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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

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Das heißt doch sich selbst prostituiren. Was hat denn ein armer Sklave
für Schuld? Er mußte thun, was ihm befohlen war. Die Kröte, die hat es
verdient, von einem Stier auf die Hörner genommen zu werden. Aber wer
den Esel nicht schlagen kann, schlägt den Sack. Wie konnte aber auch Glyko
glauben, daß die Tochter des Hermogcnes jemals gut thun würde? Eher
konnte man einem Habicht im Fluge die Nägel abschneiden. Eine Viper bringt
kein Tau zur Welt. Glyko hat sich selbst gebrandmarkt. und das Zeichen
wird er mit in sein Grab nehmen. Aber jeder macht seine Dummheiten für
eigne Rechnung. Uebrigens habe ich eine Witterung, daß Mammca uns
einen Schmaus geben wird, ich und unsre Leute werden zwei Denar per
Mann bekommen. Wenn er das thut, wird er den Norbanus ganz ausstechen,
das könnt ihr mir glauben; er wird ehr um mehr als um eine Pferdelänge
schlagen. Und was hat der uns denn auch eigentlich Gutes gethan? Er hat
Gladiatoren gegeben, Kerle für einen Groschen; hätte man sie angeblasen,
so wären sie umgefallen, ich habe schon unter den Leuten, die den Thieren
vorgeworfen werden, bessre gesehn. Die Reiter waren wie Mnnnerchen auf
Lampendeckeln, es war als wenn Hähne fochten, und der eine war ein Hans¬
wurst, der Andre krummfüßig, und der dritte, der Ersatzmann, ein Cadavcr
an Statt des andern, mit zerschnittenen Sehnen. Ein einziger hatte
etwas Statur, der Thracier, und schlug sich auch wie einer, der seine Schule
durchgemacht hat, die andern liefen ja gleich. Und dann sagt so einer noch:
Ich habe dir doch ein Gladiatorenspiel gegeben. Nun und ich applaudire.
Wenn du rechnest, wirst du finden, daß ich noch mehr gebe als ich bekommen
habe, eine Hand wäscht die andere."

Unter den Gästen Trimalchios befindet sich auch ein Professor der Beredt-
samkeit. An diesen wendet sich der letzte Redner. ,>Du siehst so aus als
wenn du denkst: Was schwatzt der Kerl da zusammen? Weil du, der du doch
ein so kluger Mann bist und so gut reden kannst, gar nichts sagst. Du bist
nicht aus demselben Bündel wie wir und darum lachst du arme" Leute wegen
ihrer Reden aus. Nun. nun ich denke dich noch einmal zu überreden zu
mir aufs Land hinaus zu kommen und meine Häuserchen zu sehen, wir wer¬
den schon was zu knuppern finden, ein Huhn, ein Paar Eier, wenn uns auch
in diesem Jahr die Witterung böse Streiche gespielt hat. Kurz wir werden schon
was finden, wovon wir satt werden können. In meinem kleinen Cicero wächst ein
Schüler für dich heran, er kann schon die vier Species, wenn er am Leben
bleibt, wirst du an ihm einen Burschen zur Aufwartung haben. Wenn er nur
irgend freie Zeit hat, hebt er den Kopf nicht vom Rechenbret in die Höhe,
er hat Kopf und ist von guter Art, wenn er nur nicht so auf die Vögel
versessen wäre. Ich habe schon drei Stieglitzen den Hals umgedreht und
gesagt, der Marder Hütte sie geholt, aber er hat sich neue verschafft. Er malt


Grenzboten 11. 185". 52

Das heißt doch sich selbst prostituiren. Was hat denn ein armer Sklave
für Schuld? Er mußte thun, was ihm befohlen war. Die Kröte, die hat es
verdient, von einem Stier auf die Hörner genommen zu werden. Aber wer
den Esel nicht schlagen kann, schlägt den Sack. Wie konnte aber auch Glyko
glauben, daß die Tochter des Hermogcnes jemals gut thun würde? Eher
konnte man einem Habicht im Fluge die Nägel abschneiden. Eine Viper bringt
kein Tau zur Welt. Glyko hat sich selbst gebrandmarkt. und das Zeichen
wird er mit in sein Grab nehmen. Aber jeder macht seine Dummheiten für
eigne Rechnung. Uebrigens habe ich eine Witterung, daß Mammca uns
einen Schmaus geben wird, ich und unsre Leute werden zwei Denar per
Mann bekommen. Wenn er das thut, wird er den Norbanus ganz ausstechen,
das könnt ihr mir glauben; er wird ehr um mehr als um eine Pferdelänge
schlagen. Und was hat der uns denn auch eigentlich Gutes gethan? Er hat
Gladiatoren gegeben, Kerle für einen Groschen; hätte man sie angeblasen,
so wären sie umgefallen, ich habe schon unter den Leuten, die den Thieren
vorgeworfen werden, bessre gesehn. Die Reiter waren wie Mnnnerchen auf
Lampendeckeln, es war als wenn Hähne fochten, und der eine war ein Hans¬
wurst, der Andre krummfüßig, und der dritte, der Ersatzmann, ein Cadavcr
an Statt des andern, mit zerschnittenen Sehnen. Ein einziger hatte
etwas Statur, der Thracier, und schlug sich auch wie einer, der seine Schule
durchgemacht hat, die andern liefen ja gleich. Und dann sagt so einer noch:
Ich habe dir doch ein Gladiatorenspiel gegeben. Nun und ich applaudire.
Wenn du rechnest, wirst du finden, daß ich noch mehr gebe als ich bekommen
habe, eine Hand wäscht die andere."

Unter den Gästen Trimalchios befindet sich auch ein Professor der Beredt-
samkeit. An diesen wendet sich der letzte Redner. ,>Du siehst so aus als
wenn du denkst: Was schwatzt der Kerl da zusammen? Weil du, der du doch
ein so kluger Mann bist und so gut reden kannst, gar nichts sagst. Du bist
nicht aus demselben Bündel wie wir und darum lachst du arme» Leute wegen
ihrer Reden aus. Nun. nun ich denke dich noch einmal zu überreden zu
mir aufs Land hinaus zu kommen und meine Häuserchen zu sehen, wir wer¬
den schon was zu knuppern finden, ein Huhn, ein Paar Eier, wenn uns auch
in diesem Jahr die Witterung böse Streiche gespielt hat. Kurz wir werden schon
was finden, wovon wir satt werden können. In meinem kleinen Cicero wächst ein
Schüler für dich heran, er kann schon die vier Species, wenn er am Leben
bleibt, wirst du an ihm einen Burschen zur Aufwartung haben. Wenn er nur
irgend freie Zeit hat, hebt er den Kopf nicht vom Rechenbret in die Höhe,
er hat Kopf und ist von guter Art, wenn er nur nicht so auf die Vögel
versessen wäre. Ich habe schon drei Stieglitzen den Hals umgedreht und
gesagt, der Marder Hütte sie geholt, aber er hat sich neue verschafft. Er malt


Grenzboten 11. 185». 52
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[0417] Das heißt doch sich selbst prostituiren. Was hat denn ein armer Sklave für Schuld? Er mußte thun, was ihm befohlen war. Die Kröte, die hat es verdient, von einem Stier auf die Hörner genommen zu werden. Aber wer den Esel nicht schlagen kann, schlägt den Sack. Wie konnte aber auch Glyko glauben, daß die Tochter des Hermogcnes jemals gut thun würde? Eher konnte man einem Habicht im Fluge die Nägel abschneiden. Eine Viper bringt kein Tau zur Welt. Glyko hat sich selbst gebrandmarkt. und das Zeichen wird er mit in sein Grab nehmen. Aber jeder macht seine Dummheiten für eigne Rechnung. Uebrigens habe ich eine Witterung, daß Mammca uns einen Schmaus geben wird, ich und unsre Leute werden zwei Denar per Mann bekommen. Wenn er das thut, wird er den Norbanus ganz ausstechen, das könnt ihr mir glauben; er wird ehr um mehr als um eine Pferdelänge schlagen. Und was hat der uns denn auch eigentlich Gutes gethan? Er hat Gladiatoren gegeben, Kerle für einen Groschen; hätte man sie angeblasen, so wären sie umgefallen, ich habe schon unter den Leuten, die den Thieren vorgeworfen werden, bessre gesehn. Die Reiter waren wie Mnnnerchen auf Lampendeckeln, es war als wenn Hähne fochten, und der eine war ein Hans¬ wurst, der Andre krummfüßig, und der dritte, der Ersatzmann, ein Cadavcr an Statt des andern, mit zerschnittenen Sehnen. Ein einziger hatte etwas Statur, der Thracier, und schlug sich auch wie einer, der seine Schule durchgemacht hat, die andern liefen ja gleich. Und dann sagt so einer noch: Ich habe dir doch ein Gladiatorenspiel gegeben. Nun und ich applaudire. Wenn du rechnest, wirst du finden, daß ich noch mehr gebe als ich bekommen habe, eine Hand wäscht die andere." Unter den Gästen Trimalchios befindet sich auch ein Professor der Beredt- samkeit. An diesen wendet sich der letzte Redner. ,>Du siehst so aus als wenn du denkst: Was schwatzt der Kerl da zusammen? Weil du, der du doch ein so kluger Mann bist und so gut reden kannst, gar nichts sagst. Du bist nicht aus demselben Bündel wie wir und darum lachst du arme» Leute wegen ihrer Reden aus. Nun. nun ich denke dich noch einmal zu überreden zu mir aufs Land hinaus zu kommen und meine Häuserchen zu sehen, wir wer¬ den schon was zu knuppern finden, ein Huhn, ein Paar Eier, wenn uns auch in diesem Jahr die Witterung böse Streiche gespielt hat. Kurz wir werden schon was finden, wovon wir satt werden können. In meinem kleinen Cicero wächst ein Schüler für dich heran, er kann schon die vier Species, wenn er am Leben bleibt, wirst du an ihm einen Burschen zur Aufwartung haben. Wenn er nur irgend freie Zeit hat, hebt er den Kopf nicht vom Rechenbret in die Höhe, er hat Kopf und ist von guter Art, wenn er nur nicht so auf die Vögel versessen wäre. Ich habe schon drei Stieglitzen den Hals umgedreht und gesagt, der Marder Hütte sie geholt, aber er hat sich neue verschafft. Er malt Grenzboten 11. 185». 52

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/417>, abgerufen am 22.12.2024.