Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.Gewalt hat König Friedrich Besitz ergriffen von den Gebieten dieser Herrn. Den würtembergischen Ständen scheint es beschieden, für Deutschland Durch den Landtagsabschied von 1565 wurde das evangelisch-lutherische Gewalt hat König Friedrich Besitz ergriffen von den Gebieten dieser Herrn. Den würtembergischen Ständen scheint es beschieden, für Deutschland Durch den Landtagsabschied von 1565 wurde das evangelisch-lutherische <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0309" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/186721"/> <p xml:id="ID_717" prev="#ID_716"> Gewalt hat König Friedrich Besitz ergriffen von den Gebieten dieser Herrn.<lb/> (Wächter link. S. 607 ff. S. 806 ff.) Die völkerrechtliche Sanction folgte<lb/> großentheils erst nach. Die Nhcinbundacte vom 2. Juli 180» wollte<lb/> zwar den ehemaligen Reichsfürsten und Reichsgrasen wenigstens einen bevor¬<lb/> zugten Rechtszustand vergewissern; König Friedrich schien auch anfänglich dar¬<lb/> nach zu handeln; aber bald entzog er ihnen nicht nur ein Vorrecht ums andere,<lb/> sondern beschränkte sogar den ganzen Adel noch mehr, als die übrigen Staats¬<lb/> bürger. 1) Geh. v. 22. April 18«8, Verordnung vom 26. April 1812 hin¬<lb/> sichtlich der Fähigscit zu Errichtung von Familicnfideicommissen 2) Verordnung<lb/> v. II. Septbr. 1807 hinsichtlich der Wahl des Wohn- und Aufenthaltsorts;<lb/> 3) Decret v. 14. Juni 1808 hinsichtlich der Eingehung von Ehen. Privilegirter<lb/> Gerichtsstand, der Adelstitel und einige nichtssagende Ehrenvorzüge waren<lb/> das Einzige, was ihnen noch gelassen wurde. Das war der Einstand des<lb/> Adels in die würteinbergische Untcrthanenschaft. Ist unter diesen Umständen<lb/> wol anzunehmen, daß den würtembergischen Adel eine tiefgewurzelte Neigung<lb/> an den Thron fesselt? und ist anzunehmen, das; der ehrwürdige Monarch,<lb/> welcher nun mehr n!ö 40 Jahre segensvoll dieses Land regiert, dem Adel<lb/> näher stehe, als dem Volt, welches treu an seinem Fürstenhause gehangen<lb/> Jahrhunderte lang? — Erscheint demnach diese anderswo vor der Hand we¬<lb/> nigstens siegreiche und ihren Sieg gehörig ausbeutende Macht in Würtem-<lb/> berg mehr oder weniger als eine Scheinmacht, so erhebt sich doch neben ihr<lb/> eine andere, deren unheimliche Stärke heutigen Tags wol niemand mehr be-<lb/> streiten wird — eine Macht, unerschöpflich in bereiten Mitteln und unüber-<lb/> troffen in Aufsindung neuer Hilfsquelle» — eine Macht, gewaltig durch die<lb/> Huld der Höfe und furchtbar durch die Wucht der Massen — die katholische<lb/> Kirche.</p><lb/> <p xml:id="ID_718"> Den würtembergischen Ständen scheint es beschieden, für Deutschland<lb/> als die ersten verfassungsmäßigen Volksvertreter in die Schranken zu treten<lb/> gegen die neu wieder geltend gemachten Ansprüche des römischen Stuhles auf<lb/> Rechte, welche nach heutigen Begriffen mit der Staatsgewalt verknüpft erschei¬<lb/> nen, als unerläßlich zu Erfüllung ihrer Aufgabe. Ich will nicht auf die ein¬<lb/> zelnen Bestimmungen der im vorigen Jahre zu Stande gekommenen Verein¬<lb/> barung zwischen der römischen Curie und der königlich würtembergischen Re¬<lb/> gierung näher eingehen. Das ist von anderer Seite weitläufig und erschöpfend<lb/> geschehen. Ich will nur einen flüchtigen Blick werfen ans die Entwickelung<lb/> des Verhältnisses zwischen Staat und Kirche in Würtemberg, um vorzuberei¬<lb/> ten auf das. was kommen wird; denn alle Sprünge in der Entwickelung<lb/> der Staaten und Volksstämme sind nur scheinbar.</p><lb/> <p xml:id="ID_719" next="#ID_720"> Durch den Landtagsabschied von 1565 wurde das evangelisch-lutherische<lb/> Bekenntniß zur Landesreligion erklärt d. h. nach damaliger Auffassung: nicht</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0309]
Gewalt hat König Friedrich Besitz ergriffen von den Gebieten dieser Herrn.
(Wächter link. S. 607 ff. S. 806 ff.) Die völkerrechtliche Sanction folgte
großentheils erst nach. Die Nhcinbundacte vom 2. Juli 180» wollte
zwar den ehemaligen Reichsfürsten und Reichsgrasen wenigstens einen bevor¬
zugten Rechtszustand vergewissern; König Friedrich schien auch anfänglich dar¬
nach zu handeln; aber bald entzog er ihnen nicht nur ein Vorrecht ums andere,
sondern beschränkte sogar den ganzen Adel noch mehr, als die übrigen Staats¬
bürger. 1) Geh. v. 22. April 18«8, Verordnung vom 26. April 1812 hin¬
sichtlich der Fähigscit zu Errichtung von Familicnfideicommissen 2) Verordnung
v. II. Septbr. 1807 hinsichtlich der Wahl des Wohn- und Aufenthaltsorts;
3) Decret v. 14. Juni 1808 hinsichtlich der Eingehung von Ehen. Privilegirter
Gerichtsstand, der Adelstitel und einige nichtssagende Ehrenvorzüge waren
das Einzige, was ihnen noch gelassen wurde. Das war der Einstand des
Adels in die würteinbergische Untcrthanenschaft. Ist unter diesen Umständen
wol anzunehmen, daß den würtembergischen Adel eine tiefgewurzelte Neigung
an den Thron fesselt? und ist anzunehmen, das; der ehrwürdige Monarch,
welcher nun mehr n!ö 40 Jahre segensvoll dieses Land regiert, dem Adel
näher stehe, als dem Volt, welches treu an seinem Fürstenhause gehangen
Jahrhunderte lang? — Erscheint demnach diese anderswo vor der Hand we¬
nigstens siegreiche und ihren Sieg gehörig ausbeutende Macht in Würtem-
berg mehr oder weniger als eine Scheinmacht, so erhebt sich doch neben ihr
eine andere, deren unheimliche Stärke heutigen Tags wol niemand mehr be-
streiten wird — eine Macht, unerschöpflich in bereiten Mitteln und unüber-
troffen in Aufsindung neuer Hilfsquelle» — eine Macht, gewaltig durch die
Huld der Höfe und furchtbar durch die Wucht der Massen — die katholische
Kirche.
Den würtembergischen Ständen scheint es beschieden, für Deutschland
als die ersten verfassungsmäßigen Volksvertreter in die Schranken zu treten
gegen die neu wieder geltend gemachten Ansprüche des römischen Stuhles auf
Rechte, welche nach heutigen Begriffen mit der Staatsgewalt verknüpft erschei¬
nen, als unerläßlich zu Erfüllung ihrer Aufgabe. Ich will nicht auf die ein¬
zelnen Bestimmungen der im vorigen Jahre zu Stande gekommenen Verein¬
barung zwischen der römischen Curie und der königlich würtembergischen Re¬
gierung näher eingehen. Das ist von anderer Seite weitläufig und erschöpfend
geschehen. Ich will nur einen flüchtigen Blick werfen ans die Entwickelung
des Verhältnisses zwischen Staat und Kirche in Würtemberg, um vorzuberei¬
ten auf das. was kommen wird; denn alle Sprünge in der Entwickelung
der Staaten und Volksstämme sind nur scheinbar.
Durch den Landtagsabschied von 1565 wurde das evangelisch-lutherische
Bekenntniß zur Landesreligion erklärt d. h. nach damaliger Auffassung: nicht
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