Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.Munde der Frau fliegen sahen. Das geben wir für seine Wahrheit ans, Dieser Actus war durchaus glücklich und wohl verrichtet, Gott sei gelobt! So weit die Mittheilung aus der Flugschrift. Das Ende ist erbaulich, Die Erzählung hat für den deutschen Alterthumsforscher einiges Inter¬ Die Zärtlichkeit, mit welcher beide Kirchen um die Besessenen sorgten, Munde der Frau fliegen sahen. Das geben wir für seine Wahrheit ans, Dieser Actus war durchaus glücklich und wohl verrichtet, Gott sei gelobt! So weit die Mittheilung aus der Flugschrift. Das Ende ist erbaulich, Die Erzählung hat für den deutschen Alterthumsforscher einiges Inter¬ Die Zärtlichkeit, mit welcher beide Kirchen um die Besessenen sorgten, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0389" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/186802"/> <p xml:id="ID_874" prev="#ID_873"> Munde der Frau fliegen sahen. Das geben wir für seine Wahrheit ans,<lb/> weil es keiner von uns gesehen, denn wir wollen nicht mehr Bericht geben,<lb/> als wir im Fall der Noth bei unserer priesterlichen Wurde mit höchstem Eid<lb/> und gutem Gewissen betheuern können.</p><lb/> <p xml:id="ID_875"> Dieser Actus war durchaus glücklich und wohl verrichtet, Gott sei gelobt!<lb/> und gedachte Apollonia sing an die Hände zusammenzuschlagen. Da neigte<lb/> sich Herr Dechant zu ihr nieder, that ihr die Stola von den Händen, fragte<lb/> sie und sprach: „Liebe Apollonia, wie gehabst du dich jetzt? kennst du wieder<lb/> mich und die Leute?" Da will die befreite Fran vor Freude in dem Bettlein<lb/> aufspringen und dem Herrn Dechant um den Hals fallen — das machte<lb/> manches Auge naß — aber die Glieder und der ganze Leib waren so sehr<lb/> zerrissen, daß sie so viel Kräfte nicht gehabt hat, so schlägt sie ihre Hände<lb/> über dem Kopf zusammen, sieht auf gen Himmel und ruft zu drei Malen:<lb/> „O allmächtiger, ewiger Gott, dir sei Lob, Ehr und Preis in Ewigkeii! O<lb/> Gott, verzeih und vergib mir, daß ich so hart und schwer wider dich ge¬<lb/> sündigt habe! O Herr jetzt will ich gern sterben!" —</p><lb/> <p xml:id="ID_876"> So weit die Mittheilung aus der Flugschrift. Das Ende ist erbaulich,<lb/> der tapfere Dechant erntet den Lohn seiner gefährlichen Arbeit, er gewinnt<lb/> die Seele der Apollonia für seine Kirche, sie ermahnt ihren Mann, gelobt<lb/> eine Wallfahrt und die zänkischen Gatten leben seitdem, so scheint es, fried¬<lb/> fertiger zusammen.</p><lb/> <p xml:id="ID_877"> Die Erzählung hat für den deutschen Alterthumsforscher einiges Inter¬<lb/> essante. Außer dem Namen des Teufels sind auch die schwarzen Vögel<lb/> Erinnerungen an die dunkle Gestalt des alten Wuotan. Das behagliche De¬<lb/> tail, mit welchem die Zustände der Frau Apollonia erzählt sind, läßt wenigstens<lb/> ungefähr das Wesen ihrer Krankheit erkennen, und selbst das, was der reli¬<lb/> giöse Eifer des Erzählers — wie wir gern annehmen, ihm selbst unbewußt<lb/> — dem geistlichen Examen des Teufels zugedichtet hat. ist harmloser, als<lb/> in vielen ähnlichen Fällen.</p><lb/> <p xml:id="ID_878" next="#ID_879"> Die Zärtlichkeit, mit welcher beide Kirchen um die Besessenen sorgten,<lb/> und die fromme Theilnahme, mit welcher die Gläubigen ein Opferndes<lb/> Teufels bedachten, machte dergleichen Zustände auch zu einem Gegenstand<lb/> der Speculation. So machte in Thüringen um 1560 ein Hirt, Hans Vater<lb/> von Mettingen, großes Aufsehn. Er gab vor, durch den Genuß von<lb/> Brot, das ihm ein übelberüchtigter Mensch mit Gewalt ein genöthiget<lb/> hatte, in die Gewalt des Teufels gekommen zu sein. Er wurde vom<lb/> Teufel übel behandelt und viel geprügelt und zeigte die blauen Flecke<lb/> und Striemen. Deshalb wurde er in einer Flugschrift dem Gebet der Christen¬<lb/> heit eifrig empfohlen. Aber als er einige Zeit darauf in Nürnberg erschien.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0389]
Munde der Frau fliegen sahen. Das geben wir für seine Wahrheit ans,
weil es keiner von uns gesehen, denn wir wollen nicht mehr Bericht geben,
als wir im Fall der Noth bei unserer priesterlichen Wurde mit höchstem Eid
und gutem Gewissen betheuern können.
Dieser Actus war durchaus glücklich und wohl verrichtet, Gott sei gelobt!
und gedachte Apollonia sing an die Hände zusammenzuschlagen. Da neigte
sich Herr Dechant zu ihr nieder, that ihr die Stola von den Händen, fragte
sie und sprach: „Liebe Apollonia, wie gehabst du dich jetzt? kennst du wieder
mich und die Leute?" Da will die befreite Fran vor Freude in dem Bettlein
aufspringen und dem Herrn Dechant um den Hals fallen — das machte
manches Auge naß — aber die Glieder und der ganze Leib waren so sehr
zerrissen, daß sie so viel Kräfte nicht gehabt hat, so schlägt sie ihre Hände
über dem Kopf zusammen, sieht auf gen Himmel und ruft zu drei Malen:
„O allmächtiger, ewiger Gott, dir sei Lob, Ehr und Preis in Ewigkeii! O
Gott, verzeih und vergib mir, daß ich so hart und schwer wider dich ge¬
sündigt habe! O Herr jetzt will ich gern sterben!" —
So weit die Mittheilung aus der Flugschrift. Das Ende ist erbaulich,
der tapfere Dechant erntet den Lohn seiner gefährlichen Arbeit, er gewinnt
die Seele der Apollonia für seine Kirche, sie ermahnt ihren Mann, gelobt
eine Wallfahrt und die zänkischen Gatten leben seitdem, so scheint es, fried¬
fertiger zusammen.
Die Erzählung hat für den deutschen Alterthumsforscher einiges Inter¬
essante. Außer dem Namen des Teufels sind auch die schwarzen Vögel
Erinnerungen an die dunkle Gestalt des alten Wuotan. Das behagliche De¬
tail, mit welchem die Zustände der Frau Apollonia erzählt sind, läßt wenigstens
ungefähr das Wesen ihrer Krankheit erkennen, und selbst das, was der reli¬
giöse Eifer des Erzählers — wie wir gern annehmen, ihm selbst unbewußt
— dem geistlichen Examen des Teufels zugedichtet hat. ist harmloser, als
in vielen ähnlichen Fällen.
Die Zärtlichkeit, mit welcher beide Kirchen um die Besessenen sorgten,
und die fromme Theilnahme, mit welcher die Gläubigen ein Opferndes
Teufels bedachten, machte dergleichen Zustände auch zu einem Gegenstand
der Speculation. So machte in Thüringen um 1560 ein Hirt, Hans Vater
von Mettingen, großes Aufsehn. Er gab vor, durch den Genuß von
Brot, das ihm ein übelberüchtigter Mensch mit Gewalt ein genöthiget
hatte, in die Gewalt des Teufels gekommen zu sein. Er wurde vom
Teufel übel behandelt und viel geprügelt und zeigte die blauen Flecke
und Striemen. Deshalb wurde er in einer Flugschrift dem Gebet der Christen¬
heit eifrig empfohlen. Aber als er einige Zeit darauf in Nürnberg erschien.
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