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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

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Spielraum ließen, von der Einmischung der kaiserlichen Richter frei wurden
(immunes ab inwoitu iuclioum). Mit dem Sinken der kaiserlichen Macht
finden wir dann aber allgemein die bei keinem andern als den germanischen
Völkern vorkommende Erscheinung, daß die großen kaiserlichen Beamten ihr
Amt in ein eignes Recht verwandeln und wie Privateigenthum verkaufen,
vertheilen, vererben. Damit kommt auch die Gerichtsherrlichkeit in die Hände
der nunmehrigen Fürsten, neben denen die kaiserlichen Gerichte anfangs eine
concurrirende, dann eine subsidiäre Befugniß, ähnlich dem heutigen Instanzen-
zug behalten, bis auch diese den mächtigeren Fürsten gegenüber aufhört.
Diese aber schienen ihre Macht nur errungen zu haben, um sie wieder an den
ersten besten Unterthan, der Ehrgeiz und Geld hatte, zu verschleudern, und es
ist nicht abzusehen, wie weit die Zerstücklung des deutschen Reichs durch¬
geführt worden wäre, hätte nicht das Bedürfniß größerer Staatenbildungen
und der Genius einiger kräftigen Regentenhäuser dem Unheil der Klein¬
staaterei endlich Schranken gesetzt. Am leichtsinnigsten war die Gerichts¬
herrlichkeit mit den daran hängenden Einkünften an Private durch Kauf. Ver¬
pfändung oder Verleihung überlassen worden, so daß die Städte. Rittergüter.
Klöster und sonstigen geistlichen Korporationen fast sämmtlich eigne Gerichts¬
barkeit hatten, in der Regel freilich nur die niedere, bisweilen auch die
wichtigern Civilsachen, während schwerere Criminaisälle. der sogenannte Blut¬
bann, immer bei den landesherrlichen Gerichten verblieb. Seitdem durch
Eindringen des römischen Rechts und des kanonischen Processes die Schöffen
fortgefallen und die Gerichtsherrn selbst ebenso wenig im Stande waren.
Recht zu sprechen, beschränkte sich ihre Befugniß dann daraus, einen gelehrten
Richter anzustellen und zu besolden, die Genchtscinkünfte zu ziehen und da¬
von außer der Besoldung auch die Kosten der Localitäten und sonstigen
Utensilien zu tragen. Nachdem der Staat die Bedingungen für Proceßleitung.
Anstellbarkeit und Absetzbarkeit der Patrimonialrichter mit denen für die
königlichen Richter aus gleichen Fuß gebracht hatte und ein sehr weit gehen¬
des Aufsichtsrecht über sie übte, war das ganze Institut zu einem bloßen
Patronat geworden, das manche Einrichtungen erforderte, die wenn auch so er¬
bärmlich wie die patrimonialen Sitzungs- und Gefängnißlvcalitäten oder De-
positalanstalten in der Regel waren, immer gemacht sein wollten; zu einem
Patronat, das wenig Einfluß, noch weniger Revenuen brachte, aber dem
Selbstgefühl des Gerichtsherrn nicht wenig schmeichelte, und alles in allem
eine sehr überflüssige, unzeitgemäße Erscheinung in unserm Staatsleben war.

In denselben eigenthümlichen Verhältnissen hatte der eximirte Gerichts¬
stand seinen Grund. Wer mit einem Gerichtsherrn in Streit geriet!), konnte
natürlich nicht von dessen eignem Gericht sein Recht nehmen. Daher war
das competente Forum der Landesherrn bei den kaiserlichen, das Forum der


Spielraum ließen, von der Einmischung der kaiserlichen Richter frei wurden
(immunes ab inwoitu iuclioum). Mit dem Sinken der kaiserlichen Macht
finden wir dann aber allgemein die bei keinem andern als den germanischen
Völkern vorkommende Erscheinung, daß die großen kaiserlichen Beamten ihr
Amt in ein eignes Recht verwandeln und wie Privateigenthum verkaufen,
vertheilen, vererben. Damit kommt auch die Gerichtsherrlichkeit in die Hände
der nunmehrigen Fürsten, neben denen die kaiserlichen Gerichte anfangs eine
concurrirende, dann eine subsidiäre Befugniß, ähnlich dem heutigen Instanzen-
zug behalten, bis auch diese den mächtigeren Fürsten gegenüber aufhört.
Diese aber schienen ihre Macht nur errungen zu haben, um sie wieder an den
ersten besten Unterthan, der Ehrgeiz und Geld hatte, zu verschleudern, und es
ist nicht abzusehen, wie weit die Zerstücklung des deutschen Reichs durch¬
geführt worden wäre, hätte nicht das Bedürfniß größerer Staatenbildungen
und der Genius einiger kräftigen Regentenhäuser dem Unheil der Klein¬
staaterei endlich Schranken gesetzt. Am leichtsinnigsten war die Gerichts¬
herrlichkeit mit den daran hängenden Einkünften an Private durch Kauf. Ver¬
pfändung oder Verleihung überlassen worden, so daß die Städte. Rittergüter.
Klöster und sonstigen geistlichen Korporationen fast sämmtlich eigne Gerichts¬
barkeit hatten, in der Regel freilich nur die niedere, bisweilen auch die
wichtigern Civilsachen, während schwerere Criminaisälle. der sogenannte Blut¬
bann, immer bei den landesherrlichen Gerichten verblieb. Seitdem durch
Eindringen des römischen Rechts und des kanonischen Processes die Schöffen
fortgefallen und die Gerichtsherrn selbst ebenso wenig im Stande waren.
Recht zu sprechen, beschränkte sich ihre Befugniß dann daraus, einen gelehrten
Richter anzustellen und zu besolden, die Genchtscinkünfte zu ziehen und da¬
von außer der Besoldung auch die Kosten der Localitäten und sonstigen
Utensilien zu tragen. Nachdem der Staat die Bedingungen für Proceßleitung.
Anstellbarkeit und Absetzbarkeit der Patrimonialrichter mit denen für die
königlichen Richter aus gleichen Fuß gebracht hatte und ein sehr weit gehen¬
des Aufsichtsrecht über sie übte, war das ganze Institut zu einem bloßen
Patronat geworden, das manche Einrichtungen erforderte, die wenn auch so er¬
bärmlich wie die patrimonialen Sitzungs- und Gefängnißlvcalitäten oder De-
positalanstalten in der Regel waren, immer gemacht sein wollten; zu einem
Patronat, das wenig Einfluß, noch weniger Revenuen brachte, aber dem
Selbstgefühl des Gerichtsherrn nicht wenig schmeichelte, und alles in allem
eine sehr überflüssige, unzeitgemäße Erscheinung in unserm Staatsleben war.

In denselben eigenthümlichen Verhältnissen hatte der eximirte Gerichts¬
stand seinen Grund. Wer mit einem Gerichtsherrn in Streit geriet!), konnte
natürlich nicht von dessen eignem Gericht sein Recht nehmen. Daher war
das competente Forum der Landesherrn bei den kaiserlichen, das Forum der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/292>, abgerufen am 30.12.2024.