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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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Nicht minder fühlbar als die hohe Besteuerung ist die Militärconscrip-
tion. Im vormärzlichen Ungarn war der Militärdienst für die große Mehr¬
heit des Volkes eine nur wenig fühlbare Belastung. In Friedenszeiten hatte
Ungarn mit seinen Nebenländern alle zehn Jahre so viel Rekruten zu stellen,
als zur Completirung der ungarischen Regimenter nach Abgang der Kapitulanten
nöthig war. Diese Zahl variirte zwischen dreißig und funfzigtausend Mann,
was also einer jährlichen Rekrutenstellung von drei bis fünftausend Mann
gleich kommt. Jetzt werden jährlich alle Altersclassen der dienstpflichtigen Ju¬
gend zur Assentirung gezogen, eine beliebige Anzahl zum activen Dienst ge¬
nommen, und die übrigen für die nächsten Jahre zurückgelassen. Dies macht
nach zuverlässigen Berechnungen eine jährliche Aushebung von mehr als 20,000
jungen arbeitsfähigen Männern. Hierzu kommt noch, daß früher der Preis
eines Ersatzmannes bei den niedern Preisen aller Lebensmittel und Dienst¬
leistungen, und bei dem viel kleinern Bedarf von Ersatzmännern, ein viel ge-.
ringerer war, und einem fleißigen, talentvollen Handwerker oder dem Sohn
eines wohlhabenden Bauern fehlten selten die Mittel, sich vom Militärdienst
zu befreien; jetzt aber, wo ein Ersatzmann nur für 12--1500 Gulden zu
haben ist, werden dem Ackerbau und den Gewerben oft die nöthigsten und
schönsten Kräfte entzogen, und bei der langen östreichischen Capitulationszeit
(acht Jahre activer, Dienst und zwei Jahre Reserve), wo der Soldat, wie
Dickens sagt, täglich mehr Soldat und stündlich weniger Mensch wird, blei¬
ben diese Kräfte auch in den meisten Fällen für ihre ursprüngliche Bestim¬
mung verloren.

Als folgend in der Zahl der fühlbarsten Neuerungen können wir füglich
das Tabakmonopol hinstellen. Wir wollen hier nicht des Weitern erörtern,
wie drückend es sein muß, in einem Lande, wo der Tabak in ausgezeichneter
Qualität erzeugt wird, seine Pfeife für theures Geld mit schlechtem Kraut
füllen zu müssen, denn dieser Gegenstand wurde in Deutschland, als von der
Einführung eines solchen Monopols im Zollverein die Rede war. zur Genüge
besprochen, das aber dürfte dem deutschen Publicum weniger bekannt sein,
daß nämlich das Tabakmonopol in Ungarn der Negierung nur wenig oder
gar'nichts einträgt, da die zur Betreibung dieses Monopols erforderlichen
Aemter, und besonders das zur Ueberwachung des Tabakbaues aufgestellte
Corps der Finanzwache den größten Theil des Gewinnstes verschlingen. Wie
von Tabakrauchern allgemein behauptet wird, würden sie lieber eine directe
Tabaksteuer von ein oder zwei Gulden jährlich bezahlen, als sich in schmu-
zigen Trafiken durch Beize zubereiteten und vom Trafikanten befeuchteten Ta¬
bak oder schlechtgedrehte mit allen möglichen Abfällen gefüllte Cigarren holen
zu müssen. Daß eine derartige directe Besteuerung der Tabakraucher, deren
Einkassirung wenig oder gar keine Kosten verursachen dürfte, der Regierung


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Nicht minder fühlbar als die hohe Besteuerung ist die Militärconscrip-
tion. Im vormärzlichen Ungarn war der Militärdienst für die große Mehr¬
heit des Volkes eine nur wenig fühlbare Belastung. In Friedenszeiten hatte
Ungarn mit seinen Nebenländern alle zehn Jahre so viel Rekruten zu stellen,
als zur Completirung der ungarischen Regimenter nach Abgang der Kapitulanten
nöthig war. Diese Zahl variirte zwischen dreißig und funfzigtausend Mann,
was also einer jährlichen Rekrutenstellung von drei bis fünftausend Mann
gleich kommt. Jetzt werden jährlich alle Altersclassen der dienstpflichtigen Ju¬
gend zur Assentirung gezogen, eine beliebige Anzahl zum activen Dienst ge¬
nommen, und die übrigen für die nächsten Jahre zurückgelassen. Dies macht
nach zuverlässigen Berechnungen eine jährliche Aushebung von mehr als 20,000
jungen arbeitsfähigen Männern. Hierzu kommt noch, daß früher der Preis
eines Ersatzmannes bei den niedern Preisen aller Lebensmittel und Dienst¬
leistungen, und bei dem viel kleinern Bedarf von Ersatzmännern, ein viel ge-.
ringerer war, und einem fleißigen, talentvollen Handwerker oder dem Sohn
eines wohlhabenden Bauern fehlten selten die Mittel, sich vom Militärdienst
zu befreien; jetzt aber, wo ein Ersatzmann nur für 12—1500 Gulden zu
haben ist, werden dem Ackerbau und den Gewerben oft die nöthigsten und
schönsten Kräfte entzogen, und bei der langen östreichischen Capitulationszeit
(acht Jahre activer, Dienst und zwei Jahre Reserve), wo der Soldat, wie
Dickens sagt, täglich mehr Soldat und stündlich weniger Mensch wird, blei¬
ben diese Kräfte auch in den meisten Fällen für ihre ursprüngliche Bestim¬
mung verloren.

Als folgend in der Zahl der fühlbarsten Neuerungen können wir füglich
das Tabakmonopol hinstellen. Wir wollen hier nicht des Weitern erörtern,
wie drückend es sein muß, in einem Lande, wo der Tabak in ausgezeichneter
Qualität erzeugt wird, seine Pfeife für theures Geld mit schlechtem Kraut
füllen zu müssen, denn dieser Gegenstand wurde in Deutschland, als von der
Einführung eines solchen Monopols im Zollverein die Rede war. zur Genüge
besprochen, das aber dürfte dem deutschen Publicum weniger bekannt sein,
daß nämlich das Tabakmonopol in Ungarn der Negierung nur wenig oder
gar'nichts einträgt, da die zur Betreibung dieses Monopols erforderlichen
Aemter, und besonders das zur Ueberwachung des Tabakbaues aufgestellte
Corps der Finanzwache den größten Theil des Gewinnstes verschlingen. Wie
von Tabakrauchern allgemein behauptet wird, würden sie lieber eine directe
Tabaksteuer von ein oder zwei Gulden jährlich bezahlen, als sich in schmu-
zigen Trafiken durch Beize zubereiteten und vom Trafikanten befeuchteten Ta¬
bak oder schlechtgedrehte mit allen möglichen Abfällen gefüllte Cigarren holen
zu müssen. Daß eine derartige directe Besteuerung der Tabakraucher, deren
Einkassirung wenig oder gar keine Kosten verursachen dürfte, der Regierung


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[0259] Nicht minder fühlbar als die hohe Besteuerung ist die Militärconscrip- tion. Im vormärzlichen Ungarn war der Militärdienst für die große Mehr¬ heit des Volkes eine nur wenig fühlbare Belastung. In Friedenszeiten hatte Ungarn mit seinen Nebenländern alle zehn Jahre so viel Rekruten zu stellen, als zur Completirung der ungarischen Regimenter nach Abgang der Kapitulanten nöthig war. Diese Zahl variirte zwischen dreißig und funfzigtausend Mann, was also einer jährlichen Rekrutenstellung von drei bis fünftausend Mann gleich kommt. Jetzt werden jährlich alle Altersclassen der dienstpflichtigen Ju¬ gend zur Assentirung gezogen, eine beliebige Anzahl zum activen Dienst ge¬ nommen, und die übrigen für die nächsten Jahre zurückgelassen. Dies macht nach zuverlässigen Berechnungen eine jährliche Aushebung von mehr als 20,000 jungen arbeitsfähigen Männern. Hierzu kommt noch, daß früher der Preis eines Ersatzmannes bei den niedern Preisen aller Lebensmittel und Dienst¬ leistungen, und bei dem viel kleinern Bedarf von Ersatzmännern, ein viel ge-. ringerer war, und einem fleißigen, talentvollen Handwerker oder dem Sohn eines wohlhabenden Bauern fehlten selten die Mittel, sich vom Militärdienst zu befreien; jetzt aber, wo ein Ersatzmann nur für 12—1500 Gulden zu haben ist, werden dem Ackerbau und den Gewerben oft die nöthigsten und schönsten Kräfte entzogen, und bei der langen östreichischen Capitulationszeit (acht Jahre activer, Dienst und zwei Jahre Reserve), wo der Soldat, wie Dickens sagt, täglich mehr Soldat und stündlich weniger Mensch wird, blei¬ ben diese Kräfte auch in den meisten Fällen für ihre ursprüngliche Bestim¬ mung verloren. Als folgend in der Zahl der fühlbarsten Neuerungen können wir füglich das Tabakmonopol hinstellen. Wir wollen hier nicht des Weitern erörtern, wie drückend es sein muß, in einem Lande, wo der Tabak in ausgezeichneter Qualität erzeugt wird, seine Pfeife für theures Geld mit schlechtem Kraut füllen zu müssen, denn dieser Gegenstand wurde in Deutschland, als von der Einführung eines solchen Monopols im Zollverein die Rede war. zur Genüge besprochen, das aber dürfte dem deutschen Publicum weniger bekannt sein, daß nämlich das Tabakmonopol in Ungarn der Negierung nur wenig oder gar'nichts einträgt, da die zur Betreibung dieses Monopols erforderlichen Aemter, und besonders das zur Ueberwachung des Tabakbaues aufgestellte Corps der Finanzwache den größten Theil des Gewinnstes verschlingen. Wie von Tabakrauchern allgemein behauptet wird, würden sie lieber eine directe Tabaksteuer von ein oder zwei Gulden jährlich bezahlen, als sich in schmu- zigen Trafiken durch Beize zubereiteten und vom Trafikanten befeuchteten Ta¬ bak oder schlechtgedrehte mit allen möglichen Abfällen gefüllte Cigarren holen zu müssen. Daß eine derartige directe Besteuerung der Tabakraucher, deren Einkassirung wenig oder gar keine Kosten verursachen dürfte, der Regierung 32"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/259>, abgerufen am 02.07.2024.