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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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Lande, das mit Preußen so manche Aehnlichkeit hat, sich bewährt hat,
etwas von dem ein rss agitui- fühlen. Alan muß Sardinien Glück
wünschen, daß es eine Reihe bedeutender Männer gefunden, w,elche sich um
die neuen Institutionen geschart haben, besonders aber auch, daß es einen
König hat, welcher dieselben gedeihen läßt. Man sagt, er beschäftige sich
nicht viel mit den innern Angelegenheiten, indeß wir glauben, daß dies für
einen konstitutionellen König eher empfehlend als tadelnswert!) ist. Wie dem
aber sei. er hat in kritischen Momenten nicht nur die größte Loyalität, son¬
dern auch deu gesundesten Blick gezeigt. Ein glänzendes Beispiel hierfür ist
folgendes. Als nach dem unglücklichen Frieden das Ministerium durch die
demokratische Majorität heftig angegriffen ward und infolgedessen die Kam¬
mer auflöste, erließ der König eine Proklamation an sein Volk. "Durch die*
Auflösung," sagte er darin, "laufen die Freiheiten des Landes keine Gefahr,
sie sind durch die Erinnerung an meinen erlauchten Vater beschützt und der
Ehre des Hauses Savoyen anvertraut. Ich habe in einer frühern Proclama-
tion den Wählern ans Herz gelegt, das Statut nicht unmöglich zu machen,
aber die Kammer ist feindlich gegen die Krone aufgetreten. Es ist ihr Recht,
aber ich darf von ihr deshalb strenge Rechenschaft fordern, ich habe mit Oest¬
reich einen ehrenhaften und nicht zu nachteiligen Frieden geschlossen, das
Staatswohl forderte es, und die Ehre des Landes wie mein Eid forderten
getreue Erfüllung. Meine Regierung verlangte die Zustimmung der Kammer
dazu, und diese fügte eine Bedingung hinzu, welche ihre Zustimmung un¬
annehmbar machte. Ich habe geschworen, die Gerechtigkeit und die Freiheit
eines jeden nach seinem Rechte aufrechtzuerhalten, ich habe diese Verspre¬
chungen erfüllt, indem ich eine unmöglich gewordene Kaminer auflöste und
eine andere berufen habe. Aber wenn das Land, wenn die Wähler mir ihre
Unterstützung verweigern, so fällt die Verantwortlichkeit für die Zukunft nicht
mehr auf mich, sie werden sich über sich selbst allein zu beklagen haben." --
Kann man ehrenhafter und verständiger sprechen? Die Ansprache verfehlte ihre
Wirkung nicht, und die Wahlen gaben dem Ministerium eine ansehnliche
Mehrheit.

Drei Männer sind es vorzüglich, die unter denen, welche sich seit der
neuen Ordnung der Dinge ausgezeichnet, hervorragen. Azcglio, Cavour und
Natazzi. Azeglio hatte schon vor 1848 einen Namen in ganz Italien. Aus
alter Familie entsprossen, hatte ihn der vornehme Müßiggang des Militär¬
lebens im Frieden abgestoßen; er widmete sich der Malerei und zeichnete sich
als Landschafter aus, zugleich schrieb er in längern Zwischenräumen die drei
historisch politischen Romane Ettore Fieramosca, Nicola de Lassi und die Casi
ti Romagna, in welchen unter geschichtlicher Einkleidung ebenso warm die
Unabhängigkeit Italiens verfochten, als die revolutionären Sympathien zurück-


Lande, das mit Preußen so manche Aehnlichkeit hat, sich bewährt hat,
etwas von dem ein rss agitui- fühlen. Alan muß Sardinien Glück
wünschen, daß es eine Reihe bedeutender Männer gefunden, w,elche sich um
die neuen Institutionen geschart haben, besonders aber auch, daß es einen
König hat, welcher dieselben gedeihen läßt. Man sagt, er beschäftige sich
nicht viel mit den innern Angelegenheiten, indeß wir glauben, daß dies für
einen konstitutionellen König eher empfehlend als tadelnswert!) ist. Wie dem
aber sei. er hat in kritischen Momenten nicht nur die größte Loyalität, son¬
dern auch deu gesundesten Blick gezeigt. Ein glänzendes Beispiel hierfür ist
folgendes. Als nach dem unglücklichen Frieden das Ministerium durch die
demokratische Majorität heftig angegriffen ward und infolgedessen die Kam¬
mer auflöste, erließ der König eine Proklamation an sein Volk. „Durch die*
Auflösung," sagte er darin, „laufen die Freiheiten des Landes keine Gefahr,
sie sind durch die Erinnerung an meinen erlauchten Vater beschützt und der
Ehre des Hauses Savoyen anvertraut. Ich habe in einer frühern Proclama-
tion den Wählern ans Herz gelegt, das Statut nicht unmöglich zu machen,
aber die Kammer ist feindlich gegen die Krone aufgetreten. Es ist ihr Recht,
aber ich darf von ihr deshalb strenge Rechenschaft fordern, ich habe mit Oest¬
reich einen ehrenhaften und nicht zu nachteiligen Frieden geschlossen, das
Staatswohl forderte es, und die Ehre des Landes wie mein Eid forderten
getreue Erfüllung. Meine Regierung verlangte die Zustimmung der Kammer
dazu, und diese fügte eine Bedingung hinzu, welche ihre Zustimmung un¬
annehmbar machte. Ich habe geschworen, die Gerechtigkeit und die Freiheit
eines jeden nach seinem Rechte aufrechtzuerhalten, ich habe diese Verspre¬
chungen erfüllt, indem ich eine unmöglich gewordene Kaminer auflöste und
eine andere berufen habe. Aber wenn das Land, wenn die Wähler mir ihre
Unterstützung verweigern, so fällt die Verantwortlichkeit für die Zukunft nicht
mehr auf mich, sie werden sich über sich selbst allein zu beklagen haben." —
Kann man ehrenhafter und verständiger sprechen? Die Ansprache verfehlte ihre
Wirkung nicht, und die Wahlen gaben dem Ministerium eine ansehnliche
Mehrheit.

Drei Männer sind es vorzüglich, die unter denen, welche sich seit der
neuen Ordnung der Dinge ausgezeichnet, hervorragen. Azcglio, Cavour und
Natazzi. Azeglio hatte schon vor 1848 einen Namen in ganz Italien. Aus
alter Familie entsprossen, hatte ihn der vornehme Müßiggang des Militär¬
lebens im Frieden abgestoßen; er widmete sich der Malerei und zeichnete sich
als Landschafter aus, zugleich schrieb er in längern Zwischenräumen die drei
historisch politischen Romane Ettore Fieramosca, Nicola de Lassi und die Casi
ti Romagna, in welchen unter geschichtlicher Einkleidung ebenso warm die
Unabhängigkeit Italiens verfochten, als die revolutionären Sympathien zurück-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/104>, abgerufen am 02.07.2024.