Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.reich ist es unerträglich, die Quelle der christlichen Macht, Rom, in fremden Wer diesen Schlüssen beistimme, der wird auch zugeben, daß der So stehen den kleinen Staaten Italiens und Neapel, welche sich mühsam in 33 *
reich ist es unerträglich, die Quelle der christlichen Macht, Rom, in fremden Wer diesen Schlüssen beistimme, der wird auch zugeben, daß der So stehen den kleinen Staaten Italiens und Neapel, welche sich mühsam in 33 *
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0267" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/186679"/> <p xml:id="ID_616" prev="#ID_615"> reich ist es unerträglich, die Quelle der christlichen Macht, Rom, in fremden<lb/> Händen zu sehen. Ein Kaiser von Frankreich, der durch seinen landes¬<lb/> herrlichen Einfluß das Cardinalcollegium beherrscht, den Papst wählen läßt,<lb/> den die Vorstände aller geistlichen Orden als ihren Landesherrn zu betrachten<lb/> sich gewöhnt haben, ein solcher Souverain Roms würde Oestreich so gefahr¬<lb/> voll und unleidlich sein, daß das Haus Lothringen alles daran setzen<lb/> müßte, das Unheil zu verhindern. Wenn aber Frankreich doch Sieger bliebe,<lb/> so müßte Oestreich mit all seinen Traditionen brechen und das geistliche Regi¬<lb/> ment seiner Unterthanen dadurch von der französischen Herrschaft emancipiren,<lb/> daß es das kirchliche Leben seines Volkes von Rom zu entfernen suchte.<lb/> Das Resultat solcher Schritte wäre eine deutsche katholische Kirche. Und auf<lb/> der andern Seite, wenn es Oestreich gelingt, den französischen Einfluß in<lb/> Italien zu brechen, und, gleichviel unter welchem Titel, in Rom zu herrschen,<lb/> so wird der Regent Frankreichs nichts anders thun können, als die Anfänge<lb/> der Selbstständigkeit, welche in der gallicanischen Kirche bereits vorhanden<lb/> sind, so weit auszubilden, daß eine französische katholische Kirche sich that¬<lb/> sächlich von Rom emancipirt. In diesem Falle wird Oestreich die große<lb/> katholische Macht Europas, sein Ansehn bei der gläubigen Christenheit wird<lb/> noch größer, die uralten Ideale des römischen Kaiserreichs erfüllen sich zur<lb/> elften Stunde, Italien wird östreichisch und der Romanismus wird stark in<lb/> den deutschen Landen.. Das wäre ein großer Sieg, freilich ein Sieg kurz<lb/> vor dem Ende.</p><lb/> <p xml:id="ID_617"> Wer diesen Schlüssen beistimme, der wird auch zugeben, daß der<lb/> gegenwärtige stille Kampf zwischen Frankreich und Oestreich in Italien<lb/> über kurz oder lang ein solches Ende herbeiführen muß. Zwar hat<lb/> weder Frankreich noch Oestreich das Interesse, eine Entscheidung hervor¬<lb/> zurufe», im Gegentheil liegt es beiden Staaten aufrichtig am Herzen,<lb/> den gegenwärtigen Zustand zu conserviren. Beide dulden im Kirchenstaat<lb/> die fremden Besatzungen, und zwischen beiden lavirt das Eardinal-<lb/> collegium. nach Art der Schwachen bemüht, das Gleichgewicht zwischen<lb/> beiden Parteien so viel möglich zu erhalten. Aber die Grundlagen dieses<lb/> Verhältnisses sind so unnatürlich, daß eine ernsthafte Störung auf die Länge<lb/> unvermeidlich wird. Zwar einen Aufstand italienischer Republikaner könn¬<lb/> ten beide Mächte vereint mit leichter Mühe zurückhalten, und wäre die Politik<lb/> des Kaisers Napoleon noch so besonnen, als zur Zeit des orientalischen Krieges,<lb/> so möchte eine Aenderung in der unglücklichsten Lage Italiens aus lange hin<lb/> unwahrscheinlich sein. Aber ein abenteuerlicher Zug in dem Wesen der fran¬<lb/> zösischen Politik, welcher in den letzten Monaten stärker hervorgetreten ist.<lb/> macht gegenwärtig alles unsicher.</p><lb/> <p xml:id="ID_618" next="#ID_619"> So stehen den kleinen Staaten Italiens und Neapel, welche sich mühsam in</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 33 *</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0267]
reich ist es unerträglich, die Quelle der christlichen Macht, Rom, in fremden
Händen zu sehen. Ein Kaiser von Frankreich, der durch seinen landes¬
herrlichen Einfluß das Cardinalcollegium beherrscht, den Papst wählen läßt,
den die Vorstände aller geistlichen Orden als ihren Landesherrn zu betrachten
sich gewöhnt haben, ein solcher Souverain Roms würde Oestreich so gefahr¬
voll und unleidlich sein, daß das Haus Lothringen alles daran setzen
müßte, das Unheil zu verhindern. Wenn aber Frankreich doch Sieger bliebe,
so müßte Oestreich mit all seinen Traditionen brechen und das geistliche Regi¬
ment seiner Unterthanen dadurch von der französischen Herrschaft emancipiren,
daß es das kirchliche Leben seines Volkes von Rom zu entfernen suchte.
Das Resultat solcher Schritte wäre eine deutsche katholische Kirche. Und auf
der andern Seite, wenn es Oestreich gelingt, den französischen Einfluß in
Italien zu brechen, und, gleichviel unter welchem Titel, in Rom zu herrschen,
so wird der Regent Frankreichs nichts anders thun können, als die Anfänge
der Selbstständigkeit, welche in der gallicanischen Kirche bereits vorhanden
sind, so weit auszubilden, daß eine französische katholische Kirche sich that¬
sächlich von Rom emancipirt. In diesem Falle wird Oestreich die große
katholische Macht Europas, sein Ansehn bei der gläubigen Christenheit wird
noch größer, die uralten Ideale des römischen Kaiserreichs erfüllen sich zur
elften Stunde, Italien wird östreichisch und der Romanismus wird stark in
den deutschen Landen.. Das wäre ein großer Sieg, freilich ein Sieg kurz
vor dem Ende.
Wer diesen Schlüssen beistimme, der wird auch zugeben, daß der
gegenwärtige stille Kampf zwischen Frankreich und Oestreich in Italien
über kurz oder lang ein solches Ende herbeiführen muß. Zwar hat
weder Frankreich noch Oestreich das Interesse, eine Entscheidung hervor¬
zurufe», im Gegentheil liegt es beiden Staaten aufrichtig am Herzen,
den gegenwärtigen Zustand zu conserviren. Beide dulden im Kirchenstaat
die fremden Besatzungen, und zwischen beiden lavirt das Eardinal-
collegium. nach Art der Schwachen bemüht, das Gleichgewicht zwischen
beiden Parteien so viel möglich zu erhalten. Aber die Grundlagen dieses
Verhältnisses sind so unnatürlich, daß eine ernsthafte Störung auf die Länge
unvermeidlich wird. Zwar einen Aufstand italienischer Republikaner könn¬
ten beide Mächte vereint mit leichter Mühe zurückhalten, und wäre die Politik
des Kaisers Napoleon noch so besonnen, als zur Zeit des orientalischen Krieges,
so möchte eine Aenderung in der unglücklichsten Lage Italiens aus lange hin
unwahrscheinlich sein. Aber ein abenteuerlicher Zug in dem Wesen der fran¬
zösischen Politik, welcher in den letzten Monaten stärker hervorgetreten ist.
macht gegenwärtig alles unsicher.
So stehen den kleinen Staaten Italiens und Neapel, welche sich mühsam in
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