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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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Geschichte der dänischen Kmllmermlfliismlg.
2.

Durch die Kammerwahlen waren allerdings die gouvernementalen Hoff¬
nungen nicht positiv im erwarteten Maß erfüllt worden. Ader man schmei¬
chelte sich, mit der zusammentretender Kammer insofern leichteres Spiel zu
haben, als mit der vorhergehenden, weil man mindere Discussionen um con-
stitutionelle Principe erwartete. 31 Gutsbesitzer. 10 Handelsmänner, 14 Ge-
werbsmeister und 14 Oekonomen. zusammen 68 Personen, vermeinte man so
ziemlich durch materielle Concessionen d. h. Sparsamkeitsversprcchungen der
Regierungspartei versichern und eventuell als Kopfzahl zu den sonstigen Gou¬
vernementsfreunden rechnen zu dürfen. Die gutgesinnte-Presse war auch eif¬
rig bemüht, den gewordenen Herren Deputaten recht sorgfältig zu demon-
striren, wie mit Principienrciterei nichts, dagegen mit einer "aus dem Leben
stammenden Praxis" die größten Vortheile erreicht würden. Neunzig ImininsK
novi waren auch nicht zu verachten. Man durfte glauben, daß dieselben
durch die Lectüre der wüstendürren Mutterprotokolle und der sehr spät erschei¬
nenden stenographischen Berichte an den vorhergehenden Kammerdebatten
auch nicht so intimen Antheil genommen, um zu wissen, wie die Kammer sich
keineswegs vorzugsweise in theoretischer Principicnreiterei und doctrinärer Con-
sequenzenmacherci umhergetrieben, sondern mit den beweisenden Zahlen und
unleugbaren Thatsachen in der Hand zu so scharfen Conflicten mit der gou-
vernementalen Praxis und zu so schweren Klagen gegen die administrativen
Uevcrgriffe gelangt war.

Immerhin förderte man jedoch das "conservative Interesse" auch noch
durch besondere Maßregeln. Dahiir rechnen wir nicht die grundgesetzwidrige
Polizeiliche Revision, resp, präventive Zurückhaltung ausländischer Zeitungen,
welche durch die Postämter an ihre baienschen Pränumcrcmten hätten gelangen
sollen. Auch die Verurtheilung auswärtiger Redacteure und Verleger wegen
Preßvergehen zu vierjähriger Gefängnißstrafe, während andere Staaten sich
^>r Uebung eines solchen exterritorialen Straftcchts nicht befugt erachten,
ändern sich mit Fernhaltung der ihnen anstößige" Blätter von ihren Grenzen
^ungen. welche in Baiern ebenfalls geübt wird -- sei nicht hierher gezählt.
Mo-n ging positiver zu Werte. Die Regierung veranlaßte nämlich die hervor¬
ragenderen Mitglieder des Adels jeder Provinz, sich unter sich, wie auch mit
dem Adel der andern Regierungsbezirke zu verständigen, um gemeinsame
Wünsche und Entwürfe zu formuliren. damit "Schritte zur Reorganisation der
Aristokratie von innen heraus" gethan werden könnten -- wie die officielle


Gnuzbvte" IV. 1858. 23
Geschichte der dänischen Kmllmermlfliismlg.
2.

Durch die Kammerwahlen waren allerdings die gouvernementalen Hoff¬
nungen nicht positiv im erwarteten Maß erfüllt worden. Ader man schmei¬
chelte sich, mit der zusammentretender Kammer insofern leichteres Spiel zu
haben, als mit der vorhergehenden, weil man mindere Discussionen um con-
stitutionelle Principe erwartete. 31 Gutsbesitzer. 10 Handelsmänner, 14 Ge-
werbsmeister und 14 Oekonomen. zusammen 68 Personen, vermeinte man so
ziemlich durch materielle Concessionen d. h. Sparsamkeitsversprcchungen der
Regierungspartei versichern und eventuell als Kopfzahl zu den sonstigen Gou¬
vernementsfreunden rechnen zu dürfen. Die gutgesinnte-Presse war auch eif¬
rig bemüht, den gewordenen Herren Deputaten recht sorgfältig zu demon-
striren, wie mit Principienrciterei nichts, dagegen mit einer „aus dem Leben
stammenden Praxis" die größten Vortheile erreicht würden. Neunzig ImininsK
novi waren auch nicht zu verachten. Man durfte glauben, daß dieselben
durch die Lectüre der wüstendürren Mutterprotokolle und der sehr spät erschei¬
nenden stenographischen Berichte an den vorhergehenden Kammerdebatten
auch nicht so intimen Antheil genommen, um zu wissen, wie die Kammer sich
keineswegs vorzugsweise in theoretischer Principicnreiterei und doctrinärer Con-
sequenzenmacherci umhergetrieben, sondern mit den beweisenden Zahlen und
unleugbaren Thatsachen in der Hand zu so scharfen Conflicten mit der gou-
vernementalen Praxis und zu so schweren Klagen gegen die administrativen
Uevcrgriffe gelangt war.

Immerhin förderte man jedoch das „conservative Interesse" auch noch
durch besondere Maßregeln. Dahiir rechnen wir nicht die grundgesetzwidrige
Polizeiliche Revision, resp, präventive Zurückhaltung ausländischer Zeitungen,
welche durch die Postämter an ihre baienschen Pränumcrcmten hätten gelangen
sollen. Auch die Verurtheilung auswärtiger Redacteure und Verleger wegen
Preßvergehen zu vierjähriger Gefängnißstrafe, während andere Staaten sich
^>r Uebung eines solchen exterritorialen Straftcchts nicht befugt erachten,
ändern sich mit Fernhaltung der ihnen anstößige» Blätter von ihren Grenzen
^ungen. welche in Baiern ebenfalls geübt wird — sei nicht hierher gezählt.
Mo-n ging positiver zu Werte. Die Regierung veranlaßte nämlich die hervor¬
ragenderen Mitglieder des Adels jeder Provinz, sich unter sich, wie auch mit
dem Adel der andern Regierungsbezirke zu verständigen, um gemeinsame
Wünsche und Entwürfe zu formuliren. damit „Schritte zur Reorganisation der
Aristokratie von innen heraus" gethan werden könnten — wie die officielle


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[0185] Geschichte der dänischen Kmllmermlfliismlg. 2. Durch die Kammerwahlen waren allerdings die gouvernementalen Hoff¬ nungen nicht positiv im erwarteten Maß erfüllt worden. Ader man schmei¬ chelte sich, mit der zusammentretender Kammer insofern leichteres Spiel zu haben, als mit der vorhergehenden, weil man mindere Discussionen um con- stitutionelle Principe erwartete. 31 Gutsbesitzer. 10 Handelsmänner, 14 Ge- werbsmeister und 14 Oekonomen. zusammen 68 Personen, vermeinte man so ziemlich durch materielle Concessionen d. h. Sparsamkeitsversprcchungen der Regierungspartei versichern und eventuell als Kopfzahl zu den sonstigen Gou¬ vernementsfreunden rechnen zu dürfen. Die gutgesinnte-Presse war auch eif¬ rig bemüht, den gewordenen Herren Deputaten recht sorgfältig zu demon- striren, wie mit Principienrciterei nichts, dagegen mit einer „aus dem Leben stammenden Praxis" die größten Vortheile erreicht würden. Neunzig ImininsK novi waren auch nicht zu verachten. Man durfte glauben, daß dieselben durch die Lectüre der wüstendürren Mutterprotokolle und der sehr spät erschei¬ nenden stenographischen Berichte an den vorhergehenden Kammerdebatten auch nicht so intimen Antheil genommen, um zu wissen, wie die Kammer sich keineswegs vorzugsweise in theoretischer Principicnreiterei und doctrinärer Con- sequenzenmacherci umhergetrieben, sondern mit den beweisenden Zahlen und unleugbaren Thatsachen in der Hand zu so scharfen Conflicten mit der gou- vernementalen Praxis und zu so schweren Klagen gegen die administrativen Uevcrgriffe gelangt war. Immerhin förderte man jedoch das „conservative Interesse" auch noch durch besondere Maßregeln. Dahiir rechnen wir nicht die grundgesetzwidrige Polizeiliche Revision, resp, präventive Zurückhaltung ausländischer Zeitungen, welche durch die Postämter an ihre baienschen Pränumcrcmten hätten gelangen sollen. Auch die Verurtheilung auswärtiger Redacteure und Verleger wegen Preßvergehen zu vierjähriger Gefängnißstrafe, während andere Staaten sich ^>r Uebung eines solchen exterritorialen Straftcchts nicht befugt erachten, ändern sich mit Fernhaltung der ihnen anstößige» Blätter von ihren Grenzen ^ungen. welche in Baiern ebenfalls geübt wird — sei nicht hierher gezählt. Mo-n ging positiver zu Werte. Die Regierung veranlaßte nämlich die hervor¬ ragenderen Mitglieder des Adels jeder Provinz, sich unter sich, wie auch mit dem Adel der andern Regierungsbezirke zu verständigen, um gemeinsame Wünsche und Entwürfe zu formuliren. damit „Schritte zur Reorganisation der Aristokratie von innen heraus" gethan werden könnten — wie die officielle Gnuzbvte» IV. 1858. 23

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/185>, abgerufen am 05.07.2024.