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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

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hinzu, wo mein Vater im Himmel Geld für mich zusammentreiben wird! --
In der That braucht er auch nur recht inbrünstig zu beten, so kommt immer
Geld an. So kam er >7"!9 aus die Universität Straßburg. Der Leichtsinn,
mit dem er hier Schulden machte, in der Ueberzeugung, das; Gott sein Säckel¬
meister sei, hat bei dem dreißigjährigen Mann doch etwas Frivoles. Hier lernte
er Goethe und Herder kennen, die sich beide sehr freundlich seiner annahmen,
besonders der letztere hat einen nachhaltigen Einfluß auf ihn ausgeübt. Goethe,
dessen reizende Erzählung B. 21. S. >9i--191 zu suchen ist, freute sich über
die Naivetät seiner Erzählungen und regte ihn an, sein Leben zu beschreiben.
Er nahm ihm später das Manuscript ab und gab es 1777 heraus. Es ist
in der That für die Culturzustände jener Periode eins der wichtigsten Zeug¬
nisse. Nachdem er 1772 sein Examen gemacht, ließ er sich in Elberfeld als
Arzt nieder, wo ihn auch Goethe >774 besuchte und mit ihm und Jacobi
einige heitere Tage verlebte. Die Stelle war nicht einträglich, doch verschaffte
er sich einen gewissen Ruf als Augenarzt und dies veranlaßte einen reichen
frankfurter Kaufmann, ihn anfangs 1775 unter Zusicherung eines bedeutenden
Honorars zu einer Operation einzuladen. Die Operation mißlang und Goethe,
bei dem er wohnte, schilderte V. 22. S. 277--95 höchst anschaulich die gerech¬
ten Gewissensbisse, die ihn, überfielen, weil er einsah, ohne genügende Vor¬
bereitung leichtsinnig ein so wichtiges Geschäft übernommen zu haben. Er
erkannte, daß seines Bleibens in Elberfeld nicht länger sei, und sein Gott half
ihm auch diesmal aus der Noth. Er hatte, um seiue dürftige Lage zu ver¬
bessern, verschiedene Schriften herausgegeben, Streitschriften gegen Nicolai,
den Feind aller Genies 1775,, aber auch Bücher über Gewerbe-, Land- und
Forstwirtschaft. Die letzteren veranlaßten die pfälzische Regierung, ihn 1778
als Professor der Kameralwissenschaftcn nach Kaiserslautern zu berufen- er
verstand von dem neuen Fach wol so viel als von dem alten. An seinem
neuen Aufenthaltsort starb 1781 seine Frau, er heirathete gleich darauf eine
zweite und nach deren Tod eine dritte. In dieser Periode schrieb er Stilliugs
Jugend 1777, Stillings Jünglingsjahre und Wanderschaft 1778, Geschichte
des Herrn von Morgenthau 1779, Florentins von Fablendorn 1781, Leben
der Theodor" von der Linden 178:;, undThcobald oder die Schwärmer 1784,
1787 wurde er vom Landgrafen von Hessen an die Universität Marburg be¬
rufen, wo er 120" Thaler Gehalt hatte und nun zum erstenmal seine Ver¬
hältnisse ordnen konnte. Hier besuchte ihn sein Vater. Die Geschichte verdient
erzählt zu werden, denn sie wirft ein erschreckendes Licht ans das verkümmerte
Selbstgefühl des Volks. "Wie Stilling eintrat, stand seitwärts linker Hand
der alte Vater Wilhelm Jung, den Hut in deu Händen und mit gekrümmtem
Rücken, auf dem die Last der Jahre lag. Die Zeit und die Trübsale hatten
M seinem ehrwürdigen Gesicht viele und tiefe Furche" gegraben. Schüchtern


hinzu, wo mein Vater im Himmel Geld für mich zusammentreiben wird! —
In der That braucht er auch nur recht inbrünstig zu beten, so kommt immer
Geld an. So kam er >7«!9 aus die Universität Straßburg. Der Leichtsinn,
mit dem er hier Schulden machte, in der Ueberzeugung, das; Gott sein Säckel¬
meister sei, hat bei dem dreißigjährigen Mann doch etwas Frivoles. Hier lernte
er Goethe und Herder kennen, die sich beide sehr freundlich seiner annahmen,
besonders der letztere hat einen nachhaltigen Einfluß auf ihn ausgeübt. Goethe,
dessen reizende Erzählung B. 21. S. >9i—191 zu suchen ist, freute sich über
die Naivetät seiner Erzählungen und regte ihn an, sein Leben zu beschreiben.
Er nahm ihm später das Manuscript ab und gab es 1777 heraus. Es ist
in der That für die Culturzustände jener Periode eins der wichtigsten Zeug¬
nisse. Nachdem er 1772 sein Examen gemacht, ließ er sich in Elberfeld als
Arzt nieder, wo ihn auch Goethe >774 besuchte und mit ihm und Jacobi
einige heitere Tage verlebte. Die Stelle war nicht einträglich, doch verschaffte
er sich einen gewissen Ruf als Augenarzt und dies veranlaßte einen reichen
frankfurter Kaufmann, ihn anfangs 1775 unter Zusicherung eines bedeutenden
Honorars zu einer Operation einzuladen. Die Operation mißlang und Goethe,
bei dem er wohnte, schilderte V. 22. S. 277—95 höchst anschaulich die gerech¬
ten Gewissensbisse, die ihn, überfielen, weil er einsah, ohne genügende Vor¬
bereitung leichtsinnig ein so wichtiges Geschäft übernommen zu haben. Er
erkannte, daß seines Bleibens in Elberfeld nicht länger sei, und sein Gott half
ihm auch diesmal aus der Noth. Er hatte, um seiue dürftige Lage zu ver¬
bessern, verschiedene Schriften herausgegeben, Streitschriften gegen Nicolai,
den Feind aller Genies 1775,, aber auch Bücher über Gewerbe-, Land- und
Forstwirtschaft. Die letzteren veranlaßten die pfälzische Regierung, ihn 1778
als Professor der Kameralwissenschaftcn nach Kaiserslautern zu berufen- er
verstand von dem neuen Fach wol so viel als von dem alten. An seinem
neuen Aufenthaltsort starb 1781 seine Frau, er heirathete gleich darauf eine
zweite und nach deren Tod eine dritte. In dieser Periode schrieb er Stilliugs
Jugend 1777, Stillings Jünglingsjahre und Wanderschaft 1778, Geschichte
des Herrn von Morgenthau 1779, Florentins von Fablendorn 1781, Leben
der Theodor« von der Linden 178:;, undThcobald oder die Schwärmer 1784,
1787 wurde er vom Landgrafen von Hessen an die Universität Marburg be¬
rufen, wo er 120« Thaler Gehalt hatte und nun zum erstenmal seine Ver¬
hältnisse ordnen konnte. Hier besuchte ihn sein Vater. Die Geschichte verdient
erzählt zu werden, denn sie wirft ein erschreckendes Licht ans das verkümmerte
Selbstgefühl des Volks. „Wie Stilling eintrat, stand seitwärts linker Hand
der alte Vater Wilhelm Jung, den Hut in deu Händen und mit gekrümmtem
Rücken, auf dem die Last der Jahre lag. Die Zeit und die Trübsale hatten
M seinem ehrwürdigen Gesicht viele und tiefe Furche» gegraben. Schüchtern


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[0492] hinzu, wo mein Vater im Himmel Geld für mich zusammentreiben wird! — In der That braucht er auch nur recht inbrünstig zu beten, so kommt immer Geld an. So kam er >7«!9 aus die Universität Straßburg. Der Leichtsinn, mit dem er hier Schulden machte, in der Ueberzeugung, das; Gott sein Säckel¬ meister sei, hat bei dem dreißigjährigen Mann doch etwas Frivoles. Hier lernte er Goethe und Herder kennen, die sich beide sehr freundlich seiner annahmen, besonders der letztere hat einen nachhaltigen Einfluß auf ihn ausgeübt. Goethe, dessen reizende Erzählung B. 21. S. >9i—191 zu suchen ist, freute sich über die Naivetät seiner Erzählungen und regte ihn an, sein Leben zu beschreiben. Er nahm ihm später das Manuscript ab und gab es 1777 heraus. Es ist in der That für die Culturzustände jener Periode eins der wichtigsten Zeug¬ nisse. Nachdem er 1772 sein Examen gemacht, ließ er sich in Elberfeld als Arzt nieder, wo ihn auch Goethe >774 besuchte und mit ihm und Jacobi einige heitere Tage verlebte. Die Stelle war nicht einträglich, doch verschaffte er sich einen gewissen Ruf als Augenarzt und dies veranlaßte einen reichen frankfurter Kaufmann, ihn anfangs 1775 unter Zusicherung eines bedeutenden Honorars zu einer Operation einzuladen. Die Operation mißlang und Goethe, bei dem er wohnte, schilderte V. 22. S. 277—95 höchst anschaulich die gerech¬ ten Gewissensbisse, die ihn, überfielen, weil er einsah, ohne genügende Vor¬ bereitung leichtsinnig ein so wichtiges Geschäft übernommen zu haben. Er erkannte, daß seines Bleibens in Elberfeld nicht länger sei, und sein Gott half ihm auch diesmal aus der Noth. Er hatte, um seiue dürftige Lage zu ver¬ bessern, verschiedene Schriften herausgegeben, Streitschriften gegen Nicolai, den Feind aller Genies 1775,, aber auch Bücher über Gewerbe-, Land- und Forstwirtschaft. Die letzteren veranlaßten die pfälzische Regierung, ihn 1778 als Professor der Kameralwissenschaftcn nach Kaiserslautern zu berufen- er verstand von dem neuen Fach wol so viel als von dem alten. An seinem neuen Aufenthaltsort starb 1781 seine Frau, er heirathete gleich darauf eine zweite und nach deren Tod eine dritte. In dieser Periode schrieb er Stilliugs Jugend 1777, Stillings Jünglingsjahre und Wanderschaft 1778, Geschichte des Herrn von Morgenthau 1779, Florentins von Fablendorn 1781, Leben der Theodor« von der Linden 178:;, undThcobald oder die Schwärmer 1784, 1787 wurde er vom Landgrafen von Hessen an die Universität Marburg be¬ rufen, wo er 120« Thaler Gehalt hatte und nun zum erstenmal seine Ver¬ hältnisse ordnen konnte. Hier besuchte ihn sein Vater. Die Geschichte verdient erzählt zu werden, denn sie wirft ein erschreckendes Licht ans das verkümmerte Selbstgefühl des Volks. „Wie Stilling eintrat, stand seitwärts linker Hand der alte Vater Wilhelm Jung, den Hut in deu Händen und mit gekrümmtem Rücken, auf dem die Last der Jahre lag. Die Zeit und die Trübsale hatten M seinem ehrwürdigen Gesicht viele und tiefe Furche» gegraben. Schüchtern

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/492>, abgerufen am 22.12.2024.