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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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digkcit wurde. Bevor jedoch derselbe zur Ausführung kam, hatte sich die par¬
lamentarische Kritik gleichermaßen einschneidend, sowol in materieller als prin¬
cipieller Beziehung auch gegen das Gewähren des Ministeriums des Innern
gewendet. In principieller Beziehung entflammte sich aber der Kampf ganz
speciell bei den sogenannten "unbenannten Ausgaben". Es ist bekannt, daß
der größte Theil derselben zur Subvention der officiösen und officiellen Presse
dient. Hierbei ward ganz namentlich hervorgehoben und betont, wie die ge-
sammte Haltung dieser einheimischen Blätter und der leicht erkenntlichen Ar¬
tikel ihrer Besoldeten in ausländischen Zeitungen vollkommen grundgesetzfeind¬
lichen Charakters sei. Habe man darin die Ansichten der Regierung zu
erblicken, so müsse man gradezu an eine Bedrohung und absichtliche Untergra¬
bung des gesammten constitutionellen Lebens durch die auf die Constitution
verpflichteten, für ihre Ausführung verantwortlichen Organe glauben, es bleibe
der Landesvertretung nichts übrig, als sich direct an das Staatsoberhaupt
zu wenden. Umsonst suchte die Negierung. wie noch immer, jede Solidarität
mit dem nichtamtlichen Theil der officiellen Blätter, vollends aber jeden Zu¬
sammenhang mit den als inspinrt und subvenirt geltenden Journalen und
Artikelschreibern abzulehnen; umsonst versprach man auch vom Ministertisch
Verbesserungen in der Organisation der officiösen Journalistik. Der Damm
der Zurückhaltung war zusammengebrochen, und alles, was die Kammer seit
sechs Jahren in dem Bestreben, mit dem Ministerium zu gehen, unter Ueber¬
windung ihrer besseren Ueberzeugungen zurückgedrängt, brach sich jetzt Bahn.
Die späte Vorlegung des Budgets spielte keine geringe Rolle; man betrachtete
sie als eine Absichtlichkeit, darauf berechnet, dem Landtag, dessen Mandat
am 24. Juli zu Ende ging, keine genügende Zeit zur speciellen Prüfung der
einzelnen Ansätze zu lassen. So erfolgte der Antrag von 25 Mitgliedern des
Centrums, unter Führung des Herrn v. Lerchenfeld, daß eine Adresse an
den König erlassen werde, worin die Bitte enthalten sein solle, das Budget
blos aus zwei Jahre feststellen zu dürfen (20. März.).

Doch -nicht dies allein. Vielmehr solle die- Adresse dem König zugleich
darlegen, wie die Kammer während ihrer sechsjährigen Wirksamkeit nur un¬
vollständig ihre Aufgabe habe erfüllen können. Daraus seien in verschiedenen
Zweigen der Staatsverwaltung, insbesondere in der Justiz, schwere Mißstände
heunisch geworden; endlich sei auch das vorgelegte Budget bis zum Endter¬
min des Kammermandats unmöglich zu erledigen. Trotz des am Mimster-
tlsch bis zum Aeußersten gesteigerten Widerstandes ward der Antrag auf eine
solche Adresse nach verhältnißmäßig kurzer Debatte mit 78 gegen 37 Stim¬
men genehmigt und sofort (Abends) ein Adrcßausschuß gewählt, welcher den
Präsidenten der Kammer mit der Abfassung des Schriftstückes beauftragte.
Nachdem aber die Versammlung wenige Tage nachher zum Schluß ihrer vor-


digkcit wurde. Bevor jedoch derselbe zur Ausführung kam, hatte sich die par¬
lamentarische Kritik gleichermaßen einschneidend, sowol in materieller als prin¬
cipieller Beziehung auch gegen das Gewähren des Ministeriums des Innern
gewendet. In principieller Beziehung entflammte sich aber der Kampf ganz
speciell bei den sogenannten „unbenannten Ausgaben". Es ist bekannt, daß
der größte Theil derselben zur Subvention der officiösen und officiellen Presse
dient. Hierbei ward ganz namentlich hervorgehoben und betont, wie die ge-
sammte Haltung dieser einheimischen Blätter und der leicht erkenntlichen Ar¬
tikel ihrer Besoldeten in ausländischen Zeitungen vollkommen grundgesetzfeind¬
lichen Charakters sei. Habe man darin die Ansichten der Regierung zu
erblicken, so müsse man gradezu an eine Bedrohung und absichtliche Untergra¬
bung des gesammten constitutionellen Lebens durch die auf die Constitution
verpflichteten, für ihre Ausführung verantwortlichen Organe glauben, es bleibe
der Landesvertretung nichts übrig, als sich direct an das Staatsoberhaupt
zu wenden. Umsonst suchte die Negierung. wie noch immer, jede Solidarität
mit dem nichtamtlichen Theil der officiellen Blätter, vollends aber jeden Zu¬
sammenhang mit den als inspinrt und subvenirt geltenden Journalen und
Artikelschreibern abzulehnen; umsonst versprach man auch vom Ministertisch
Verbesserungen in der Organisation der officiösen Journalistik. Der Damm
der Zurückhaltung war zusammengebrochen, und alles, was die Kammer seit
sechs Jahren in dem Bestreben, mit dem Ministerium zu gehen, unter Ueber¬
windung ihrer besseren Ueberzeugungen zurückgedrängt, brach sich jetzt Bahn.
Die späte Vorlegung des Budgets spielte keine geringe Rolle; man betrachtete
sie als eine Absichtlichkeit, darauf berechnet, dem Landtag, dessen Mandat
am 24. Juli zu Ende ging, keine genügende Zeit zur speciellen Prüfung der
einzelnen Ansätze zu lassen. So erfolgte der Antrag von 25 Mitgliedern des
Centrums, unter Führung des Herrn v. Lerchenfeld, daß eine Adresse an
den König erlassen werde, worin die Bitte enthalten sein solle, das Budget
blos aus zwei Jahre feststellen zu dürfen (20. März.).

Doch -nicht dies allein. Vielmehr solle die- Adresse dem König zugleich
darlegen, wie die Kammer während ihrer sechsjährigen Wirksamkeit nur un¬
vollständig ihre Aufgabe habe erfüllen können. Daraus seien in verschiedenen
Zweigen der Staatsverwaltung, insbesondere in der Justiz, schwere Mißstände
heunisch geworden; endlich sei auch das vorgelegte Budget bis zum Endter¬
min des Kammermandats unmöglich zu erledigen. Trotz des am Mimster-
tlsch bis zum Aeußersten gesteigerten Widerstandes ward der Antrag auf eine
solche Adresse nach verhältnißmäßig kurzer Debatte mit 78 gegen 37 Stim¬
men genehmigt und sofort (Abends) ein Adrcßausschuß gewählt, welcher den
Präsidenten der Kammer mit der Abfassung des Schriftstückes beauftragte.
Nachdem aber die Versammlung wenige Tage nachher zum Schluß ihrer vor-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/135>, abgerufen am 05.07.2024.