Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.In der That ist er in allem, was ich sehe und höre, bewundernswerth und abzuhängen." Schon 29. Oct, 1807 hat er mehr gelernt- "Allerdings verspreche ich mir von
der Umwandlung der Dinge durch den Gewaltigen des Herrn viel Gutes, was auf dein ge¬ wöhnlichen Wege nimmer erreicht werden konnte; nur freilich üben muß man sich, um sich loszureißen von Observanz und Gewohnheit, und selbst diese Uebung ist wohlthätig und erhebt den Menschen über sich selbst. Unser hiesiges literarisches Wesen hat viel Gemeines und Hand- wertmäßiges, das wird hoffentlich gestürzt werden. Ich fühle Kraft und Willen in mir, über die Jahre lang durch politischen Zwang gestellten Schranken wegzuschreiten und mich in einer neuen Wcltform einzubürgern, welche den nächsten Generationen Heil und Erregung der schlummernden Kräfte verspricht/' -- Der würdige Fakel besuchte Müller in Kassel; vor seiner Abreise schreibt er ihm noch 3. März 1808: "Nur muthig die Hand aus Werk, mein theuerster Johannes! Unter günstigen Auspicien, in Vereinigung mit den besten Köpfen, mehr handelnd und schreibend, so Ihr Tagewerk beschließend, ein Mittelpunkt der europäischen Cultur, vor¬ bereitend eine universelle Aussöhnung der Gemüther, nach allgemeinem Haß eine allgemeine Liebe, eine Anerkennung wechselseitigen Verdienstes begründend; kein bloßer Rheinbund mehr, ein europäischer Bund, wo Spanier, Deutsche, Franzosen, Griechen, Römer, das Alte und Neue, Shakespeare, Homer, Calderon, Cervantes, Molii-rc sich wechselseitig ausgesöhnt, zu einer universellen, vielseitigen Menschenbildung die Hand bieten -- dies, nur dies sind Ideen, deren Ausfüllung eines Johannes Müller würdig ist. Die Barbarei der Cultur der Europäer, die Nachkommen Huttcns, Cids und Bauards den Kamcclkncchtcn und nomadischen Horden ent¬ gegensehend, und wo er auf einen Nest von Barbarei stößt, ihn unerbittlich verengert -- so werde ich Sie enden sehn. I" diesem Sinn" fordert er ihn zur Herausgabe eines "europäi¬ schen" Journals ans "Wie Luther und Mclanchtho" sind wir daran, dem deutschen Volks- unterricht vielleicht für drei Jahrhunderte eine neue Bestimmung zu geben. Glücklich diejenigen, welche diese Stunde in der Weltgeschichte zu nutzen und in ihr die folgenden Jahrhundert" zu ahnen und zu ergreifen wissen." In der That ist er in allem, was ich sehe und höre, bewundernswerth und abzuhängen." Schon 29. Oct, 1807 hat er mehr gelernt- „Allerdings verspreche ich mir von
der Umwandlung der Dinge durch den Gewaltigen des Herrn viel Gutes, was auf dein ge¬ wöhnlichen Wege nimmer erreicht werden konnte; nur freilich üben muß man sich, um sich loszureißen von Observanz und Gewohnheit, und selbst diese Uebung ist wohlthätig und erhebt den Menschen über sich selbst. Unser hiesiges literarisches Wesen hat viel Gemeines und Hand- wertmäßiges, das wird hoffentlich gestürzt werden. Ich fühle Kraft und Willen in mir, über die Jahre lang durch politischen Zwang gestellten Schranken wegzuschreiten und mich in einer neuen Wcltform einzubürgern, welche den nächsten Generationen Heil und Erregung der schlummernden Kräfte verspricht/' — Der würdige Fakel besuchte Müller in Kassel; vor seiner Abreise schreibt er ihm noch 3. März 1808: „Nur muthig die Hand aus Werk, mein theuerster Johannes! Unter günstigen Auspicien, in Vereinigung mit den besten Köpfen, mehr handelnd und schreibend, so Ihr Tagewerk beschließend, ein Mittelpunkt der europäischen Cultur, vor¬ bereitend eine universelle Aussöhnung der Gemüther, nach allgemeinem Haß eine allgemeine Liebe, eine Anerkennung wechselseitigen Verdienstes begründend; kein bloßer Rheinbund mehr, ein europäischer Bund, wo Spanier, Deutsche, Franzosen, Griechen, Römer, das Alte und Neue, Shakespeare, Homer, Calderon, Cervantes, Molii-rc sich wechselseitig ausgesöhnt, zu einer universellen, vielseitigen Menschenbildung die Hand bieten — dies, nur dies sind Ideen, deren Ausfüllung eines Johannes Müller würdig ist. Die Barbarei der Cultur der Europäer, die Nachkommen Huttcns, Cids und Bauards den Kamcclkncchtcn und nomadischen Horden ent¬ gegensehend, und wo er auf einen Nest von Barbarei stößt, ihn unerbittlich verengert — so werde ich Sie enden sehn. I» diesem Sinn" fordert er ihn zur Herausgabe eines „europäi¬ schen" Journals ans „Wie Luther und Mclanchtho» sind wir daran, dem deutschen Volks- unterricht vielleicht für drei Jahrhunderte eine neue Bestimmung zu geben. Glücklich diejenigen, welche diese Stunde in der Weltgeschichte zu nutzen und in ihr die folgenden Jahrhundert« zu ahnen und zu ergreifen wissen." <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0464" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/186877"/> <p xml:id="ID_1045" prev="#ID_1044" next="#ID_1046"> In der That ist er in allem, was ich sehe und höre, bewundernswerth und<lb/> einzig; und wenn Horaz recht gesagt hat, daß MnLizMus Mvuisso viri8 n<in<lb/> ultima, laus est, so darf ich wol mich freuen, daß dieser mein gedacht und als<lb/> ich wegen des verlorenen Couriers später kam, mehr als einmal mir nach¬<lb/> gefragt hat . . . Auch kann ich den jungen König nicht anders als lieben;<lb/> man glaubt ich könne Gutes stiften; man macht mir, wenn das Königreich<lb/> in Ordnung ist, nach drei, vier Jahren eine ruhige, schöne Stelle hoffen, wo ich<lb/> diese Erfahrungen, die großen und wichtigen mit dem Resultat meiner Stu¬<lb/> dien combinirend. wie jene Staatsmänner alter Jahrhunderte, die Geschichte<lb/> werde schreiben tonnen. Also — ich gebe mich hin. Sollte ich in 14 Tagen<lb/> oder in einem Jahr verabschiedet werden, so unterstehe sich niemand mich zu<lb/> trösten, denn ich würde ihm ins Gesicht lachen. Indeß werde ich möglichst<lb/> viel Gutes thun, dem Wohl der Nation und dem Ruhm des Königs eifrig<lb/> dienen und unverständige Urtheile verachten . . . Eine entfernte Hoffnung<lb/> nähre ich, daß, wenn ich den großen Kaiser noch sehen und sprechen könnte, viel¬<lb/> leicht er die Gnade hätte, mich mir und meinen geliebten Studien auf eine<lb/> anständige Weise zurückzugeben." — Dies geschah nun zwar nicht, indeß sah<lb/> man in Kassel bald, daß er für die eigentliche Verwaltung im französischen<lb/> Sinn nicht geeignet sei; man übertrug ihm daher 30. Dec. 1807 die General-<lb/> direction der westphülischcn Universitäten. In dieser Eigenschaft erhielt er</p><lb/> <note xml:id="FID_110" prev="#FID_109" place="foot"> abzuhängen." Schon 29. Oct, 1807 hat er mehr gelernt- „Allerdings verspreche ich mir von<lb/> der Umwandlung der Dinge durch den Gewaltigen des Herrn viel Gutes, was auf dein ge¬<lb/> wöhnlichen Wege nimmer erreicht werden konnte; nur freilich üben muß man sich, um sich<lb/> loszureißen von Observanz und Gewohnheit, und selbst diese Uebung ist wohlthätig und erhebt<lb/> den Menschen über sich selbst. Unser hiesiges literarisches Wesen hat viel Gemeines und Hand-<lb/> wertmäßiges, das wird hoffentlich gestürzt werden. Ich fühle Kraft und Willen in mir, über<lb/> die Jahre lang durch politischen Zwang gestellten Schranken wegzuschreiten und mich in einer<lb/> neuen Wcltform einzubürgern, welche den nächsten Generationen Heil und Erregung der<lb/> schlummernden Kräfte verspricht/' — Der würdige Fakel besuchte Müller in Kassel; vor seiner<lb/> Abreise schreibt er ihm noch 3. März 1808: „Nur muthig die Hand aus Werk, mein theuerster<lb/> Johannes! Unter günstigen Auspicien, in Vereinigung mit den besten Köpfen, mehr handelnd<lb/> und schreibend, so Ihr Tagewerk beschließend, ein Mittelpunkt der europäischen Cultur, vor¬<lb/> bereitend eine universelle Aussöhnung der Gemüther, nach allgemeinem Haß eine allgemeine<lb/> Liebe, eine Anerkennung wechselseitigen Verdienstes begründend; kein bloßer Rheinbund mehr,<lb/> ein europäischer Bund, wo Spanier, Deutsche, Franzosen, Griechen, Römer, das Alte und<lb/> Neue, Shakespeare, Homer, Calderon, Cervantes, Molii-rc sich wechselseitig ausgesöhnt, zu einer<lb/> universellen, vielseitigen Menschenbildung die Hand bieten — dies, nur dies sind Ideen, deren<lb/> Ausfüllung eines Johannes Müller würdig ist. Die Barbarei der Cultur der Europäer, die<lb/> Nachkommen Huttcns, Cids und Bauards den Kamcclkncchtcn und nomadischen Horden ent¬<lb/> gegensehend, und wo er auf einen Nest von Barbarei stößt, ihn unerbittlich verengert — so<lb/> werde ich Sie enden sehn. I» diesem Sinn" fordert er ihn zur Herausgabe eines „europäi¬<lb/> schen" Journals ans „Wie Luther und Mclanchtho» sind wir daran, dem deutschen Volks-<lb/> unterricht vielleicht für drei Jahrhunderte eine neue Bestimmung zu geben. Glücklich diejenigen,<lb/> welche diese Stunde in der Weltgeschichte zu nutzen und in ihr die folgenden Jahrhundert«<lb/> zu ahnen und zu ergreifen wissen."</note><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0464]
In der That ist er in allem, was ich sehe und höre, bewundernswerth und
einzig; und wenn Horaz recht gesagt hat, daß MnLizMus Mvuisso viri8 n<in
ultima, laus est, so darf ich wol mich freuen, daß dieser mein gedacht und als
ich wegen des verlorenen Couriers später kam, mehr als einmal mir nach¬
gefragt hat . . . Auch kann ich den jungen König nicht anders als lieben;
man glaubt ich könne Gutes stiften; man macht mir, wenn das Königreich
in Ordnung ist, nach drei, vier Jahren eine ruhige, schöne Stelle hoffen, wo ich
diese Erfahrungen, die großen und wichtigen mit dem Resultat meiner Stu¬
dien combinirend. wie jene Staatsmänner alter Jahrhunderte, die Geschichte
werde schreiben tonnen. Also — ich gebe mich hin. Sollte ich in 14 Tagen
oder in einem Jahr verabschiedet werden, so unterstehe sich niemand mich zu
trösten, denn ich würde ihm ins Gesicht lachen. Indeß werde ich möglichst
viel Gutes thun, dem Wohl der Nation und dem Ruhm des Königs eifrig
dienen und unverständige Urtheile verachten . . . Eine entfernte Hoffnung
nähre ich, daß, wenn ich den großen Kaiser noch sehen und sprechen könnte, viel¬
leicht er die Gnade hätte, mich mir und meinen geliebten Studien auf eine
anständige Weise zurückzugeben." — Dies geschah nun zwar nicht, indeß sah
man in Kassel bald, daß er für die eigentliche Verwaltung im französischen
Sinn nicht geeignet sei; man übertrug ihm daher 30. Dec. 1807 die General-
direction der westphülischcn Universitäten. In dieser Eigenschaft erhielt er
abzuhängen." Schon 29. Oct, 1807 hat er mehr gelernt- „Allerdings verspreche ich mir von
der Umwandlung der Dinge durch den Gewaltigen des Herrn viel Gutes, was auf dein ge¬
wöhnlichen Wege nimmer erreicht werden konnte; nur freilich üben muß man sich, um sich
loszureißen von Observanz und Gewohnheit, und selbst diese Uebung ist wohlthätig und erhebt
den Menschen über sich selbst. Unser hiesiges literarisches Wesen hat viel Gemeines und Hand-
wertmäßiges, das wird hoffentlich gestürzt werden. Ich fühle Kraft und Willen in mir, über
die Jahre lang durch politischen Zwang gestellten Schranken wegzuschreiten und mich in einer
neuen Wcltform einzubürgern, welche den nächsten Generationen Heil und Erregung der
schlummernden Kräfte verspricht/' — Der würdige Fakel besuchte Müller in Kassel; vor seiner
Abreise schreibt er ihm noch 3. März 1808: „Nur muthig die Hand aus Werk, mein theuerster
Johannes! Unter günstigen Auspicien, in Vereinigung mit den besten Köpfen, mehr handelnd
und schreibend, so Ihr Tagewerk beschließend, ein Mittelpunkt der europäischen Cultur, vor¬
bereitend eine universelle Aussöhnung der Gemüther, nach allgemeinem Haß eine allgemeine
Liebe, eine Anerkennung wechselseitigen Verdienstes begründend; kein bloßer Rheinbund mehr,
ein europäischer Bund, wo Spanier, Deutsche, Franzosen, Griechen, Römer, das Alte und
Neue, Shakespeare, Homer, Calderon, Cervantes, Molii-rc sich wechselseitig ausgesöhnt, zu einer
universellen, vielseitigen Menschenbildung die Hand bieten — dies, nur dies sind Ideen, deren
Ausfüllung eines Johannes Müller würdig ist. Die Barbarei der Cultur der Europäer, die
Nachkommen Huttcns, Cids und Bauards den Kamcclkncchtcn und nomadischen Horden ent¬
gegensehend, und wo er auf einen Nest von Barbarei stößt, ihn unerbittlich verengert — so
werde ich Sie enden sehn. I» diesem Sinn" fordert er ihn zur Herausgabe eines „europäi¬
schen" Journals ans „Wie Luther und Mclanchtho» sind wir daran, dem deutschen Volks-
unterricht vielleicht für drei Jahrhunderte eine neue Bestimmung zu geben. Glücklich diejenigen,
welche diese Stunde in der Weltgeschichte zu nutzen und in ihr die folgenden Jahrhundert«
zu ahnen und zu ergreifen wissen."
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Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
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