Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.sten bei den romanischen Völkern heimisch angetroffen wird. Die gebildeten sten bei den romanischen Völkern heimisch angetroffen wird. Die gebildeten <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0250" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/186662"/> <p xml:id="ID_564" prev="#ID_563" next="#ID_565"> sten bei den romanischen Völkern heimisch angetroffen wird. Die gebildeten<lb/> Franzosen respectiren Goethes Faust, erkennen willig die Verdienstlichkeit<lb/> der Faustbilder an, aber sind ehrlich genug einzugestehen, daß sie sich für das<lb/> Tudeske derselben nicht erwärmen können. Dies erklärt auch Scheffers eigen¬<lb/> thümliche Stellung in der französischen Künstlerwelt. Die Leistungen aller<lb/> anderen Künstler sind der Gegenstand eines lebhaften Streites geworden, ihre<lb/> Verdienste haben ein eifriges Für und Wider hervorgerufen. Scheffer allein<lb/> wurde und wird nicht discutirt, er hat keine heftigen Gegner, leine leiden¬<lb/> schaftlichen Feinde zu fürchten, freilich auch leine ausgedehnte Popula¬<lb/> rität zu hoffen. Sein Ruhm wird als eine äußerlich feststehende That¬<lb/> sache angenommen, seine jetzt schon traditionell gewordene Künstlergröße ohne<lb/> weitere Prüfung gutwillig geglaubt. Diese günstige Auffassung seines Wesens<lb/> hat der Künstler zu nicht geringem Theile der Vorliebe für deutsche, unseren<lb/> Dichtern entlehnte Motive zu verdanken. Sie sicherte ihm den Respect seiner<lb/> Landsleute, die unsere Poesie viel zu wenig kennen und viel zu viel von<lb/> ihrer Tiefe und Gemüthlichkeit gehört haben, als daß sie nicht eine natürliche<lb/> Sehen empfinden möchten, ihre kritische Lästersucht auf dieses Gebiet zu ver¬<lb/> pflanze». Sie ziehen vor, durch eine allerdings kühle Anerkennung sich aus<lb/> der Schlinge zu ziehen. Dieselbe Vorliebe erwarb aber auch Scheffer die<lb/> höchste Achtung bei allen deutschen Kunstfreunden. So selten widerfährt uns<lb/> die Ehre, die Phantasie fremder Künstler zu nähren, so wenig verwöhnt sind<lb/> wir, deutsche Gedanken und Stimmungen aus fremdem Boden lebendig wirk¬<lb/> sam zu schauen, baß wir mit unserem Preise wahrhaft verschwenderisch sind,<lb/> wo wir aus diese Ausnahmsfälle stoßen. Und wenn nun vollends ein frem¬<lb/> der Künstler nicht etwa das ein oder das andere Mal zu einem deutschen<lb/> Motive greift, sondern durch eine große Zahl von Werken sich als ein dauern¬<lb/> den Verehrer unserer Poesie kundgibt, Uhlano, Bürger, Goethe und v«r allem<lb/> den Goethischen Faust in zahlreichen Bildern reproducirt, wie sollten wir ihn<lb/> nicht mit gleicher Münze zahlen und dem Manne, der uns so gut versteht<lb/> und würdigt, nicht mit inniger Verehrung begegnen? Trotzdem, daß Scheffers<lb/> Werke in Deutschland so gut wie gnr nicht bekannt sind d. h. hier nicht ge¬<lb/> schaut wurden, so ist doch sein Name diesseits des Rheines populärer als<lb/> jener der meisten anderen Künstler Frankreichs, und seine artistische Bedeutung<lb/> für uns über jeden Zweifel erhaben. Die beiden Werke, die wir soeben<lb/> vollendet auf der Staffelei erblicken! Gretchen am Brunnen, und Faust mit<lb/> dem Giftbecher, werdeu gewiß auch ohne daß sie deu Rhein überschreiten,<lb/> des Meisters Popularität vermehren. Was braucht man die Bilder selbst zu<lb/> sehen, und nach ihrem formellen Werth zu fragen? Bei der löblichen Ge¬<lb/> wohnheit der deutschen Kunstkenner, Inhalt und Form scharf zu trennen und<lb/> ausschließlich die Gedankentiefe des ersteren zu erörtern, unbekümmert, ob</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0250]
sten bei den romanischen Völkern heimisch angetroffen wird. Die gebildeten
Franzosen respectiren Goethes Faust, erkennen willig die Verdienstlichkeit
der Faustbilder an, aber sind ehrlich genug einzugestehen, daß sie sich für das
Tudeske derselben nicht erwärmen können. Dies erklärt auch Scheffers eigen¬
thümliche Stellung in der französischen Künstlerwelt. Die Leistungen aller
anderen Künstler sind der Gegenstand eines lebhaften Streites geworden, ihre
Verdienste haben ein eifriges Für und Wider hervorgerufen. Scheffer allein
wurde und wird nicht discutirt, er hat keine heftigen Gegner, leine leiden¬
schaftlichen Feinde zu fürchten, freilich auch leine ausgedehnte Popula¬
rität zu hoffen. Sein Ruhm wird als eine äußerlich feststehende That¬
sache angenommen, seine jetzt schon traditionell gewordene Künstlergröße ohne
weitere Prüfung gutwillig geglaubt. Diese günstige Auffassung seines Wesens
hat der Künstler zu nicht geringem Theile der Vorliebe für deutsche, unseren
Dichtern entlehnte Motive zu verdanken. Sie sicherte ihm den Respect seiner
Landsleute, die unsere Poesie viel zu wenig kennen und viel zu viel von
ihrer Tiefe und Gemüthlichkeit gehört haben, als daß sie nicht eine natürliche
Sehen empfinden möchten, ihre kritische Lästersucht auf dieses Gebiet zu ver¬
pflanze». Sie ziehen vor, durch eine allerdings kühle Anerkennung sich aus
der Schlinge zu ziehen. Dieselbe Vorliebe erwarb aber auch Scheffer die
höchste Achtung bei allen deutschen Kunstfreunden. So selten widerfährt uns
die Ehre, die Phantasie fremder Künstler zu nähren, so wenig verwöhnt sind
wir, deutsche Gedanken und Stimmungen aus fremdem Boden lebendig wirk¬
sam zu schauen, baß wir mit unserem Preise wahrhaft verschwenderisch sind,
wo wir aus diese Ausnahmsfälle stoßen. Und wenn nun vollends ein frem¬
der Künstler nicht etwa das ein oder das andere Mal zu einem deutschen
Motive greift, sondern durch eine große Zahl von Werken sich als ein dauern¬
den Verehrer unserer Poesie kundgibt, Uhlano, Bürger, Goethe und v«r allem
den Goethischen Faust in zahlreichen Bildern reproducirt, wie sollten wir ihn
nicht mit gleicher Münze zahlen und dem Manne, der uns so gut versteht
und würdigt, nicht mit inniger Verehrung begegnen? Trotzdem, daß Scheffers
Werke in Deutschland so gut wie gnr nicht bekannt sind d. h. hier nicht ge¬
schaut wurden, so ist doch sein Name diesseits des Rheines populärer als
jener der meisten anderen Künstler Frankreichs, und seine artistische Bedeutung
für uns über jeden Zweifel erhaben. Die beiden Werke, die wir soeben
vollendet auf der Staffelei erblicken! Gretchen am Brunnen, und Faust mit
dem Giftbecher, werdeu gewiß auch ohne daß sie deu Rhein überschreiten,
des Meisters Popularität vermehren. Was braucht man die Bilder selbst zu
sehen, und nach ihrem formellen Werth zu fragen? Bei der löblichen Ge¬
wohnheit der deutschen Kunstkenner, Inhalt und Form scharf zu trennen und
ausschließlich die Gedankentiefe des ersteren zu erörtern, unbekümmert, ob
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