .tchnitj^ Siepers blieb ohne Anstellung und, was das Unbequemste war, man ließ ihn längere Zeit in Geldverlegenheit, bis ihm endlich in dieser Be¬ ziehung die Sonne der Gnade wieder leuchtete. Er benutzte den günstigen Augenblick sofort, sich mit seinen Rathschlägen der Kaiserin wieder zu nahen, und diese sind namentlich in einer Beziehung lehrreich,' sie zeigen uns, was Preußen sich von seinem mächtigen Nachbarn zu versehn hat. So schreibt er einmyl 5. Jan. 1795, es sei nothwendig, Polen ganz zu theilen, da jeder kleine Zwischenstaat nur einen Zankapfel bilden und der Eifersucht der übri¬ gen Mächte gegen Rußland Veranlassung geben würde sich zu bethätigen. „Der Preuße ist am gierigsten und verfänglichsten, gegen ihn möchte ich keine anderen Grenzen als Flüsse oder gerade Linien, oder endlich keine Grenzen." Ebenso dringend spricht er sich sür die Einverleibung Kurlands aus. „Ew. k. M. kennen die Ränke Preußens, um die Politik des armen Herzogs irre zu führen; ich wiederhole es, die kleinen Zwischenstaaten taugen nichts zwi¬ schen großen Reichen, wenn man sie vermeiden kann. . . . Herr Lithauens, Samogitiens und Kurlands, von dem es nicht einen Zoll breit abtreten dürfte, würde Nußland den gesammten Handel von Memel und Königsberg durch einen sehr wahrscheinlichen Kanal ableiten." — Obgleich nicht mehr in den höchsten Spitzen der Verwaltung beschäftigt, blieb Siepers doch immer in einem Wirbel von Geschäften. Kaiser Paul war ihm zu Anfang sehr günstig, aber einige Zeit darauf verdroß ihn eine vermeintliche Eigenmächtigkeit des Grafen so, daß er ihm April 1800 einen ungnädigen Abschied ertheilte. In derselben Zeit kehrte Suworow von seiner glorreichen Siegerlaufbahn aus Italien-zurück. In Petersburg erwarteten ihn bei seinem Einzug die größten Ehren; aber der wankelmüthige Herrscher ließ sich gegen ihn aufhetzen und den Tagesbefehl unter Trommelschlag ver¬ künden: der Generalissimus habe durch Nichtbefolgung allerhöchster Befehle strengen Tadel und des Kaisers Ungnade verdient. Dies vernahm der alte Held in Riga. Schon angegriffen genug, ward er von Stund an ernstlich krank; doch setzte er die Reise fort; unterwegs traf ihn das kaiserliche Verbots nach der Residenz zu kommen. Der Fürst antwortete ruhig, er sei sterbend und gehe heim. Er ließ sich im Weiterfahren nicht stören, und kam in der Grenzbote» IV. ISöS. 33

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/265>, abgerufen am 02.07.2024.