den bereits jeder vernünftigen Grundlage entbehrenden Wechselverkehr wieder in Schwung bringen und so ward der Garantiediscvntoverein begründet. Er half natürlich nichts, da es nun nicht mehr darauf ankam, den tiefen Schaden zu bekleistern. sondern die schädlichen Elemente gänzlich zu beseitigen. Und als man in Hamburg erkannte, daß er nichts half, da kamen die Tage der Rathlosigkeit und der Verzweiflung, und die stolze Hamburger Börse warf sich hilfeflehend dem Staate zu Füßen. Die wildesten Projecte gingen von der Börse aus und wurden vom Börsenvorstand befürwortet; sie scheiterten nur am Rest von Besonnenheit, der beim Senate geblieben war. Im Wesentlichen gelang es jedoch der "Börse", den "Senat" an seinen Wagen zu spannen; er mußte helfen. Wie konnte er auch einem Andrang widersteh", der nirgendwo in dieser Handelsrepublik ein Gegengewicht fand. Schlimmer und schlimmer wurde es, und selbst die eifrigsten Anhänger der Staatshilse konnten derselben nur das Eine nachsagen, daß sie dem. Allerschlimmsten vorgebeugt hätte. Andere freilich sagen, daß das nur aus Kosten anderer Uebelstände geschehen sei, die sich vielleicht erst in der Zukunft entwickeln werden. Als dann' die Hamburger Börse der Herd eines allgemeinen Bankerotts ward, mußte für ein rascheres Abwickeln und besonders für den Schutz solcher Handlungshäuser gesorgt werden, die mehr durch die Zeitunistände als durch eigne Schuld in das Berhängniß hineingerathen waren. Es spricht ganz gewiß nicht zu Gun¬ sten der Hamburger Börse, daß auch diese Maßregel zum Bortheil des um¬ fangreichsten Schwindels und der baarsten Insolvenz gemißbraucht werden konnte, eine Bortehrung, die schon jetzt für den hamburgischen Credit sehr traurige Folgen gehabt hat, wie denn auch ihre Rückwirkungen auf die Mo¬ ralität der Hamburger Börse schwerlich ausbleibe" werden.
Die Folgen der Hamburger Krisis auf den H andelsvertehr in und außerhalb Deutschlands waren ungeheuer. Das hatte man nicht erwar¬ tet und konnte man nicht erwarten - man glaubte auf Felsen gebaut zu haben und es war ein feuerspeiender Berg gewesen. Der ganze nordische Handel in Dänemark, Norwegen und Schweden war bis aus seine Grundfesten er¬ schüttert; freilich war von Hamburg aus die Wechselreiterei nirgend so statt betrieben worden als dorthin. In Deutschland waren gleichzeitig oder un¬ mittelbar vorher ähnliche Crediterschütterungen vorgekommen, namentlich an der Ostsee und i" Berlin. Auch hier war vieles ungesund und morsch ge¬ worden; aber es konnte nicht so verheerend wirken, da es nur an der Peri¬ pherie, nicht, im eigentlichen Mittelpunkt des deutschen Handelsverkehrs lag. Der berliner Waarenhandel und der daran sich schließende Wechselverkehr hält keinen Bergleich mit dem Hamburger aus und hat, so weit er nicht nach Ham¬ burg oder Bremen gerichtet ist. auch vorzugsweise nur inländische Beziehun¬ gen. Auch in Bremen ward die Krisis jlark gefühlt und eine Reihe von zum
den bereits jeder vernünftigen Grundlage entbehrenden Wechselverkehr wieder in Schwung bringen und so ward der Garantiediscvntoverein begründet. Er half natürlich nichts, da es nun nicht mehr darauf ankam, den tiefen Schaden zu bekleistern. sondern die schädlichen Elemente gänzlich zu beseitigen. Und als man in Hamburg erkannte, daß er nichts half, da kamen die Tage der Rathlosigkeit und der Verzweiflung, und die stolze Hamburger Börse warf sich hilfeflehend dem Staate zu Füßen. Die wildesten Projecte gingen von der Börse aus und wurden vom Börsenvorstand befürwortet; sie scheiterten nur am Rest von Besonnenheit, der beim Senate geblieben war. Im Wesentlichen gelang es jedoch der „Börse", den „Senat" an seinen Wagen zu spannen; er mußte helfen. Wie konnte er auch einem Andrang widersteh», der nirgendwo in dieser Handelsrepublik ein Gegengewicht fand. Schlimmer und schlimmer wurde es, und selbst die eifrigsten Anhänger der Staatshilse konnten derselben nur das Eine nachsagen, daß sie dem. Allerschlimmsten vorgebeugt hätte. Andere freilich sagen, daß das nur aus Kosten anderer Uebelstände geschehen sei, die sich vielleicht erst in der Zukunft entwickeln werden. Als dann' die Hamburger Börse der Herd eines allgemeinen Bankerotts ward, mußte für ein rascheres Abwickeln und besonders für den Schutz solcher Handlungshäuser gesorgt werden, die mehr durch die Zeitunistände als durch eigne Schuld in das Berhängniß hineingerathen waren. Es spricht ganz gewiß nicht zu Gun¬ sten der Hamburger Börse, daß auch diese Maßregel zum Bortheil des um¬ fangreichsten Schwindels und der baarsten Insolvenz gemißbraucht werden konnte, eine Bortehrung, die schon jetzt für den hamburgischen Credit sehr traurige Folgen gehabt hat, wie denn auch ihre Rückwirkungen auf die Mo¬ ralität der Hamburger Börse schwerlich ausbleibe» werden.
Die Folgen der Hamburger Krisis auf den H andelsvertehr in und außerhalb Deutschlands waren ungeheuer. Das hatte man nicht erwar¬ tet und konnte man nicht erwarten - man glaubte auf Felsen gebaut zu haben und es war ein feuerspeiender Berg gewesen. Der ganze nordische Handel in Dänemark, Norwegen und Schweden war bis aus seine Grundfesten er¬ schüttert; freilich war von Hamburg aus die Wechselreiterei nirgend so statt betrieben worden als dorthin. In Deutschland waren gleichzeitig oder un¬ mittelbar vorher ähnliche Crediterschütterungen vorgekommen, namentlich an der Ostsee und i» Berlin. Auch hier war vieles ungesund und morsch ge¬ worden; aber es konnte nicht so verheerend wirken, da es nur an der Peri¬ pherie, nicht, im eigentlichen Mittelpunkt des deutschen Handelsverkehrs lag. Der berliner Waarenhandel und der daran sich schließende Wechselverkehr hält keinen Bergleich mit dem Hamburger aus und hat, so weit er nicht nach Ham¬ burg oder Bremen gerichtet ist. auch vorzugsweise nur inländische Beziehun¬ gen. Auch in Bremen ward die Krisis jlark gefühlt und eine Reihe von zum
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den bereits jeder vernünftigen Grundlage entbehrenden Wechselverkehr wieder
in Schwung bringen und so ward der Garantiediscvntoverein begründet. Er
half natürlich nichts, da es nun nicht mehr darauf ankam, den tiefen Schaden
zu bekleistern. sondern die schädlichen Elemente gänzlich zu beseitigen. Und
als man in Hamburg erkannte, daß er nichts half, da kamen die Tage der
Rathlosigkeit und der Verzweiflung, und die stolze Hamburger Börse warf sich
hilfeflehend dem Staate zu Füßen. Die wildesten Projecte gingen von der
Börse aus und wurden vom Börsenvorstand befürwortet; sie scheiterten nur
am Rest von Besonnenheit, der beim Senate geblieben war. Im Wesentlichen
gelang es jedoch der „Börse", den „Senat" an seinen Wagen zu spannen;
er mußte helfen. Wie konnte er auch einem Andrang widersteh», der nirgendwo
in dieser Handelsrepublik ein Gegengewicht fand. Schlimmer und schlimmer
wurde es, und selbst die eifrigsten Anhänger der Staatshilse konnten derselben
nur das Eine nachsagen, daß sie dem. Allerschlimmsten vorgebeugt hätte.
Andere freilich sagen, daß das nur aus Kosten anderer Uebelstände geschehen
sei, die sich vielleicht erst in der Zukunft entwickeln werden. Als dann' die
Hamburger Börse der Herd eines allgemeinen Bankerotts ward, mußte für ein
rascheres Abwickeln und besonders für den Schutz solcher Handlungshäuser
gesorgt werden, die mehr durch die Zeitunistände als durch eigne Schuld in
das Berhängniß hineingerathen waren. Es spricht ganz gewiß nicht zu Gun¬
sten der Hamburger Börse, daß auch diese Maßregel zum Bortheil des um¬
fangreichsten Schwindels und der baarsten Insolvenz gemißbraucht werden
konnte, eine Bortehrung, die schon jetzt für den hamburgischen Credit sehr
traurige Folgen gehabt hat, wie denn auch ihre Rückwirkungen auf die Mo¬
ralität der Hamburger Börse schwerlich ausbleibe» werden.
Die Folgen der Hamburger Krisis auf den H andelsvertehr in
und außerhalb Deutschlands waren ungeheuer. Das hatte man nicht erwar¬
tet und konnte man nicht erwarten - man glaubte auf Felsen gebaut zu haben
und es war ein feuerspeiender Berg gewesen. Der ganze nordische Handel
in Dänemark, Norwegen und Schweden war bis aus seine Grundfesten er¬
schüttert; freilich war von Hamburg aus die Wechselreiterei nirgend so statt
betrieben worden als dorthin. In Deutschland waren gleichzeitig oder un¬
mittelbar vorher ähnliche Crediterschütterungen vorgekommen, namentlich an
der Ostsee und i» Berlin. Auch hier war vieles ungesund und morsch ge¬
worden; aber es konnte nicht so verheerend wirken, da es nur an der Peri¬
pherie, nicht, im eigentlichen Mittelpunkt des deutschen Handelsverkehrs lag.
Der berliner Waarenhandel und der daran sich schließende Wechselverkehr hält
keinen Bergleich mit dem Hamburger aus und hat, so weit er nicht nach Ham¬
burg oder Bremen gerichtet ist. auch vorzugsweise nur inländische Beziehun¬
gen. Auch in Bremen ward die Krisis jlark gefühlt und eine Reihe von zum
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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/82>, abgerufen am 05.01.2025.
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