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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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diesem Grundsatz mit der der Sache angemessenen Modification vorzu¬
schreiten. Ein solches allmäliges Fortschreiten an der Hand des
Bedürfnisses und der Erfahrung liegt in der Natur der Sache
begründet."

Wenn wir bei dieser Charakteristik der Auffassung des Bundes uns viel¬
leicht etwas länger aufgehalten haben, als es die Bedeutung derselben für
unsern Zweck erforderte, so mag uns hierbei die eigenthümliche politische und
culturgeschichtliche Bedeutung dieser. Auffassung als Entschuldigung dienen.
Es kann das Verhalten des Bundes zu unsrer Nation nichts treffender charak-
terisiren als dies halb großmüthige halb mißtrauische -- Spielen mit dem
-Recht der Schriftsteller und Künstler; es kann die Höhe der culturgeschichtlichen
Stellung des brüsseler Congresses nichts so sehr veranschaulichen als ein Blick
vom Niveau der Auffassung des Bundestages. Wir wissen zwar recht wohl,
daß es einmal in der Wissenschaft streitig gewesen ist, ob der Schriftsteller
und Künstler an seinen Werken wirklich ein ausschließliches Recht habe, wir
wüßten sogar einzelne Juristenfacultäten namhaft zu machen, die das Recht
gradezu leugneten. Es dies aber^doch gottlob schon etwas lange her, und
wir glauben nicht, daß man heutzutage diesen abgeschmackten Zweiflern des
vorigen Jahrhunderts noch immer die Ehre anthut, dies Recht überhaupt
als zweifelhaft erscheinen zu lassen. Für die juristische Befähigung der be¬
treffenden Herrn Bundestagsgesandter wäre es wenigstens ein schlechtes Kom¬
pliment, wenn man annehmen wollte, sie zweifelten wirklich an der Existenz
eines-Rechts, zu dessen Schutz sie seit vierzig Jahren die außerordentlichsten An¬
strengungen gemacht, dem sie sogar den gewichtigen Namen "Eigenthum" bei¬
gelegt. Ueberdies spricht ja auch der Bund unausgesetzt von den Rechten
der Schriftsteller und Künstler, weshalb sollte er denn nicht auch ein Recht
derselben annehmen. Wenn der Bund trotzdem dies Recht nicht unumwunden
anerfcmnte, wenn er es vielmehr mit der bureaukratischen Papierscheere an¬
fangs in kleineren, allmälig aber "an der Hand des Bedürfnisses und der
Erfahrung" in größeren Portionen den Berechtigten vorgeschritten hat. so
müssen wir den Grund hiervon wo anders suchen. Der Bund war zu vor¬
nehm, um den armen Künstlern und Schriftstellern, er war zu gereizt und
zu mißtrauisch, um den verhaßten demagogischen Schreiern und Verlegern
an ihren Erzeugnissen ein absolutes Recht zuzugestehen, wie es andere ehrliche
Leute an ihren Arbeiten auch haben. Der Gedanke, daß Schriftsteller und
Künstler Rechte haben sollten, schien bedenklich; denn dann hätten politische
Schriftsteller auch Rechte haben müssen, und denen gestand man nicht einmal
das Recht der Existenz, geschweige denn Rechte zu, die ihre Existenz hätten
sichern können. Wer mochte wissen, welche politische Umwälzung durch, die
unumwundene Anerkennung des schriftstellerischen Eigenthums möglich werden


diesem Grundsatz mit der der Sache angemessenen Modification vorzu¬
schreiten. Ein solches allmäliges Fortschreiten an der Hand des
Bedürfnisses und der Erfahrung liegt in der Natur der Sache
begründet."

Wenn wir bei dieser Charakteristik der Auffassung des Bundes uns viel¬
leicht etwas länger aufgehalten haben, als es die Bedeutung derselben für
unsern Zweck erforderte, so mag uns hierbei die eigenthümliche politische und
culturgeschichtliche Bedeutung dieser. Auffassung als Entschuldigung dienen.
Es kann das Verhalten des Bundes zu unsrer Nation nichts treffender charak-
terisiren als dies halb großmüthige halb mißtrauische — Spielen mit dem
-Recht der Schriftsteller und Künstler; es kann die Höhe der culturgeschichtlichen
Stellung des brüsseler Congresses nichts so sehr veranschaulichen als ein Blick
vom Niveau der Auffassung des Bundestages. Wir wissen zwar recht wohl,
daß es einmal in der Wissenschaft streitig gewesen ist, ob der Schriftsteller
und Künstler an seinen Werken wirklich ein ausschließliches Recht habe, wir
wüßten sogar einzelne Juristenfacultäten namhaft zu machen, die das Recht
gradezu leugneten. Es dies aber^doch gottlob schon etwas lange her, und
wir glauben nicht, daß man heutzutage diesen abgeschmackten Zweiflern des
vorigen Jahrhunderts noch immer die Ehre anthut, dies Recht überhaupt
als zweifelhaft erscheinen zu lassen. Für die juristische Befähigung der be¬
treffenden Herrn Bundestagsgesandter wäre es wenigstens ein schlechtes Kom¬
pliment, wenn man annehmen wollte, sie zweifelten wirklich an der Existenz
eines-Rechts, zu dessen Schutz sie seit vierzig Jahren die außerordentlichsten An¬
strengungen gemacht, dem sie sogar den gewichtigen Namen „Eigenthum" bei¬
gelegt. Ueberdies spricht ja auch der Bund unausgesetzt von den Rechten
der Schriftsteller und Künstler, weshalb sollte er denn nicht auch ein Recht
derselben annehmen. Wenn der Bund trotzdem dies Recht nicht unumwunden
anerfcmnte, wenn er es vielmehr mit der bureaukratischen Papierscheere an¬
fangs in kleineren, allmälig aber „an der Hand des Bedürfnisses und der
Erfahrung" in größeren Portionen den Berechtigten vorgeschritten hat. so
müssen wir den Grund hiervon wo anders suchen. Der Bund war zu vor¬
nehm, um den armen Künstlern und Schriftstellern, er war zu gereizt und
zu mißtrauisch, um den verhaßten demagogischen Schreiern und Verlegern
an ihren Erzeugnissen ein absolutes Recht zuzugestehen, wie es andere ehrliche
Leute an ihren Arbeiten auch haben. Der Gedanke, daß Schriftsteller und
Künstler Rechte haben sollten, schien bedenklich; denn dann hätten politische
Schriftsteller auch Rechte haben müssen, und denen gestand man nicht einmal
das Recht der Existenz, geschweige denn Rechte zu, die ihre Existenz hätten
sichern können. Wer mochte wissen, welche politische Umwälzung durch, die
unumwundene Anerkennung des schriftstellerischen Eigenthums möglich werden


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[0214] diesem Grundsatz mit der der Sache angemessenen Modification vorzu¬ schreiten. Ein solches allmäliges Fortschreiten an der Hand des Bedürfnisses und der Erfahrung liegt in der Natur der Sache begründet." Wenn wir bei dieser Charakteristik der Auffassung des Bundes uns viel¬ leicht etwas länger aufgehalten haben, als es die Bedeutung derselben für unsern Zweck erforderte, so mag uns hierbei die eigenthümliche politische und culturgeschichtliche Bedeutung dieser. Auffassung als Entschuldigung dienen. Es kann das Verhalten des Bundes zu unsrer Nation nichts treffender charak- terisiren als dies halb großmüthige halb mißtrauische — Spielen mit dem -Recht der Schriftsteller und Künstler; es kann die Höhe der culturgeschichtlichen Stellung des brüsseler Congresses nichts so sehr veranschaulichen als ein Blick vom Niveau der Auffassung des Bundestages. Wir wissen zwar recht wohl, daß es einmal in der Wissenschaft streitig gewesen ist, ob der Schriftsteller und Künstler an seinen Werken wirklich ein ausschließliches Recht habe, wir wüßten sogar einzelne Juristenfacultäten namhaft zu machen, die das Recht gradezu leugneten. Es dies aber^doch gottlob schon etwas lange her, und wir glauben nicht, daß man heutzutage diesen abgeschmackten Zweiflern des vorigen Jahrhunderts noch immer die Ehre anthut, dies Recht überhaupt als zweifelhaft erscheinen zu lassen. Für die juristische Befähigung der be¬ treffenden Herrn Bundestagsgesandter wäre es wenigstens ein schlechtes Kom¬ pliment, wenn man annehmen wollte, sie zweifelten wirklich an der Existenz eines-Rechts, zu dessen Schutz sie seit vierzig Jahren die außerordentlichsten An¬ strengungen gemacht, dem sie sogar den gewichtigen Namen „Eigenthum" bei¬ gelegt. Ueberdies spricht ja auch der Bund unausgesetzt von den Rechten der Schriftsteller und Künstler, weshalb sollte er denn nicht auch ein Recht derselben annehmen. Wenn der Bund trotzdem dies Recht nicht unumwunden anerfcmnte, wenn er es vielmehr mit der bureaukratischen Papierscheere an¬ fangs in kleineren, allmälig aber „an der Hand des Bedürfnisses und der Erfahrung" in größeren Portionen den Berechtigten vorgeschritten hat. so müssen wir den Grund hiervon wo anders suchen. Der Bund war zu vor¬ nehm, um den armen Künstlern und Schriftstellern, er war zu gereizt und zu mißtrauisch, um den verhaßten demagogischen Schreiern und Verlegern an ihren Erzeugnissen ein absolutes Recht zuzugestehen, wie es andere ehrliche Leute an ihren Arbeiten auch haben. Der Gedanke, daß Schriftsteller und Künstler Rechte haben sollten, schien bedenklich; denn dann hätten politische Schriftsteller auch Rechte haben müssen, und denen gestand man nicht einmal das Recht der Existenz, geschweige denn Rechte zu, die ihre Existenz hätten sichern können. Wer mochte wissen, welche politische Umwälzung durch, die unumwundene Anerkennung des schriftstellerischen Eigenthums möglich werden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/214>, abgerufen am 26.07.2024.