Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

düster genug. Der achtzigjährige Bischof von Tricala faßte bei der officiellen
Begrüßung die Lage des Landes in folgende Worte zusammen i "Es scheint,
alle physischen, moralischen und politischen Plagen haben sich vereinigt, um
diese unglückliche Republik zu unterdrücken. TKeurung der Lebensmittel, be-
Nagcnswerthes Stocken des Ackerbaus aus Gründen, die Sie kennen, Ungemach
der Familien, drohende Reclamation einiger fremden Machte, Krankheiten und
Erdbeben, eisiges Stillschweigen der Presse, dieser gesetzlichen Sprache der
Völker, um ihrem Kummer Worte zu geben, ein erschöpfter Staatsschatz, der
für die einfachsten Forderungen des öffentlichen Dienstes nicht hinreicht, eine
unermeßliche Schuld, die auf u" Generationen lasten wird, die Agiotage ge-
trieben bis zum Scandal, die Gerechtigkeit mit Füßen getreten. Drohungen
von Mord ausgestoßen gegen gewisse Classen der Gesellschaft. Raub und Todt¬
schlag begangen durch unbekannte Hände, Bürger und Militärs im Exil, un>
versöhnliche Parteien. Bürgerkrieg allentlialben - das, General, ist eine flüchtige
Skizze der Plagen, denen abzuhelfen Sie berufen sind . . ," -- Der Präsident
verhehlte weder sich noch andern gegenüber die Wahrheit dieser Thatsachen
und hörte ruhig die Anklagen gegen die Verwaltung seines Bindern an. In
seiner Botschaft an den Kongreß an, tL Febr. erkannte er die allgemeine
Anarchie an, verwarf factisch viele Acte seines Bruders so wie seine ultra¬
demokratischen Tendenzen und Begünstigung der Neger, und ließ es an Ver¬
sprechungen nicht fehlen. Vor allem that dem Lande Ruhe. Ruhe um jeden
Preis noth, und offenbar betrachtete er sich als den Mann, sie zu erhalten.
Minister und Staatsrath wurden gewechselt, Versöhnung alles Hasses ver¬
heißen.

So schön diese pomphaften Zusagen klangen, so verblich doch bald genug
Wieder das Grün der Hoffnung, als man sah, daß das nothwendigste Mittel
der Versöhnung, eine Amnestie, aufs unbestimmte hinausgeschoben wurde.
Es zeigte sich nur zu klar- die Sachen blieben im Wesen wie sie waren, und
bald brach dazu die Eholera über Stadt und Land herein, um den Becher
des Leidens bis auf den Grund erproben zu lassen. Aus Mangel an Arbeitskräf¬
ten verdarb theilweise die Ernte; enorme Theurung des Fleisches und Gemüses
machte Aufhebung des Einfuhrzolles für gewisse Artikel nothwendig, Handel
und Wandel stockte, und mitten im Reichthume einer tropischen Natur liefen
die ärmern Classen Gefahr, Hunger zu leiden.

Monagas war so klug, möglichst den Schein zu wahren, um desto sichrer
sein Ziel zu erreichen. Dieses war kein andres als unumschränkt zu regieren
und seine Amtsfrist zu verlängern. Im Grunde schielte er stets nach der Dic-
tatur. übte sie factisch aus. hatte aver nicht den Muth, die Verantwortlichkeit
dafür mit sammt ihren Titeln und Borrechten offen zu übernehmen. Daher


K5*

düster genug. Der achtzigjährige Bischof von Tricala faßte bei der officiellen
Begrüßung die Lage des Landes in folgende Worte zusammen i „Es scheint,
alle physischen, moralischen und politischen Plagen haben sich vereinigt, um
diese unglückliche Republik zu unterdrücken. TKeurung der Lebensmittel, be-
Nagcnswerthes Stocken des Ackerbaus aus Gründen, die Sie kennen, Ungemach
der Familien, drohende Reclamation einiger fremden Machte, Krankheiten und
Erdbeben, eisiges Stillschweigen der Presse, dieser gesetzlichen Sprache der
Völker, um ihrem Kummer Worte zu geben, ein erschöpfter Staatsschatz, der
für die einfachsten Forderungen des öffentlichen Dienstes nicht hinreicht, eine
unermeßliche Schuld, die auf u» Generationen lasten wird, die Agiotage ge-
trieben bis zum Scandal, die Gerechtigkeit mit Füßen getreten. Drohungen
von Mord ausgestoßen gegen gewisse Classen der Gesellschaft. Raub und Todt¬
schlag begangen durch unbekannte Hände, Bürger und Militärs im Exil, un>
versöhnliche Parteien. Bürgerkrieg allentlialben - das, General, ist eine flüchtige
Skizze der Plagen, denen abzuhelfen Sie berufen sind . . ," — Der Präsident
verhehlte weder sich noch andern gegenüber die Wahrheit dieser Thatsachen
und hörte ruhig die Anklagen gegen die Verwaltung seines Bindern an. In
seiner Botschaft an den Kongreß an, tL Febr. erkannte er die allgemeine
Anarchie an, verwarf factisch viele Acte seines Bruders so wie seine ultra¬
demokratischen Tendenzen und Begünstigung der Neger, und ließ es an Ver¬
sprechungen nicht fehlen. Vor allem that dem Lande Ruhe. Ruhe um jeden
Preis noth, und offenbar betrachtete er sich als den Mann, sie zu erhalten.
Minister und Staatsrath wurden gewechselt, Versöhnung alles Hasses ver¬
heißen.

So schön diese pomphaften Zusagen klangen, so verblich doch bald genug
Wieder das Grün der Hoffnung, als man sah, daß das nothwendigste Mittel
der Versöhnung, eine Amnestie, aufs unbestimmte hinausgeschoben wurde.
Es zeigte sich nur zu klar- die Sachen blieben im Wesen wie sie waren, und
bald brach dazu die Eholera über Stadt und Land herein, um den Becher
des Leidens bis auf den Grund erproben zu lassen. Aus Mangel an Arbeitskräf¬
ten verdarb theilweise die Ernte; enorme Theurung des Fleisches und Gemüses
machte Aufhebung des Einfuhrzolles für gewisse Artikel nothwendig, Handel
und Wandel stockte, und mitten im Reichthume einer tropischen Natur liefen
die ärmern Classen Gefahr, Hunger zu leiden.

Monagas war so klug, möglichst den Schein zu wahren, um desto sichrer
sein Ziel zu erreichen. Dieses war kein andres als unumschränkt zu regieren
und seine Amtsfrist zu verlängern. Im Grunde schielte er stets nach der Dic-
tatur. übte sie factisch aus. hatte aver nicht den Muth, die Verantwortlichkeit
dafür mit sammt ihren Titeln und Borrechten offen zu übernehmen. Daher


K5*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0523" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/186936"/>
            <p xml:id="ID_1184" prev="#ID_1183"> düster genug. Der achtzigjährige Bischof von Tricala faßte bei der officiellen<lb/>
Begrüßung die Lage des Landes in folgende Worte zusammen i &#x201E;Es scheint,<lb/>
alle physischen, moralischen und politischen Plagen haben sich vereinigt, um<lb/>
diese unglückliche Republik zu unterdrücken. TKeurung der Lebensmittel, be-<lb/>
Nagcnswerthes Stocken des Ackerbaus aus Gründen, die Sie kennen, Ungemach<lb/>
der Familien, drohende Reclamation einiger fremden Machte, Krankheiten und<lb/>
Erdbeben, eisiges Stillschweigen der Presse, dieser gesetzlichen Sprache der<lb/>
Völker, um ihrem Kummer Worte zu geben, ein erschöpfter Staatsschatz, der<lb/>
für die einfachsten Forderungen des öffentlichen Dienstes nicht hinreicht, eine<lb/>
unermeßliche Schuld, die auf u» Generationen lasten wird, die Agiotage ge-<lb/>
trieben bis zum Scandal, die Gerechtigkeit mit Füßen getreten. Drohungen<lb/>
von Mord ausgestoßen gegen gewisse Classen der Gesellschaft. Raub und Todt¬<lb/>
schlag begangen durch unbekannte Hände, Bürger und Militärs im Exil, un&gt;<lb/>
versöhnliche Parteien. Bürgerkrieg allentlialben - das, General, ist eine flüchtige<lb/>
Skizze der Plagen, denen abzuhelfen Sie berufen sind . . ," &#x2014; Der Präsident<lb/>
verhehlte weder sich noch andern gegenüber die Wahrheit dieser Thatsachen<lb/>
und hörte ruhig die Anklagen gegen die Verwaltung seines Bindern an. In<lb/>
seiner Botschaft an den Kongreß an, tL Febr. erkannte er die allgemeine<lb/>
Anarchie an, verwarf factisch viele Acte seines Bruders so wie seine ultra¬<lb/>
demokratischen Tendenzen und Begünstigung der Neger, und ließ es an Ver¬<lb/>
sprechungen nicht fehlen. Vor allem that dem Lande Ruhe. Ruhe um jeden<lb/>
Preis noth, und offenbar betrachtete er sich als den Mann, sie zu erhalten.<lb/>
Minister und Staatsrath wurden gewechselt, Versöhnung alles Hasses ver¬<lb/>
heißen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1185"> So schön diese pomphaften Zusagen klangen, so verblich doch bald genug<lb/>
Wieder das Grün der Hoffnung, als man sah, daß das nothwendigste Mittel<lb/>
der Versöhnung, eine Amnestie, aufs unbestimmte hinausgeschoben wurde.<lb/>
Es zeigte sich nur zu klar- die Sachen blieben im Wesen wie sie waren, und<lb/>
bald brach dazu die Eholera über Stadt und Land herein, um den Becher<lb/>
des Leidens bis auf den Grund erproben zu lassen. Aus Mangel an Arbeitskräf¬<lb/>
ten verdarb theilweise die Ernte; enorme Theurung des Fleisches und Gemüses<lb/>
machte Aufhebung des Einfuhrzolles für gewisse Artikel nothwendig, Handel<lb/>
und Wandel stockte, und mitten im Reichthume einer tropischen Natur liefen<lb/>
die ärmern Classen Gefahr, Hunger zu leiden.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1186" next="#ID_1187"> Monagas war so klug, möglichst den Schein zu wahren, um desto sichrer<lb/>
sein Ziel zu erreichen. Dieses war kein andres als unumschränkt zu regieren<lb/>
und seine Amtsfrist zu verlängern. Im Grunde schielte er stets nach der Dic-<lb/>
tatur. übte sie factisch aus. hatte aver nicht den Muth, die Verantwortlichkeit<lb/>
dafür mit sammt ihren Titeln und Borrechten offen zu übernehmen. Daher</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> K5*</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0523] düster genug. Der achtzigjährige Bischof von Tricala faßte bei der officiellen Begrüßung die Lage des Landes in folgende Worte zusammen i „Es scheint, alle physischen, moralischen und politischen Plagen haben sich vereinigt, um diese unglückliche Republik zu unterdrücken. TKeurung der Lebensmittel, be- Nagcnswerthes Stocken des Ackerbaus aus Gründen, die Sie kennen, Ungemach der Familien, drohende Reclamation einiger fremden Machte, Krankheiten und Erdbeben, eisiges Stillschweigen der Presse, dieser gesetzlichen Sprache der Völker, um ihrem Kummer Worte zu geben, ein erschöpfter Staatsschatz, der für die einfachsten Forderungen des öffentlichen Dienstes nicht hinreicht, eine unermeßliche Schuld, die auf u» Generationen lasten wird, die Agiotage ge- trieben bis zum Scandal, die Gerechtigkeit mit Füßen getreten. Drohungen von Mord ausgestoßen gegen gewisse Classen der Gesellschaft. Raub und Todt¬ schlag begangen durch unbekannte Hände, Bürger und Militärs im Exil, un> versöhnliche Parteien. Bürgerkrieg allentlialben - das, General, ist eine flüchtige Skizze der Plagen, denen abzuhelfen Sie berufen sind . . ," — Der Präsident verhehlte weder sich noch andern gegenüber die Wahrheit dieser Thatsachen und hörte ruhig die Anklagen gegen die Verwaltung seines Bindern an. In seiner Botschaft an den Kongreß an, tL Febr. erkannte er die allgemeine Anarchie an, verwarf factisch viele Acte seines Bruders so wie seine ultra¬ demokratischen Tendenzen und Begünstigung der Neger, und ließ es an Ver¬ sprechungen nicht fehlen. Vor allem that dem Lande Ruhe. Ruhe um jeden Preis noth, und offenbar betrachtete er sich als den Mann, sie zu erhalten. Minister und Staatsrath wurden gewechselt, Versöhnung alles Hasses ver¬ heißen. So schön diese pomphaften Zusagen klangen, so verblich doch bald genug Wieder das Grün der Hoffnung, als man sah, daß das nothwendigste Mittel der Versöhnung, eine Amnestie, aufs unbestimmte hinausgeschoben wurde. Es zeigte sich nur zu klar- die Sachen blieben im Wesen wie sie waren, und bald brach dazu die Eholera über Stadt und Land herein, um den Becher des Leidens bis auf den Grund erproben zu lassen. Aus Mangel an Arbeitskräf¬ ten verdarb theilweise die Ernte; enorme Theurung des Fleisches und Gemüses machte Aufhebung des Einfuhrzolles für gewisse Artikel nothwendig, Handel und Wandel stockte, und mitten im Reichthume einer tropischen Natur liefen die ärmern Classen Gefahr, Hunger zu leiden. Monagas war so klug, möglichst den Schein zu wahren, um desto sichrer sein Ziel zu erreichen. Dieses war kein andres als unumschränkt zu regieren und seine Amtsfrist zu verlängern. Im Grunde schielte er stets nach der Dic- tatur. übte sie factisch aus. hatte aver nicht den Muth, die Verantwortlichkeit dafür mit sammt ihren Titeln und Borrechten offen zu übernehmen. Daher K5*

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/523
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/523>, abgerufen am 21.12.2024.