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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

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Interessen zu einer Auffassung der Ncgierungsrechte und Pflichten, welche über
das persönliche Interesse des Fürsten hinausging, wenn auch jener Despotis¬
mus vom höhern Gesichtspunkte verurtheilt werden mag, so bewegte er sich
doch in großartigern Verhältnissen. "Das kleine Ich des Fürsten erweiterte sich
unwillkürlich zu dem umfassenden und inhaltsvollern des Staats, den der
Fürst reprüsentirte und in dessen Größe er seinen eignen Ehrgeiz befriedigt
fand." Die Hebung des allgemeinen Wohlstandes, die Entwicklung gewerb¬
licher Thätigkeit, die Steigerung der Staatskraft im Allgemeinen war für die
dortige Regierungskunst längst ein wesentlicher Zielpunkt geworden. Anders war
es in den kleinern Staaten, dort fehlten jene großartigern Interessen, die Willkür
war dieselbe und verfiel auf weit unwürdigere Gegenstände. In Preußen wider¬
setzten sich die Landstände dem Streben der brnndenburgischen Fürsten den Staat
zu heben und wurden von ihnen zum Schweigen gebracht; in Würtemberg aber
z. B. widersetzten sie sich dem zügellosen Treiben des Herzogs Karl Eugen und
wurden deshalb mißhandelt. Wenn es einzelne Territorien gab, welche von
humanen und einsichtigen Fürsten patriarchalisch regiert wurden, so daß sie
ein Zeitgenosse Gärten Gottes nennt, so waren dagegen die Beispiele der
schamlosesten Ausbeutung der Unterthanen zur Befriedigung von Wollust, eitler
Prachtsucht und allerhöchsten Launen nur zu zahlreich; zur selben Zeit, wo
Friedrich 2. sich für den ersten Diener des Staates erklärte, antwortete der
Herzog von Würtemberg einem Beamten- was Vaterland, ich bin das Vater¬
land. "Je kleiner das Land war, desto härter wurde oft die Willkür geübt
und allerdings lag. wie der Verfasser sagt, für solche Duodezregenten der
Gedanke nur zu nahe, das ganze Land blos wie eine fürstliche Domäne oder
ein großes Rittergut zu betrachten. Und gut war es noch, wenn sie es so
auffaßten und demgemäß verwalteten, und nicht mit unbedeutenden Landes¬
mitteln große Landesherrn zu spielen unternahmen, eine kostspielige vielköpfige
Verwaltung und verschwenderischen Hofhalt einführten." Diese Kleinstaaterei
wird heute von niemand, der nicht xro clomo redet, mehr vertheidigt, damals
fand sie Fürsprecher namentlich in der literarischen Partei, welche für Künste und
Wissenschaften Unterstützung vieler kleinen Höfe wünschte. Wir werden be¬
greiflicherweise nicht der Kleinstaaterei das Wort reden, aber wir zweifeln
doch, ob sie der Nation so viel nachhaltigen Schaden gethan haben, wie
die Mittelstaaten. Jene winzigen Territorien, jene politischen Infusorien, wie
ein witziger Ausländer sagte, waren in sich so unbedeutend, daß sie gar keinen
Eigenwillen in größern Fragen hatten, ihre Angehörigen fühlten auch diese
Nichtigkeit so sehr, daß sie sich unwillkürlich an größere Bewegungen anschlös¬
sen, aus diesen kleinen Gebieten sind grade oft kräftige nationale Anregungen
hervorgegangen, jene mittlern Staaten dagegen, die eine gewisse Befriedigung
in sich im gewöhnlichen Gange der Dinge fühlen konnten, waren vom be-


Interessen zu einer Auffassung der Ncgierungsrechte und Pflichten, welche über
das persönliche Interesse des Fürsten hinausging, wenn auch jener Despotis¬
mus vom höhern Gesichtspunkte verurtheilt werden mag, so bewegte er sich
doch in großartigern Verhältnissen. „Das kleine Ich des Fürsten erweiterte sich
unwillkürlich zu dem umfassenden und inhaltsvollern des Staats, den der
Fürst reprüsentirte und in dessen Größe er seinen eignen Ehrgeiz befriedigt
fand." Die Hebung des allgemeinen Wohlstandes, die Entwicklung gewerb¬
licher Thätigkeit, die Steigerung der Staatskraft im Allgemeinen war für die
dortige Regierungskunst längst ein wesentlicher Zielpunkt geworden. Anders war
es in den kleinern Staaten, dort fehlten jene großartigern Interessen, die Willkür
war dieselbe und verfiel auf weit unwürdigere Gegenstände. In Preußen wider¬
setzten sich die Landstände dem Streben der brnndenburgischen Fürsten den Staat
zu heben und wurden von ihnen zum Schweigen gebracht; in Würtemberg aber
z. B. widersetzten sie sich dem zügellosen Treiben des Herzogs Karl Eugen und
wurden deshalb mißhandelt. Wenn es einzelne Territorien gab, welche von
humanen und einsichtigen Fürsten patriarchalisch regiert wurden, so daß sie
ein Zeitgenosse Gärten Gottes nennt, so waren dagegen die Beispiele der
schamlosesten Ausbeutung der Unterthanen zur Befriedigung von Wollust, eitler
Prachtsucht und allerhöchsten Launen nur zu zahlreich; zur selben Zeit, wo
Friedrich 2. sich für den ersten Diener des Staates erklärte, antwortete der
Herzog von Würtemberg einem Beamten- was Vaterland, ich bin das Vater¬
land. „Je kleiner das Land war, desto härter wurde oft die Willkür geübt
und allerdings lag. wie der Verfasser sagt, für solche Duodezregenten der
Gedanke nur zu nahe, das ganze Land blos wie eine fürstliche Domäne oder
ein großes Rittergut zu betrachten. Und gut war es noch, wenn sie es so
auffaßten und demgemäß verwalteten, und nicht mit unbedeutenden Landes¬
mitteln große Landesherrn zu spielen unternahmen, eine kostspielige vielköpfige
Verwaltung und verschwenderischen Hofhalt einführten." Diese Kleinstaaterei
wird heute von niemand, der nicht xro clomo redet, mehr vertheidigt, damals
fand sie Fürsprecher namentlich in der literarischen Partei, welche für Künste und
Wissenschaften Unterstützung vieler kleinen Höfe wünschte. Wir werden be¬
greiflicherweise nicht der Kleinstaaterei das Wort reden, aber wir zweifeln
doch, ob sie der Nation so viel nachhaltigen Schaden gethan haben, wie
die Mittelstaaten. Jene winzigen Territorien, jene politischen Infusorien, wie
ein witziger Ausländer sagte, waren in sich so unbedeutend, daß sie gar keinen
Eigenwillen in größern Fragen hatten, ihre Angehörigen fühlten auch diese
Nichtigkeit so sehr, daß sie sich unwillkürlich an größere Bewegungen anschlös¬
sen, aus diesen kleinen Gebieten sind grade oft kräftige nationale Anregungen
hervorgegangen, jene mittlern Staaten dagegen, die eine gewisse Befriedigung
in sich im gewöhnlichen Gange der Dinge fühlen konnten, waren vom be-


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[0484] Interessen zu einer Auffassung der Ncgierungsrechte und Pflichten, welche über das persönliche Interesse des Fürsten hinausging, wenn auch jener Despotis¬ mus vom höhern Gesichtspunkte verurtheilt werden mag, so bewegte er sich doch in großartigern Verhältnissen. „Das kleine Ich des Fürsten erweiterte sich unwillkürlich zu dem umfassenden und inhaltsvollern des Staats, den der Fürst reprüsentirte und in dessen Größe er seinen eignen Ehrgeiz befriedigt fand." Die Hebung des allgemeinen Wohlstandes, die Entwicklung gewerb¬ licher Thätigkeit, die Steigerung der Staatskraft im Allgemeinen war für die dortige Regierungskunst längst ein wesentlicher Zielpunkt geworden. Anders war es in den kleinern Staaten, dort fehlten jene großartigern Interessen, die Willkür war dieselbe und verfiel auf weit unwürdigere Gegenstände. In Preußen wider¬ setzten sich die Landstände dem Streben der brnndenburgischen Fürsten den Staat zu heben und wurden von ihnen zum Schweigen gebracht; in Würtemberg aber z. B. widersetzten sie sich dem zügellosen Treiben des Herzogs Karl Eugen und wurden deshalb mißhandelt. Wenn es einzelne Territorien gab, welche von humanen und einsichtigen Fürsten patriarchalisch regiert wurden, so daß sie ein Zeitgenosse Gärten Gottes nennt, so waren dagegen die Beispiele der schamlosesten Ausbeutung der Unterthanen zur Befriedigung von Wollust, eitler Prachtsucht und allerhöchsten Launen nur zu zahlreich; zur selben Zeit, wo Friedrich 2. sich für den ersten Diener des Staates erklärte, antwortete der Herzog von Würtemberg einem Beamten- was Vaterland, ich bin das Vater¬ land. „Je kleiner das Land war, desto härter wurde oft die Willkür geübt und allerdings lag. wie der Verfasser sagt, für solche Duodezregenten der Gedanke nur zu nahe, das ganze Land blos wie eine fürstliche Domäne oder ein großes Rittergut zu betrachten. Und gut war es noch, wenn sie es so auffaßten und demgemäß verwalteten, und nicht mit unbedeutenden Landes¬ mitteln große Landesherrn zu spielen unternahmen, eine kostspielige vielköpfige Verwaltung und verschwenderischen Hofhalt einführten." Diese Kleinstaaterei wird heute von niemand, der nicht xro clomo redet, mehr vertheidigt, damals fand sie Fürsprecher namentlich in der literarischen Partei, welche für Künste und Wissenschaften Unterstützung vieler kleinen Höfe wünschte. Wir werden be¬ greiflicherweise nicht der Kleinstaaterei das Wort reden, aber wir zweifeln doch, ob sie der Nation so viel nachhaltigen Schaden gethan haben, wie die Mittelstaaten. Jene winzigen Territorien, jene politischen Infusorien, wie ein witziger Ausländer sagte, waren in sich so unbedeutend, daß sie gar keinen Eigenwillen in größern Fragen hatten, ihre Angehörigen fühlten auch diese Nichtigkeit so sehr, daß sie sich unwillkürlich an größere Bewegungen anschlös¬ sen, aus diesen kleinen Gebieten sind grade oft kräftige nationale Anregungen hervorgegangen, jene mittlern Staaten dagegen, die eine gewisse Befriedigung in sich im gewöhnlichen Gange der Dinge fühlen konnten, waren vom be-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/484>, abgerufen am 22.12.2024.