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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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Felsen über Felsen gestürzt, kein Baum in seiner natürlichen Lage gelassen,
Gießbäche und Waldstrome ausführlich geschildert, auch die Luft wird mit
schweren Wolkenmassen erfüllt, dies alles aber in ungewöhnlich großen Di¬
mensionen dargestellt. Der Zusammenhang mit der früher allgemein in Mün¬
chen herrschenden Kunstweise liegt offen zu Tage. Der monumentale Cha¬
rakter sollte annähernd auch der Landschaftsmalerei eingehaucht werden. Daß
es in einzelnen Fällen gelang, zeigen Rottmanns Werke, nicht die im Glas¬
palast ausgestellten -- nach diesen zu schließen wäre Rottmann ein gewöhn¬
licher Manierist gewesen, der alle Kraft einsehe, eine schreiend grelle Feuer¬
kugel auf die Leinwand zu bringen und dadurch alle Farbenharmonie zu zer¬
stören -- sondern die berühmten griechischen Landschaften in der neuen Pina¬
kothek und vielleicht in noch höherem Grade die Bilder unter den Arkaden.
Dagegen treten uns in Alb. Zimmermanns anspruchsvoll gemalten Land¬
schaften blos Werke von dccorativcm Werth entgegen, und auch da bleibt es
zweifelhaft, ob die Wirkung eine dauernd angenehme sein wird. Verdienstlich
ist immerhin Zimmermanns. Energie, und wo die Natur des Motives es mit
sich bringt, wie z. B. in der Schilderung einer norddeutschen Ebene, fehlt es
auch nicht an der ausdrucksvollen Farbcnstimmung. Ein desto größeres Recht
hat aber dann die Kritik, auf den in andern Fällen eingeschlagenen Irrweg
hinzuweisen. Es scheint im Allgemeinen die Münchner Sitte, in Alpenland¬
schaften die Studien zu holen und daselbst Auge und Hand zu bilden, auf
die jüngern Künstler keinen günstigen Einfluß zu üben. Den schönen duftigen
Luftton. der an den fernen Alpenhöhen bemerkbar wird, eignen sich dieselben
zwar rasch an, wie denn selbst mittelmäßige Münchner Maler z. B> Haushofer,
in der Behandlung des Hintergrundes Treffliches leisten, dagegen fehlt thuen
regelmüßig der Sinn für das malerische Erfassen des Nahen, und ebenso be¬
mühen sie sich vergeblich, das massenhafte Detail harmonisch zu ordnen und dem¬
selben eine tiefere, an die Empfindung sprechende Gesammtstimmung abzuge¬
winnen. Wol nicht zufällig ist in der reichen Münchner Landschaftsschule nur.
ein einziger Landschaftsmaler, der durch seine Sonnenuntergangsbilder auch
sonst bekannte Zwengauer. durch ein feineres Gefühl für Horizontallinien aus¬
gezeichnet, dem sich in einzelnen Gemälden M. Zimmermann und Schleich an¬
schließen. Als Schulcharakter kann man füglich den Abgang dieses Gefühles,
so wie den Mangel an harmonischer Farbcneinheit, welche die einzelnen klei¬
nen Effecte in der Gesammtwirkung aufgehen läßt, angeben. Wahrhaft
mustergültig in letzterer Beziehung fanden wir dagegen einige aus Berlin ge¬
sendete Landschaften.

Nicht zum Tadel, sondern zu großem Lobe gereicht es W. Schirmer,
daß sein Sonnenuntergang mit dem Reflex auf dem Wasserspiegel an die besten
Zeiten Turners erinnert. Wir kennen Turners Wirken nur aus den Berichten


Felsen über Felsen gestürzt, kein Baum in seiner natürlichen Lage gelassen,
Gießbäche und Waldstrome ausführlich geschildert, auch die Luft wird mit
schweren Wolkenmassen erfüllt, dies alles aber in ungewöhnlich großen Di¬
mensionen dargestellt. Der Zusammenhang mit der früher allgemein in Mün¬
chen herrschenden Kunstweise liegt offen zu Tage. Der monumentale Cha¬
rakter sollte annähernd auch der Landschaftsmalerei eingehaucht werden. Daß
es in einzelnen Fällen gelang, zeigen Rottmanns Werke, nicht die im Glas¬
palast ausgestellten — nach diesen zu schließen wäre Rottmann ein gewöhn¬
licher Manierist gewesen, der alle Kraft einsehe, eine schreiend grelle Feuer¬
kugel auf die Leinwand zu bringen und dadurch alle Farbenharmonie zu zer¬
stören — sondern die berühmten griechischen Landschaften in der neuen Pina¬
kothek und vielleicht in noch höherem Grade die Bilder unter den Arkaden.
Dagegen treten uns in Alb. Zimmermanns anspruchsvoll gemalten Land¬
schaften blos Werke von dccorativcm Werth entgegen, und auch da bleibt es
zweifelhaft, ob die Wirkung eine dauernd angenehme sein wird. Verdienstlich
ist immerhin Zimmermanns. Energie, und wo die Natur des Motives es mit
sich bringt, wie z. B. in der Schilderung einer norddeutschen Ebene, fehlt es
auch nicht an der ausdrucksvollen Farbcnstimmung. Ein desto größeres Recht
hat aber dann die Kritik, auf den in andern Fällen eingeschlagenen Irrweg
hinzuweisen. Es scheint im Allgemeinen die Münchner Sitte, in Alpenland¬
schaften die Studien zu holen und daselbst Auge und Hand zu bilden, auf
die jüngern Künstler keinen günstigen Einfluß zu üben. Den schönen duftigen
Luftton. der an den fernen Alpenhöhen bemerkbar wird, eignen sich dieselben
zwar rasch an, wie denn selbst mittelmäßige Münchner Maler z. B> Haushofer,
in der Behandlung des Hintergrundes Treffliches leisten, dagegen fehlt thuen
regelmüßig der Sinn für das malerische Erfassen des Nahen, und ebenso be¬
mühen sie sich vergeblich, das massenhafte Detail harmonisch zu ordnen und dem¬
selben eine tiefere, an die Empfindung sprechende Gesammtstimmung abzuge¬
winnen. Wol nicht zufällig ist in der reichen Münchner Landschaftsschule nur.
ein einziger Landschaftsmaler, der durch seine Sonnenuntergangsbilder auch
sonst bekannte Zwengauer. durch ein feineres Gefühl für Horizontallinien aus¬
gezeichnet, dem sich in einzelnen Gemälden M. Zimmermann und Schleich an¬
schließen. Als Schulcharakter kann man füglich den Abgang dieses Gefühles,
so wie den Mangel an harmonischer Farbcneinheit, welche die einzelnen klei¬
nen Effecte in der Gesammtwirkung aufgehen läßt, angeben. Wahrhaft
mustergültig in letzterer Beziehung fanden wir dagegen einige aus Berlin ge¬
sendete Landschaften.

Nicht zum Tadel, sondern zu großem Lobe gereicht es W. Schirmer,
daß sein Sonnenuntergang mit dem Reflex auf dem Wasserspiegel an die besten
Zeiten Turners erinnert. Wir kennen Turners Wirken nur aus den Berichten


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[0150] Felsen über Felsen gestürzt, kein Baum in seiner natürlichen Lage gelassen, Gießbäche und Waldstrome ausführlich geschildert, auch die Luft wird mit schweren Wolkenmassen erfüllt, dies alles aber in ungewöhnlich großen Di¬ mensionen dargestellt. Der Zusammenhang mit der früher allgemein in Mün¬ chen herrschenden Kunstweise liegt offen zu Tage. Der monumentale Cha¬ rakter sollte annähernd auch der Landschaftsmalerei eingehaucht werden. Daß es in einzelnen Fällen gelang, zeigen Rottmanns Werke, nicht die im Glas¬ palast ausgestellten — nach diesen zu schließen wäre Rottmann ein gewöhn¬ licher Manierist gewesen, der alle Kraft einsehe, eine schreiend grelle Feuer¬ kugel auf die Leinwand zu bringen und dadurch alle Farbenharmonie zu zer¬ stören — sondern die berühmten griechischen Landschaften in der neuen Pina¬ kothek und vielleicht in noch höherem Grade die Bilder unter den Arkaden. Dagegen treten uns in Alb. Zimmermanns anspruchsvoll gemalten Land¬ schaften blos Werke von dccorativcm Werth entgegen, und auch da bleibt es zweifelhaft, ob die Wirkung eine dauernd angenehme sein wird. Verdienstlich ist immerhin Zimmermanns. Energie, und wo die Natur des Motives es mit sich bringt, wie z. B. in der Schilderung einer norddeutschen Ebene, fehlt es auch nicht an der ausdrucksvollen Farbcnstimmung. Ein desto größeres Recht hat aber dann die Kritik, auf den in andern Fällen eingeschlagenen Irrweg hinzuweisen. Es scheint im Allgemeinen die Münchner Sitte, in Alpenland¬ schaften die Studien zu holen und daselbst Auge und Hand zu bilden, auf die jüngern Künstler keinen günstigen Einfluß zu üben. Den schönen duftigen Luftton. der an den fernen Alpenhöhen bemerkbar wird, eignen sich dieselben zwar rasch an, wie denn selbst mittelmäßige Münchner Maler z. B> Haushofer, in der Behandlung des Hintergrundes Treffliches leisten, dagegen fehlt thuen regelmüßig der Sinn für das malerische Erfassen des Nahen, und ebenso be¬ mühen sie sich vergeblich, das massenhafte Detail harmonisch zu ordnen und dem¬ selben eine tiefere, an die Empfindung sprechende Gesammtstimmung abzuge¬ winnen. Wol nicht zufällig ist in der reichen Münchner Landschaftsschule nur. ein einziger Landschaftsmaler, der durch seine Sonnenuntergangsbilder auch sonst bekannte Zwengauer. durch ein feineres Gefühl für Horizontallinien aus¬ gezeichnet, dem sich in einzelnen Gemälden M. Zimmermann und Schleich an¬ schließen. Als Schulcharakter kann man füglich den Abgang dieses Gefühles, so wie den Mangel an harmonischer Farbcneinheit, welche die einzelnen klei¬ nen Effecte in der Gesammtwirkung aufgehen läßt, angeben. Wahrhaft mustergültig in letzterer Beziehung fanden wir dagegen einige aus Berlin ge¬ sendete Landschaften. Nicht zum Tadel, sondern zu großem Lobe gereicht es W. Schirmer, daß sein Sonnenuntergang mit dem Reflex auf dem Wasserspiegel an die besten Zeiten Turners erinnert. Wir kennen Turners Wirken nur aus den Berichten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/150>, abgerufen am 30.06.2024.