Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.leicht noch mit jugendlicher Kraft der Verstellungen in die neue Ordnung leicht noch mit jugendlicher Kraft der Verstellungen in die neue Ordnung <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0426" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/186839"/> <p xml:id="ID_967" prev="#ID_966" next="#ID_968"> leicht noch mit jugendlicher Kraft der Verstellungen in die neue Ordnung<lb/> schwingen würde. An jedem Versuch dazu erschöpfte sich immer mehr und<lb/> mehr sein inneres und äußeres Ueber, wenn gleich Napoleons Bild begeisternd<lb/> und stärkend vor ihn trat." — Woltmanns Zeugniß könnte verdächtig er¬<lb/> scheinen, aber die Herausgeber der Müllcrschen Briefe haben dafür gesorgt,<lb/> es durch zahlreiche Mittheilungen zu bestätigen. Am ausführlichsten spricht<lb/> sich Müller über seine Audienz in dem Brief an seinen Bruder vom 25. Nov.<lb/> 180» aus. ..Der Kaiser fing an von der Geschickte der Schweiz zu sprechen:<lb/> daß ich sie vollenden solle. Er kam auf das Vermittlnngsmerk, gab sehr gu¬<lb/> ten Willen zu erkennen/ wenn nur nur uns in nichts Fremdes mischen und<lb/> im Innern ruhig bleiben. Wir gingen von der schweizerischen auf die alt-<lb/> griechische Verfassung und Geschichte über, auf die Theorie der Verfassungen,<lb/> auf die gänzliche Verschiedenheit der asiatischen (und derselben Ursachen im<lb/> Klima, der Polygamie u. a.) die entgegengesetzten Charaktere der Araber<lb/> (welche der Kaiser sehr rühmte); und der tartarischen Stämme, (welches aus<lb/> die für alle Civilisation immer von jener Seite zu besorgenden Einfälle und<lb/> auf die Nothwendigkeit einer Vormauer führte) —; von dem eigentlichen Werth<lb/> der europäischen Cultur (die größere Freiheit. Sicherheit des Eigenthums,<lb/> Humanität, überhaupt schönere Zeiten, als seit dem l,5>. Jahrhundert); als¬<lb/> dann wie alles verkettet und in der unerforschlichen Leitung einer unsichtbaren<lb/> Hand ist und er selbst groß geworden durch seine Feinde; von der großen<lb/> Völkerföderation, von dem Grund aller Religion und ihrer Nothwendigkeit;<lb/> daß der Mensch für vollkommen klare Wahrheit wol nicht gemacht ist, und<lb/> bedarf in Ordnung gehalten zu werden; von der Möglichkeit eines gleichwol<lb/> glücklichen Zustandes, wenn die vielen Fehden aufhörten, welche durch allzu<lb/> verwickelte Verfassungen (dergleichen die deutsche) und unerträgliche Belastun¬<lb/> gen der Staaten durch die übergroßen Armeen hervorgerufen worden. Es ist<lb/> noch sehr viel und in der That über fast alle Länder und Nationen gespro¬<lb/> chen worden. Der Kaiser sprach anfangs wie gewöhnlich; je interessanter<lb/> aber die Unterhaltung wurde, immer leiser, so daß ich mich ganz bis um sein<lb/> Gesicht bücken mußte und kein Mensch verstanden haben tan», was er sagte<lb/> (wie ich denn auch Verschiedenes nie sagen werde). Ich widersprach zuweilen<lb/> und er ging in die Discussion ein. Ganz unparteiisch und wahrhaft wie<lb/> vor Gott muß ich sagen, daß die Mannigfaltigkeit seiner Kenntniß, die Fein¬<lb/> heit seiner Beobachtungen, der gediegene Verstand (nicht blendender Witz),<lb/> die große, umfassende Uebeisicht mich mit Bewunderung, so wie seine Manier<lb/> mit mir zu sprechen, mit Liebe für ihn erfüllte. Nach anderthalb Stunden<lb/> ließ er das Concert anfangen, und ich weiß nicht, ob zufällig oder aus<lb/> Güte, er begehrte Stücke, deren zumal eines auf das Hirtenleben und den<lb/> schweizerischen Kuhreigen sich bezog. Nach diesem verbeugte er sich freundlich</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0426]
leicht noch mit jugendlicher Kraft der Verstellungen in die neue Ordnung
schwingen würde. An jedem Versuch dazu erschöpfte sich immer mehr und
mehr sein inneres und äußeres Ueber, wenn gleich Napoleons Bild begeisternd
und stärkend vor ihn trat." — Woltmanns Zeugniß könnte verdächtig er¬
scheinen, aber die Herausgeber der Müllcrschen Briefe haben dafür gesorgt,
es durch zahlreiche Mittheilungen zu bestätigen. Am ausführlichsten spricht
sich Müller über seine Audienz in dem Brief an seinen Bruder vom 25. Nov.
180» aus. ..Der Kaiser fing an von der Geschickte der Schweiz zu sprechen:
daß ich sie vollenden solle. Er kam auf das Vermittlnngsmerk, gab sehr gu¬
ten Willen zu erkennen/ wenn nur nur uns in nichts Fremdes mischen und
im Innern ruhig bleiben. Wir gingen von der schweizerischen auf die alt-
griechische Verfassung und Geschichte über, auf die Theorie der Verfassungen,
auf die gänzliche Verschiedenheit der asiatischen (und derselben Ursachen im
Klima, der Polygamie u. a.) die entgegengesetzten Charaktere der Araber
(welche der Kaiser sehr rühmte); und der tartarischen Stämme, (welches aus
die für alle Civilisation immer von jener Seite zu besorgenden Einfälle und
auf die Nothwendigkeit einer Vormauer führte) —; von dem eigentlichen Werth
der europäischen Cultur (die größere Freiheit. Sicherheit des Eigenthums,
Humanität, überhaupt schönere Zeiten, als seit dem l,5>. Jahrhundert); als¬
dann wie alles verkettet und in der unerforschlichen Leitung einer unsichtbaren
Hand ist und er selbst groß geworden durch seine Feinde; von der großen
Völkerföderation, von dem Grund aller Religion und ihrer Nothwendigkeit;
daß der Mensch für vollkommen klare Wahrheit wol nicht gemacht ist, und
bedarf in Ordnung gehalten zu werden; von der Möglichkeit eines gleichwol
glücklichen Zustandes, wenn die vielen Fehden aufhörten, welche durch allzu
verwickelte Verfassungen (dergleichen die deutsche) und unerträgliche Belastun¬
gen der Staaten durch die übergroßen Armeen hervorgerufen worden. Es ist
noch sehr viel und in der That über fast alle Länder und Nationen gespro¬
chen worden. Der Kaiser sprach anfangs wie gewöhnlich; je interessanter
aber die Unterhaltung wurde, immer leiser, so daß ich mich ganz bis um sein
Gesicht bücken mußte und kein Mensch verstanden haben tan», was er sagte
(wie ich denn auch Verschiedenes nie sagen werde). Ich widersprach zuweilen
und er ging in die Discussion ein. Ganz unparteiisch und wahrhaft wie
vor Gott muß ich sagen, daß die Mannigfaltigkeit seiner Kenntniß, die Fein¬
heit seiner Beobachtungen, der gediegene Verstand (nicht blendender Witz),
die große, umfassende Uebeisicht mich mit Bewunderung, so wie seine Manier
mit mir zu sprechen, mit Liebe für ihn erfüllte. Nach anderthalb Stunden
ließ er das Concert anfangen, und ich weiß nicht, ob zufällig oder aus
Güte, er begehrte Stücke, deren zumal eines auf das Hirtenleben und den
schweizerischen Kuhreigen sich bezog. Nach diesem verbeugte er sich freundlich
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