Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

wird. Oft habe ich Sic in Ihre frühern Verhältnisse gleichsam zurückgedacht,
nicht in die wiener -- dort ist kein Heil! -- zum Fürst Primgs, zu einem
Organ des rheinischen Bundes, sür welchen Sie neulich so schöne, kräftige
Worte mehrmals gesprochen haben." Am 12. Febr. hatte Müller einen Ruf
nach Tübingen erhalten, aber er konnte zu keinem Entschluß kommen. Am
24. Aug. hehre-beiden Wieland. indem er ihm Glückwünsche. Preußen zu verlassen:
"Wenn es dem großen ^rditre 6ö ILurop" gefallen wird, dem ehemaligen
germanischen Reich eine Verfassung zu geben, die eine lange äußere und
innere Ruhe möglich macht, so kann das südliche Deutschland einer vorzüglich
schönen und glücklichen Zeit entgegensehn. Auch das kleine Bethlehem-Weimar
hat in der Geschichte des 18. Jahrhunderts seinen Tag gehabt; aber die
Sonne, die ihm vor vierzig Jahren aufging, ist 1807 untergegangen, und
die Nacht bricht herein, ohne einen neuen Tag zu versprechen .... Ueber¬
haupt scheint mir die Zeit, da man durch Dichterei in Deutschland Sensation
machen konnte, abgelaufen zu sein -- und man kann so viel Besseres thun
als Verse machen!" -- Erst in Kopenhagen erfuhr Fichte, welchen schlimmen
Eindruck die Rede vom 29. Jan. gemacht habe. "Bedauere habe ich, daß
nicht überhaupt die Nothwendigkeit für Sie vermieden worden, unter diesen
Umständen reden zu müssen. Ich war den letzten Tag. da ich den Entschluß
zu gehen faßte und ausführte, mit eigenen Angelegenheiten überhäuft, außer¬
dem hätte ich nicht ermangelt, einen Versuch auf Sie. Sie zu demselben Ent¬
schluß zu bewegen, zu machen. Sie hätten den letzten Triebfedern des possen¬
haften Trauerspiels, das sich nun vollständig entwickelt hat, in der Nähe
zugesehen. Sodann habe ich bedauert, daß nicht zwei Stellen in der
Rede wegbleiben konnten. Ich bescheide mich nicht zu wissen, inwiefern die
Ihnen bekannte Ansicht des Gegners Sie nöthigte, dergleichen zuzugeben
und auszusprechen, um nur Ihren anderweitigen Zweck zu erreichen, bin da¬
her weit entfernt Sie zu tadeln, sondern bedauere nur. Man -- der Mann,
der so viel auf sich nimmt -- sagt. Sic gedächten Ihre Verhältnisse zu ver¬
ändern. Wolle Gott nicht, daß das wahr sei! Sie würden dadurch Ihren,
ich hoffe selbst nur irrenden Detractoren Recht geben. Ueberdies scheint mir
jetzt, wo eine Wahl des Bessern gar nicht möglich ist, die einzige Partei des
Mannes von Charakter, daß er sich aller Wahl begebe und sich an sein vor¬
gefundenes Sein halte." -- Noch den 8. Aug: "Die Mißdeutung Ihrer
Denkart ist zu einer Menge achtungswürdiger Menschen gar nicht durch¬
gedrungen; von den andern kenne ich keinen, der nicht sein Urtheil suspen-
dirt habe, der nicht wünsche, Sie rem und tadellos zu finden." Ende desselben
Monats kehrte Fichte nach Berlin zurück, wo er neben Müller wohnte, und
aus allen Kräften bemüht war. ihn für Preußen zu erhalten. -- "Wie. theurer
Freund." schreibt ihm Hufeland, der Leibarzt des Königs, aus Memel


wird. Oft habe ich Sic in Ihre frühern Verhältnisse gleichsam zurückgedacht,
nicht in die wiener — dort ist kein Heil! — zum Fürst Primgs, zu einem
Organ des rheinischen Bundes, sür welchen Sie neulich so schöne, kräftige
Worte mehrmals gesprochen haben." Am 12. Febr. hatte Müller einen Ruf
nach Tübingen erhalten, aber er konnte zu keinem Entschluß kommen. Am
24. Aug. hehre-beiden Wieland. indem er ihm Glückwünsche. Preußen zu verlassen:
„Wenn es dem großen ^rditre 6ö ILurop« gefallen wird, dem ehemaligen
germanischen Reich eine Verfassung zu geben, die eine lange äußere und
innere Ruhe möglich macht, so kann das südliche Deutschland einer vorzüglich
schönen und glücklichen Zeit entgegensehn. Auch das kleine Bethlehem-Weimar
hat in der Geschichte des 18. Jahrhunderts seinen Tag gehabt; aber die
Sonne, die ihm vor vierzig Jahren aufging, ist 1807 untergegangen, und
die Nacht bricht herein, ohne einen neuen Tag zu versprechen .... Ueber¬
haupt scheint mir die Zeit, da man durch Dichterei in Deutschland Sensation
machen konnte, abgelaufen zu sein — und man kann so viel Besseres thun
als Verse machen!" — Erst in Kopenhagen erfuhr Fichte, welchen schlimmen
Eindruck die Rede vom 29. Jan. gemacht habe. „Bedauere habe ich, daß
nicht überhaupt die Nothwendigkeit für Sie vermieden worden, unter diesen
Umständen reden zu müssen. Ich war den letzten Tag. da ich den Entschluß
zu gehen faßte und ausführte, mit eigenen Angelegenheiten überhäuft, außer¬
dem hätte ich nicht ermangelt, einen Versuch auf Sie. Sie zu demselben Ent¬
schluß zu bewegen, zu machen. Sie hätten den letzten Triebfedern des possen¬
haften Trauerspiels, das sich nun vollständig entwickelt hat, in der Nähe
zugesehen. Sodann habe ich bedauert, daß nicht zwei Stellen in der
Rede wegbleiben konnten. Ich bescheide mich nicht zu wissen, inwiefern die
Ihnen bekannte Ansicht des Gegners Sie nöthigte, dergleichen zuzugeben
und auszusprechen, um nur Ihren anderweitigen Zweck zu erreichen, bin da¬
her weit entfernt Sie zu tadeln, sondern bedauere nur. Man — der Mann,
der so viel auf sich nimmt — sagt. Sic gedächten Ihre Verhältnisse zu ver¬
ändern. Wolle Gott nicht, daß das wahr sei! Sie würden dadurch Ihren,
ich hoffe selbst nur irrenden Detractoren Recht geben. Ueberdies scheint mir
jetzt, wo eine Wahl des Bessern gar nicht möglich ist, die einzige Partei des
Mannes von Charakter, daß er sich aller Wahl begebe und sich an sein vor¬
gefundenes Sein halte." — Noch den 8. Aug: „Die Mißdeutung Ihrer
Denkart ist zu einer Menge achtungswürdiger Menschen gar nicht durch¬
gedrungen; von den andern kenne ich keinen, der nicht sein Urtheil suspen-
dirt habe, der nicht wünsche, Sie rem und tadellos zu finden." Ende desselben
Monats kehrte Fichte nach Berlin zurück, wo er neben Müller wohnte, und
aus allen Kräften bemüht war. ihn für Preußen zu erhalten. — „Wie. theurer
Freund." schreibt ihm Hufeland, der Leibarzt des Königs, aus Memel


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0460" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/186873"/>
            <p xml:id="ID_1041" prev="#ID_1040" next="#ID_1042"> wird. Oft habe ich Sic in Ihre frühern Verhältnisse gleichsam zurückgedacht,<lb/>
nicht in die wiener &#x2014; dort ist kein Heil! &#x2014; zum Fürst Primgs, zu einem<lb/>
Organ des rheinischen Bundes, sür welchen Sie neulich so schöne, kräftige<lb/>
Worte mehrmals gesprochen haben." Am 12. Febr. hatte Müller einen Ruf<lb/>
nach Tübingen erhalten, aber er konnte zu keinem Entschluß kommen. Am<lb/>
24. Aug. hehre-beiden Wieland. indem er ihm Glückwünsche. Preußen zu verlassen:<lb/>
&#x201E;Wenn es dem großen ^rditre 6ö ILurop« gefallen wird, dem ehemaligen<lb/>
germanischen Reich eine Verfassung zu geben, die eine lange äußere und<lb/>
innere Ruhe möglich macht, so kann das südliche Deutschland einer vorzüglich<lb/>
schönen und glücklichen Zeit entgegensehn. Auch das kleine Bethlehem-Weimar<lb/>
hat in der Geschichte des 18. Jahrhunderts seinen Tag gehabt; aber die<lb/>
Sonne, die ihm vor vierzig Jahren aufging, ist 1807 untergegangen, und<lb/>
die Nacht bricht herein, ohne einen neuen Tag zu versprechen .... Ueber¬<lb/>
haupt scheint mir die Zeit, da man durch Dichterei in Deutschland Sensation<lb/>
machen konnte, abgelaufen zu sein &#x2014; und man kann so viel Besseres thun<lb/>
als Verse machen!" &#x2014; Erst in Kopenhagen erfuhr Fichte, welchen schlimmen<lb/>
Eindruck die Rede vom 29. Jan. gemacht habe. &#x201E;Bedauere habe ich, daß<lb/>
nicht überhaupt die Nothwendigkeit für Sie vermieden worden, unter diesen<lb/>
Umständen reden zu müssen. Ich war den letzten Tag. da ich den Entschluß<lb/>
zu gehen faßte und ausführte, mit eigenen Angelegenheiten überhäuft, außer¬<lb/>
dem hätte ich nicht ermangelt, einen Versuch auf Sie. Sie zu demselben Ent¬<lb/>
schluß zu bewegen, zu machen. Sie hätten den letzten Triebfedern des possen¬<lb/>
haften Trauerspiels, das sich nun vollständig entwickelt hat, in der Nähe<lb/>
zugesehen. Sodann habe ich bedauert, daß nicht zwei Stellen in der<lb/>
Rede wegbleiben konnten. Ich bescheide mich nicht zu wissen, inwiefern die<lb/>
Ihnen bekannte Ansicht des Gegners Sie nöthigte, dergleichen zuzugeben<lb/>
und auszusprechen, um nur Ihren anderweitigen Zweck zu erreichen, bin da¬<lb/>
her weit entfernt Sie zu tadeln, sondern bedauere nur. Man &#x2014; der Mann,<lb/>
der so viel auf sich nimmt &#x2014; sagt. Sic gedächten Ihre Verhältnisse zu ver¬<lb/>
ändern. Wolle Gott nicht, daß das wahr sei! Sie würden dadurch Ihren,<lb/>
ich hoffe selbst nur irrenden Detractoren Recht geben. Ueberdies scheint mir<lb/>
jetzt, wo eine Wahl des Bessern gar nicht möglich ist, die einzige Partei des<lb/>
Mannes von Charakter, daß er sich aller Wahl begebe und sich an sein vor¬<lb/>
gefundenes Sein halte." &#x2014; Noch den 8. Aug: &#x201E;Die Mißdeutung Ihrer<lb/>
Denkart ist zu einer Menge achtungswürdiger Menschen gar nicht durch¬<lb/>
gedrungen; von den andern kenne ich keinen, der nicht sein Urtheil suspen-<lb/>
dirt habe, der nicht wünsche, Sie rem und tadellos zu finden." Ende desselben<lb/>
Monats kehrte Fichte nach Berlin zurück, wo er neben Müller wohnte, und<lb/>
aus allen Kräften bemüht war. ihn für Preußen zu erhalten. &#x2014; &#x201E;Wie. theurer<lb/>
Freund." schreibt ihm Hufeland, der Leibarzt des Königs, aus Memel</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0460] wird. Oft habe ich Sic in Ihre frühern Verhältnisse gleichsam zurückgedacht, nicht in die wiener — dort ist kein Heil! — zum Fürst Primgs, zu einem Organ des rheinischen Bundes, sür welchen Sie neulich so schöne, kräftige Worte mehrmals gesprochen haben." Am 12. Febr. hatte Müller einen Ruf nach Tübingen erhalten, aber er konnte zu keinem Entschluß kommen. Am 24. Aug. hehre-beiden Wieland. indem er ihm Glückwünsche. Preußen zu verlassen: „Wenn es dem großen ^rditre 6ö ILurop« gefallen wird, dem ehemaligen germanischen Reich eine Verfassung zu geben, die eine lange äußere und innere Ruhe möglich macht, so kann das südliche Deutschland einer vorzüglich schönen und glücklichen Zeit entgegensehn. Auch das kleine Bethlehem-Weimar hat in der Geschichte des 18. Jahrhunderts seinen Tag gehabt; aber die Sonne, die ihm vor vierzig Jahren aufging, ist 1807 untergegangen, und die Nacht bricht herein, ohne einen neuen Tag zu versprechen .... Ueber¬ haupt scheint mir die Zeit, da man durch Dichterei in Deutschland Sensation machen konnte, abgelaufen zu sein — und man kann so viel Besseres thun als Verse machen!" — Erst in Kopenhagen erfuhr Fichte, welchen schlimmen Eindruck die Rede vom 29. Jan. gemacht habe. „Bedauere habe ich, daß nicht überhaupt die Nothwendigkeit für Sie vermieden worden, unter diesen Umständen reden zu müssen. Ich war den letzten Tag. da ich den Entschluß zu gehen faßte und ausführte, mit eigenen Angelegenheiten überhäuft, außer¬ dem hätte ich nicht ermangelt, einen Versuch auf Sie. Sie zu demselben Ent¬ schluß zu bewegen, zu machen. Sie hätten den letzten Triebfedern des possen¬ haften Trauerspiels, das sich nun vollständig entwickelt hat, in der Nähe zugesehen. Sodann habe ich bedauert, daß nicht zwei Stellen in der Rede wegbleiben konnten. Ich bescheide mich nicht zu wissen, inwiefern die Ihnen bekannte Ansicht des Gegners Sie nöthigte, dergleichen zuzugeben und auszusprechen, um nur Ihren anderweitigen Zweck zu erreichen, bin da¬ her weit entfernt Sie zu tadeln, sondern bedauere nur. Man — der Mann, der so viel auf sich nimmt — sagt. Sic gedächten Ihre Verhältnisse zu ver¬ ändern. Wolle Gott nicht, daß das wahr sei! Sie würden dadurch Ihren, ich hoffe selbst nur irrenden Detractoren Recht geben. Ueberdies scheint mir jetzt, wo eine Wahl des Bessern gar nicht möglich ist, die einzige Partei des Mannes von Charakter, daß er sich aller Wahl begebe und sich an sein vor¬ gefundenes Sein halte." — Noch den 8. Aug: „Die Mißdeutung Ihrer Denkart ist zu einer Menge achtungswürdiger Menschen gar nicht durch¬ gedrungen; von den andern kenne ich keinen, der nicht sein Urtheil suspen- dirt habe, der nicht wünsche, Sie rem und tadellos zu finden." Ende desselben Monats kehrte Fichte nach Berlin zurück, wo er neben Müller wohnte, und aus allen Kräften bemüht war. ihn für Preußen zu erhalten. — „Wie. theurer Freund." schreibt ihm Hufeland, der Leibarzt des Königs, aus Memel

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/460
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/460>, abgerufen am 22.12.2024.