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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

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suchnngen. Verhaftungen. Erpressungen nahmen kein Ende, und um an den
12 Gefangenen seine persönliche Rache zu kühlen, ließ er sie. und zwar bei
nächtlicher Weile -- die Furcht erlaubte es nicht anders -- nach La Guaira
in die Casematten sichren, und auf weiche barbarische Werfe! gebildete Männer,
die nur gewohnt waren zu reiten, sollten von Negern begleitet in jenem Klima
einen Weg von 8 Stunden zu Fuß zurücklegen. Hätte ihnen nicht aus Mit¬
leid der Wirth der Posada die nöthigen Maulthiere nachgesendet: sicher, daß
einige halbtodt die Schwelle des unterirdischen Kerkers betreten hätten. Ueber-
dem trafen bald Siegesnachrichten aus Barquisimeto an die Regierung ein.
Höhnischer Triumph auf der einen; Jammer. Zerschlagenheit, Erbitterung aus
der andern Seite.-, das war das Bild von Caracas.

Da entschloß sich endlich der würdige Erzbischof. seinen Einfluß ins Mittel
zu legen. In eigner Person schickt er sich an, den Präsidenten aufzusuchen.
Bekümmerten Sinnes tritt er aus seinem Palast, die Straßen geben ihm ein
lebendiges Bild der Aufregung. Da eben wird noch ein junger Mann zum
Zwangsdienste geschleppt, er ist Zeuge davon. Unter Thränen tritt er vor
Jos6 Gregorio, klärt ihn über die Lage der Hauptstadt, über die Willkür
seiner Minister und Schergen auf, beschwört ihn. Einhalt zu thun -- da kom¬
men endlich Gegenbefehle. Die Gefangenen werden befreit, die Nachstellungen
hören auf, einer nach dem andern von den Verfolgten kommt aus seinem Ber¬
steck hervor, erst vorsichtig sondirend. bald offner und zuversichtlicher; und der
Verkehr des Alltagslebens kehrt wieder in seine gewöhnliche Ordnung zurück.
War auch die Revolution gänzlich verloren und die Dynastie stärker als je:
so konnten doch die durch den greifbaren Terrorismus doppelt gepreßten Ge¬
müther wenigstens zu der Ruhe gelangen, die Trostlosigkeit ihrer Lage nach
Umfang und Höhe zu erwägen. Die Regierung begnügte sich vorläufig, die
rückständigen Zwangsgelder einzutreiben und stellte nur noch ihre Wachposten
aus, bis die ungefährliche Expedition -- und zwar ohne Paez -- verspätigt
eintraf. Der umsichtige General, welcher aus der Ferne die Stimmung seines
Landes richtiger schaute, als seine Anhänger in der Nähe, hatte gar nicht sein
Wort gegeben.

Unter diesen Umständen konnte keinem Zweifel unterliegen, daß als neuer
Präsident Jos6 Tadeo wieder aus der Wahlurne hervorgehen würde. Eine heitere
Zukunft eröffnete sich mit dieser Aussicht. In den einen Abgrund war das
Land gesunken, nur um in einen tiefern hineinzublicken. Gleichwol war die
gegenwärtige Administration so mild gesinnt, diesen Abgrund mit Blumen zu
füllen, um ihm. ein freundliches Antlitz zu geben. Denn noch einmal wollte
sie Schrecken über die Hauptstadt breiten, um selbst die Rückkehr Josö Tadeos
als Wohlthat erscheinen zu lassen. Die Satelliten von Jost Gregorw näm-


Grenzboten II. 1858. 65

suchnngen. Verhaftungen. Erpressungen nahmen kein Ende, und um an den
12 Gefangenen seine persönliche Rache zu kühlen, ließ er sie. und zwar bei
nächtlicher Weile — die Furcht erlaubte es nicht anders — nach La Guaira
in die Casematten sichren, und auf weiche barbarische Werfe! gebildete Männer,
die nur gewohnt waren zu reiten, sollten von Negern begleitet in jenem Klima
einen Weg von 8 Stunden zu Fuß zurücklegen. Hätte ihnen nicht aus Mit¬
leid der Wirth der Posada die nöthigen Maulthiere nachgesendet: sicher, daß
einige halbtodt die Schwelle des unterirdischen Kerkers betreten hätten. Ueber-
dem trafen bald Siegesnachrichten aus Barquisimeto an die Regierung ein.
Höhnischer Triumph auf der einen; Jammer. Zerschlagenheit, Erbitterung aus
der andern Seite.-, das war das Bild von Caracas.

Da entschloß sich endlich der würdige Erzbischof. seinen Einfluß ins Mittel
zu legen. In eigner Person schickt er sich an, den Präsidenten aufzusuchen.
Bekümmerten Sinnes tritt er aus seinem Palast, die Straßen geben ihm ein
lebendiges Bild der Aufregung. Da eben wird noch ein junger Mann zum
Zwangsdienste geschleppt, er ist Zeuge davon. Unter Thränen tritt er vor
Jos6 Gregorio, klärt ihn über die Lage der Hauptstadt, über die Willkür
seiner Minister und Schergen auf, beschwört ihn. Einhalt zu thun — da kom¬
men endlich Gegenbefehle. Die Gefangenen werden befreit, die Nachstellungen
hören auf, einer nach dem andern von den Verfolgten kommt aus seinem Ber¬
steck hervor, erst vorsichtig sondirend. bald offner und zuversichtlicher; und der
Verkehr des Alltagslebens kehrt wieder in seine gewöhnliche Ordnung zurück.
War auch die Revolution gänzlich verloren und die Dynastie stärker als je:
so konnten doch die durch den greifbaren Terrorismus doppelt gepreßten Ge¬
müther wenigstens zu der Ruhe gelangen, die Trostlosigkeit ihrer Lage nach
Umfang und Höhe zu erwägen. Die Regierung begnügte sich vorläufig, die
rückständigen Zwangsgelder einzutreiben und stellte nur noch ihre Wachposten
aus, bis die ungefährliche Expedition — und zwar ohne Paez — verspätigt
eintraf. Der umsichtige General, welcher aus der Ferne die Stimmung seines
Landes richtiger schaute, als seine Anhänger in der Nähe, hatte gar nicht sein
Wort gegeben.

Unter diesen Umständen konnte keinem Zweifel unterliegen, daß als neuer
Präsident Jos6 Tadeo wieder aus der Wahlurne hervorgehen würde. Eine heitere
Zukunft eröffnete sich mit dieser Aussicht. In den einen Abgrund war das
Land gesunken, nur um in einen tiefern hineinzublicken. Gleichwol war die
gegenwärtige Administration so mild gesinnt, diesen Abgrund mit Blumen zu
füllen, um ihm. ein freundliches Antlitz zu geben. Denn noch einmal wollte
sie Schrecken über die Hauptstadt breiten, um selbst die Rückkehr Josö Tadeos
als Wohlthat erscheinen zu lassen. Die Satelliten von Jost Gregorw näm-


Grenzboten II. 1858. 65
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/521>, abgerufen am 21.12.2024.