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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

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Abneigung gegen die unbeschränkte Gewalt, der man nur durch das Gleichgewicht
der Staaten entflieht, durch die Möglichkeit, den Herrn zu wechseln. Es ist
begreiflich, daß der Geschichtschreiber der Schweiz die Gefahr der Weltmonarchie
hauptsächlich in Oestreich sieht. In einem Vries an Schlözer, August 1774. sieht
er "die Armeen und Reichthümer van Habsburg den Grund einer gewaltigen
Monarchie legen, überhaupt uns Barbaren des Nordens, nachdem die große
Erbschaft Roms unter großem Gezänk endlich ausgetheilt ist, an der Gründung
neuer Weltmonarchien arbeiten, und den Despotismus, so viel des Landes
Natur erlaubt, durch die Reunion der Gewalt im Norden des Hcmisphäriums
aufkeimen, die Freiheit am Ende ihrer großen im Osten angefangenen Lauf¬
bahn an der äußersten europäischen Grenze, in England, durch das National¬
verderben geärgert, ") auf den Flug nach andern Küsten begriffen. Europa
aber sinkt zurück in die Nacht der Tyrannei. Es ist eine Classe leidiger Tröster aus
der Schule Rousseaus und einiger Encyklopädisten, welche von dem Naturrecht,
einem ('out^-rot "vel-U, einer allgemeinen Gleichheit und den Vorzügen der
Demokratie schreiben, wie Descartes von seinen Wirbeln, Grundsätze setzen,
Folgen daraus ziehen, das große Schauspiel der Universalhistorie aber nur
aus Bossuet und Jselin kennen. Ihre Chimären untergraben die Throne, denn
sie entfremden den Verfassungen die Herzen der Unterthanen, sie machen auch
letztere unglücklich durch unvorsichtige Empfehlungen gewisser, zur Zeit un¬
möglicher Systeme und Grundsätze. Ich sehe unsere Zeit schwanger an großen
Veränderungen, und unser Jahrhundert das Glück oder Verderben vieler fol¬
genden bereiten." "Ich will Betrachtungen anstellen über die Grundsätze dieser
sämmtlichen Legislationen und Monarchien, die Ursachen ihrer Größe, die
Principien ihrer Zerstörung, und wenn ich 2V--30 Jahre L!o"sia6i'g.tioii!z sur
I"8 vimsvs av 1-1 Mituäkm- et ac Is, Söeaclellee ac tous los xeuxlvs Ap
I'vuiver-L studirt habe, will ich hingehn auf den Montblanc, alle diese Aus¬
sichten in einen Augpunkt sammeln, welcher die Ontologie der Politik werden
soll, diesen großen Zerstörern der nordischen Verfassungen meine Beobachtungen
über das bestmögliche Wohl ihrer Staaten mittheilen, aber den Archonten, Kon¬
suln. Bürgermeistern, Schultheißen. Landamman und Räthen der freien Repub¬
liken Canada, der Eskimos und Patagonen in einem Buch die Erfahrungen
unserer Hemisphäre, die Frucht unsers Unglücks und unsrer jugendlichen Uner-
fahrenheit mittheilen. Aus solche Beobachtungen soll die Politik sich gründen,
so wahr sich Newtons Optik auf Experimente gründen mußte."

"Seit wir Barbaren aus Norden den Thron der Cäsaren zerstört haben, war
Europa uoch nie so nahe an der Reunion aller Gewalt in einigen Despoten.
Holland, die kleinen Staaten in Deutschland, Schweiz, Venedig, subsistiren in



*) Die Staatsschuld schien ihm die Quell.- des Untergangs,
8*

Abneigung gegen die unbeschränkte Gewalt, der man nur durch das Gleichgewicht
der Staaten entflieht, durch die Möglichkeit, den Herrn zu wechseln. Es ist
begreiflich, daß der Geschichtschreiber der Schweiz die Gefahr der Weltmonarchie
hauptsächlich in Oestreich sieht. In einem Vries an Schlözer, August 1774. sieht
er „die Armeen und Reichthümer van Habsburg den Grund einer gewaltigen
Monarchie legen, überhaupt uns Barbaren des Nordens, nachdem die große
Erbschaft Roms unter großem Gezänk endlich ausgetheilt ist, an der Gründung
neuer Weltmonarchien arbeiten, und den Despotismus, so viel des Landes
Natur erlaubt, durch die Reunion der Gewalt im Norden des Hcmisphäriums
aufkeimen, die Freiheit am Ende ihrer großen im Osten angefangenen Lauf¬
bahn an der äußersten europäischen Grenze, in England, durch das National¬
verderben geärgert, ") auf den Flug nach andern Küsten begriffen. Europa
aber sinkt zurück in die Nacht der Tyrannei. Es ist eine Classe leidiger Tröster aus
der Schule Rousseaus und einiger Encyklopädisten, welche von dem Naturrecht,
einem ('out^-rot »vel-U, einer allgemeinen Gleichheit und den Vorzügen der
Demokratie schreiben, wie Descartes von seinen Wirbeln, Grundsätze setzen,
Folgen daraus ziehen, das große Schauspiel der Universalhistorie aber nur
aus Bossuet und Jselin kennen. Ihre Chimären untergraben die Throne, denn
sie entfremden den Verfassungen die Herzen der Unterthanen, sie machen auch
letztere unglücklich durch unvorsichtige Empfehlungen gewisser, zur Zeit un¬
möglicher Systeme und Grundsätze. Ich sehe unsere Zeit schwanger an großen
Veränderungen, und unser Jahrhundert das Glück oder Verderben vieler fol¬
genden bereiten." „Ich will Betrachtungen anstellen über die Grundsätze dieser
sämmtlichen Legislationen und Monarchien, die Ursachen ihrer Größe, die
Principien ihrer Zerstörung, und wenn ich 2V—30 Jahre L!o»sia6i'g.tioii!z sur
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sichten in einen Augpunkt sammeln, welcher die Ontologie der Politik werden
soll, diesen großen Zerstörern der nordischen Verfassungen meine Beobachtungen
über das bestmögliche Wohl ihrer Staaten mittheilen, aber den Archonten, Kon¬
suln. Bürgermeistern, Schultheißen. Landamman und Räthen der freien Repub¬
liken Canada, der Eskimos und Patagonen in einem Buch die Erfahrungen
unserer Hemisphäre, die Frucht unsers Unglücks und unsrer jugendlichen Uner-
fahrenheit mittheilen. Aus solche Beobachtungen soll die Politik sich gründen,
so wahr sich Newtons Optik auf Experimente gründen mußte."

„Seit wir Barbaren aus Norden den Thron der Cäsaren zerstört haben, war
Europa uoch nie so nahe an der Reunion aller Gewalt in einigen Despoten.
Holland, die kleinen Staaten in Deutschland, Schweiz, Venedig, subsistiren in



*) Die Staatsschuld schien ihm die Quell.- des Untergangs,
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[0067] Abneigung gegen die unbeschränkte Gewalt, der man nur durch das Gleichgewicht der Staaten entflieht, durch die Möglichkeit, den Herrn zu wechseln. Es ist begreiflich, daß der Geschichtschreiber der Schweiz die Gefahr der Weltmonarchie hauptsächlich in Oestreich sieht. In einem Vries an Schlözer, August 1774. sieht er „die Armeen und Reichthümer van Habsburg den Grund einer gewaltigen Monarchie legen, überhaupt uns Barbaren des Nordens, nachdem die große Erbschaft Roms unter großem Gezänk endlich ausgetheilt ist, an der Gründung neuer Weltmonarchien arbeiten, und den Despotismus, so viel des Landes Natur erlaubt, durch die Reunion der Gewalt im Norden des Hcmisphäriums aufkeimen, die Freiheit am Ende ihrer großen im Osten angefangenen Lauf¬ bahn an der äußersten europäischen Grenze, in England, durch das National¬ verderben geärgert, ") auf den Flug nach andern Küsten begriffen. Europa aber sinkt zurück in die Nacht der Tyrannei. Es ist eine Classe leidiger Tröster aus der Schule Rousseaus und einiger Encyklopädisten, welche von dem Naturrecht, einem ('out^-rot »vel-U, einer allgemeinen Gleichheit und den Vorzügen der Demokratie schreiben, wie Descartes von seinen Wirbeln, Grundsätze setzen, Folgen daraus ziehen, das große Schauspiel der Universalhistorie aber nur aus Bossuet und Jselin kennen. Ihre Chimären untergraben die Throne, denn sie entfremden den Verfassungen die Herzen der Unterthanen, sie machen auch letztere unglücklich durch unvorsichtige Empfehlungen gewisser, zur Zeit un¬ möglicher Systeme und Grundsätze. Ich sehe unsere Zeit schwanger an großen Veränderungen, und unser Jahrhundert das Glück oder Verderben vieler fol¬ genden bereiten." „Ich will Betrachtungen anstellen über die Grundsätze dieser sämmtlichen Legislationen und Monarchien, die Ursachen ihrer Größe, die Principien ihrer Zerstörung, und wenn ich 2V—30 Jahre L!o»sia6i'g.tioii!z sur I«8 vimsvs av 1-1 Mituäkm- et ac Is, Söeaclellee ac tous los xeuxlvs Ap I'vuiver-L studirt habe, will ich hingehn auf den Montblanc, alle diese Aus¬ sichten in einen Augpunkt sammeln, welcher die Ontologie der Politik werden soll, diesen großen Zerstörern der nordischen Verfassungen meine Beobachtungen über das bestmögliche Wohl ihrer Staaten mittheilen, aber den Archonten, Kon¬ suln. Bürgermeistern, Schultheißen. Landamman und Räthen der freien Repub¬ liken Canada, der Eskimos und Patagonen in einem Buch die Erfahrungen unserer Hemisphäre, die Frucht unsers Unglücks und unsrer jugendlichen Uner- fahrenheit mittheilen. Aus solche Beobachtungen soll die Politik sich gründen, so wahr sich Newtons Optik auf Experimente gründen mußte." „Seit wir Barbaren aus Norden den Thron der Cäsaren zerstört haben, war Europa uoch nie so nahe an der Reunion aller Gewalt in einigen Despoten. Holland, die kleinen Staaten in Deutschland, Schweiz, Venedig, subsistiren in *) Die Staatsschuld schien ihm die Quell.- des Untergangs, 8*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/67>, abgerufen am 21.12.2024.