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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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sinnlichen die Ideen des Verfassers von der Weise, wie die Grenzen der Operations-
landschaftcn im Großen anschaulich zu machen seien.--
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Neue Novellen.

Berthold Auerbach gibt in dem "deutschen Volkskalendcr" (Stuttgart,
Cotta) jedesmal eine Reihe interessanter Beitrüge, von denen wir hier zwei
musterhafte Novellen: die Stiefmutter (1858) und der Bierbrauer von Culm-
bach (1859) hervorheben; die kräftige Charakteristik geht mit feiner Reflexion
Hand in Hand. Gelegenheitsstücke wie "Gellerts letzte Weihnachten" und "Friedrich
der Große von Schwaben" sollte er lieber Andern zu schreiben überlassen. Der
Kalender wird noch durchvschönc Holzschnitte von L. Richter und A.v. Ramberg
geziert. -- Von B. Auerbachs gesammelten Schriften (Stuttgart. Cotta), auf die
wir noch ausführlich zurückkommen, zeigen wir hier wenigstens das Erscheinen an.

In dem Roman "Heinrich Falk" (3. Bd., Breslau. Trewendt) erregt Otto Ro-
qnette die Aufmerksamkeit des Lesers zu Anfang durch eine ehrliche und gewissenhafte
Charakterschilderung, die Figuren sind der Natur abgelauscht und haben doch eine au¬
tonome Bewegung. Der Verlauf erfüllt die Erwartungen nicht ganz; der Dichter
macht es sich mit der Composition zu leicht, die Erzählung wird in Sprüngen fort¬
gesetzt, die manche zum Verständniß nothwendige Momente übergehn, und der Aus¬
gang streift ans Melodramatische.

"norddeutsche Volksbibliothek," herausg. von or. Harn. Schiff. 1. Bd.:
Regina oder das Haus Todtcnstein (Mona, Verlagsbureau). Die Erzählung muß
jeden Leser in Verwirrung setzen; das große Talent des Dichters, das er in frühern
Novellen entwickelt, zeigt sich auch hier unverkennbar; der Stoff und die Auffassung
aber erinnert an die romantische Periode von 1790: "und Uffo nahm die Locke
des Enthaupteten und sprach mit hohler Stimme u. s. w."

"Marianne oder um Liebe leiden," Roman von Heinrich König (2. Bd.,
Frankfurt a. M., Meidinger). -- Bei den besten Intentionen behält dieser Dichter
in seiner Form immer etwas unnatürlich Gespreiztes, das die Lectüre unbequem
Macht. Es ist merkwürdig, wis wenig er sich seit "Regime" und "Veronika" ge¬
ändert hat. In den culturhistorischen Romanen empfindet man die Unnatur weniger,
"der man schiebt sie in die dargestellte Zeit; bei einem einfach bürgerlichen Stoff ist
^s aber nicht möglich.

Anspruchsloser und darum ansprechender ist ein Roman von Caroline von
Göhrcn: "Aus dem Salonlebcn". Die einfachen Verhältnisse sind einfach ent¬
wickelt und von einer gesunden Empfindung beleuchtet.

"Gepflastert mit Gold, oder Roman und Wirklichkeit der Straßen Londons.
Von den Gebrüdern Mayhew. Unter Autorisation der Herrn Verfasser ins


sinnlichen die Ideen des Verfassers von der Weise, wie die Grenzen der Operations-
landschaftcn im Großen anschaulich zu machen seien.—
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Neue Novellen.

Berthold Auerbach gibt in dem „deutschen Volkskalendcr" (Stuttgart,
Cotta) jedesmal eine Reihe interessanter Beitrüge, von denen wir hier zwei
musterhafte Novellen: die Stiefmutter (1858) und der Bierbrauer von Culm-
bach (1859) hervorheben; die kräftige Charakteristik geht mit feiner Reflexion
Hand in Hand. Gelegenheitsstücke wie „Gellerts letzte Weihnachten" und „Friedrich
der Große von Schwaben" sollte er lieber Andern zu schreiben überlassen. Der
Kalender wird noch durchvschönc Holzschnitte von L. Richter und A.v. Ramberg
geziert. — Von B. Auerbachs gesammelten Schriften (Stuttgart. Cotta), auf die
wir noch ausführlich zurückkommen, zeigen wir hier wenigstens das Erscheinen an.

In dem Roman „Heinrich Falk" (3. Bd., Breslau. Trewendt) erregt Otto Ro-
qnette die Aufmerksamkeit des Lesers zu Anfang durch eine ehrliche und gewissenhafte
Charakterschilderung, die Figuren sind der Natur abgelauscht und haben doch eine au¬
tonome Bewegung. Der Verlauf erfüllt die Erwartungen nicht ganz; der Dichter
macht es sich mit der Composition zu leicht, die Erzählung wird in Sprüngen fort¬
gesetzt, die manche zum Verständniß nothwendige Momente übergehn, und der Aus¬
gang streift ans Melodramatische.

„norddeutsche Volksbibliothek," herausg. von or. Harn. Schiff. 1. Bd.:
Regina oder das Haus Todtcnstein (Mona, Verlagsbureau). Die Erzählung muß
jeden Leser in Verwirrung setzen; das große Talent des Dichters, das er in frühern
Novellen entwickelt, zeigt sich auch hier unverkennbar; der Stoff und die Auffassung
aber erinnert an die romantische Periode von 1790: „und Uffo nahm die Locke
des Enthaupteten und sprach mit hohler Stimme u. s. w."

„Marianne oder um Liebe leiden," Roman von Heinrich König (2. Bd.,
Frankfurt a. M., Meidinger). — Bei den besten Intentionen behält dieser Dichter
in seiner Form immer etwas unnatürlich Gespreiztes, das die Lectüre unbequem
Macht. Es ist merkwürdig, wis wenig er sich seit „Regime" und „Veronika" ge¬
ändert hat. In den culturhistorischen Romanen empfindet man die Unnatur weniger,
"der man schiebt sie in die dargestellte Zeit; bei einem einfach bürgerlichen Stoff ist
^s aber nicht möglich.

Anspruchsloser und darum ansprechender ist ein Roman von Caroline von
Göhrcn: „Aus dem Salonlebcn". Die einfachen Verhältnisse sind einfach ent¬
wickelt und von einer gesunden Empfindung beleuchtet.

„Gepflastert mit Gold, oder Roman und Wirklichkeit der Straßen Londons.
Von den Gebrüdern Mayhew. Unter Autorisation der Herrn Verfasser ins


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[0167] sinnlichen die Ideen des Verfassers von der Weise, wie die Grenzen der Operations- landschaftcn im Großen anschaulich zu machen seien.— '" Neue Novellen. Berthold Auerbach gibt in dem „deutschen Volkskalendcr" (Stuttgart, Cotta) jedesmal eine Reihe interessanter Beitrüge, von denen wir hier zwei musterhafte Novellen: die Stiefmutter (1858) und der Bierbrauer von Culm- bach (1859) hervorheben; die kräftige Charakteristik geht mit feiner Reflexion Hand in Hand. Gelegenheitsstücke wie „Gellerts letzte Weihnachten" und „Friedrich der Große von Schwaben" sollte er lieber Andern zu schreiben überlassen. Der Kalender wird noch durchvschönc Holzschnitte von L. Richter und A.v. Ramberg geziert. — Von B. Auerbachs gesammelten Schriften (Stuttgart. Cotta), auf die wir noch ausführlich zurückkommen, zeigen wir hier wenigstens das Erscheinen an. In dem Roman „Heinrich Falk" (3. Bd., Breslau. Trewendt) erregt Otto Ro- qnette die Aufmerksamkeit des Lesers zu Anfang durch eine ehrliche und gewissenhafte Charakterschilderung, die Figuren sind der Natur abgelauscht und haben doch eine au¬ tonome Bewegung. Der Verlauf erfüllt die Erwartungen nicht ganz; der Dichter macht es sich mit der Composition zu leicht, die Erzählung wird in Sprüngen fort¬ gesetzt, die manche zum Verständniß nothwendige Momente übergehn, und der Aus¬ gang streift ans Melodramatische. „norddeutsche Volksbibliothek," herausg. von or. Harn. Schiff. 1. Bd.: Regina oder das Haus Todtcnstein (Mona, Verlagsbureau). Die Erzählung muß jeden Leser in Verwirrung setzen; das große Talent des Dichters, das er in frühern Novellen entwickelt, zeigt sich auch hier unverkennbar; der Stoff und die Auffassung aber erinnert an die romantische Periode von 1790: „und Uffo nahm die Locke des Enthaupteten und sprach mit hohler Stimme u. s. w." „Marianne oder um Liebe leiden," Roman von Heinrich König (2. Bd., Frankfurt a. M., Meidinger). — Bei den besten Intentionen behält dieser Dichter in seiner Form immer etwas unnatürlich Gespreiztes, das die Lectüre unbequem Macht. Es ist merkwürdig, wis wenig er sich seit „Regime" und „Veronika" ge¬ ändert hat. In den culturhistorischen Romanen empfindet man die Unnatur weniger, "der man schiebt sie in die dargestellte Zeit; bei einem einfach bürgerlichen Stoff ist ^s aber nicht möglich. Anspruchsloser und darum ansprechender ist ein Roman von Caroline von Göhrcn: „Aus dem Salonlebcn". Die einfachen Verhältnisse sind einfach ent¬ wickelt und von einer gesunden Empfindung beleuchtet. „Gepflastert mit Gold, oder Roman und Wirklichkeit der Straßen Londons. Von den Gebrüdern Mayhew. Unter Autorisation der Herrn Verfasser ins

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/167>, abgerufen am 03.07.2024.