(vollendet 12. Febr. 1787) war zu einem Buch angeschwollen- sie vertiefte sich in die ersten Begriffe der Rechtsphilosophie. Müller beginnt mit der Be¬ griffsbestimmung. Bürgerliche Freiheit ist, wo Gesetze einen jeden Menschen wider alle willkürliche Gewalt bei Ehre, Leib und Gut sichern. Die politische Freiheit besteht in dem, daß Fundamentalverordnungen und Friedensverträge einem jeden Staat seine Verfassung und seine Besitzungen gewähren. Aus dieser Begriffsbestimmung ergibt sich ein geschickt geführter Kampf gegen den Absolutismus und die Universalmonarchie. "Ein unbedeutender Philosoph (besonders wenn er schweigt) ist überall frei, die Lazzaroni sind es ebenfalls; wo keine Polizei ist, sind es auch die Bettler. Aber daß er sich der Staats¬ pflichten entäußert, entschuldigt kein Gefühl unbezwingbarer Seelenhoheit, keine Philosophie; blieb Cato gleichgiltig, als die Gesetze sielen? Wir haben einen Glauben, welcher Theilnehmung lehrt; uns ist nichts fremd, was Brüder be¬ trifft, wir sind für sie zu sterben verbunden." Bei den Verbindungen für die allgemeine Freiheit kommt es nicht auf höhere Motive an. Privatinteresse und Nebenumstände haben das Meiste gethan. Aber dadurch ist ein Staat¬ system befestigt worden, welches, wenn für die Menschheit nicht das beste, gewiß weit vortheilhafter als das entgegenstehende ist. Das Uebrige wird niemand befremden, welcher gewohnt ist, im Gang der großen Geschäfte den Geist jeder Zeit, und in der Bildung des letzteren die Hand Gottes zu sehen. Uns kann gleichgiltig sein, ob König Wilhelm aus Privathaß, aus Ruhm¬ begierde oder aus stnatstluger Sorge für Europa die Projecte Frankreichs gehemmt- edel genug, wenn er seinen Leidenschaften die gemeinnützigste Rich¬ tung gab. So lange Menschen sein werden, läßt sich kaum eine bessere Lage der Geschäfte denken, als worin das öffentliche Gute zugleich der Weg für das Privatglück sei. Staatsverbindungen beruhen weniger auf dem Charakter des Urhebers, als daß wir uns folgende Fragen wohl beantworten: Was ist unser und sein Interesse? sind sie dieselben? hat er den Geist solches zu fühlen und Macht uns zu helfen?" -- Interessant ist die Rechtfertigung der deutscheu Fürsten, daß sie in ihrem Kampf gegen den Kaiser sich ans Gregor 7. stützten. "Niemand konnte so wie der Papst ihrer Association Consistenz geben. Seine Theologie beurtheile die Kirche, seine Privatabsichten der Richter der Lebendigen und der Todten; aber wer hat wider den all- drohenden Despotismus der klügsten, der thätigsten und mächtigsten Kaiser beharrlicher und wirksamer gearbeitet? Unsere Reichsverfassung, die ihre Stärke jetzt in sich selbst, und in welcher Europa feilte Sicherheit findet, sind wir dem Papst schuldig. Weder weltliche noch geistliche Universaldespotie ist gut: vielleicht aber hat diese folgenden wichtigen Vorzug. Alle Herrschaft, welche auf der Meinung beruhet, besteht nur so lang sie erträglich verwaltet wird;
(vollendet 12. Febr. 1787) war zu einem Buch angeschwollen- sie vertiefte sich in die ersten Begriffe der Rechtsphilosophie. Müller beginnt mit der Be¬ griffsbestimmung. Bürgerliche Freiheit ist, wo Gesetze einen jeden Menschen wider alle willkürliche Gewalt bei Ehre, Leib und Gut sichern. Die politische Freiheit besteht in dem, daß Fundamentalverordnungen und Friedensverträge einem jeden Staat seine Verfassung und seine Besitzungen gewähren. Aus dieser Begriffsbestimmung ergibt sich ein geschickt geführter Kampf gegen den Absolutismus und die Universalmonarchie. „Ein unbedeutender Philosoph (besonders wenn er schweigt) ist überall frei, die Lazzaroni sind es ebenfalls; wo keine Polizei ist, sind es auch die Bettler. Aber daß er sich der Staats¬ pflichten entäußert, entschuldigt kein Gefühl unbezwingbarer Seelenhoheit, keine Philosophie; blieb Cato gleichgiltig, als die Gesetze sielen? Wir haben einen Glauben, welcher Theilnehmung lehrt; uns ist nichts fremd, was Brüder be¬ trifft, wir sind für sie zu sterben verbunden." Bei den Verbindungen für die allgemeine Freiheit kommt es nicht auf höhere Motive an. Privatinteresse und Nebenumstände haben das Meiste gethan. Aber dadurch ist ein Staat¬ system befestigt worden, welches, wenn für die Menschheit nicht das beste, gewiß weit vortheilhafter als das entgegenstehende ist. Das Uebrige wird niemand befremden, welcher gewohnt ist, im Gang der großen Geschäfte den Geist jeder Zeit, und in der Bildung des letzteren die Hand Gottes zu sehen. Uns kann gleichgiltig sein, ob König Wilhelm aus Privathaß, aus Ruhm¬ begierde oder aus stnatstluger Sorge für Europa die Projecte Frankreichs gehemmt- edel genug, wenn er seinen Leidenschaften die gemeinnützigste Rich¬ tung gab. So lange Menschen sein werden, läßt sich kaum eine bessere Lage der Geschäfte denken, als worin das öffentliche Gute zugleich der Weg für das Privatglück sei. Staatsverbindungen beruhen weniger auf dem Charakter des Urhebers, als daß wir uns folgende Fragen wohl beantworten: Was ist unser und sein Interesse? sind sie dieselben? hat er den Geist solches zu fühlen und Macht uns zu helfen?" — Interessant ist die Rechtfertigung der deutscheu Fürsten, daß sie in ihrem Kampf gegen den Kaiser sich ans Gregor 7. stützten. „Niemand konnte so wie der Papst ihrer Association Consistenz geben. Seine Theologie beurtheile die Kirche, seine Privatabsichten der Richter der Lebendigen und der Todten; aber wer hat wider den all- drohenden Despotismus der klügsten, der thätigsten und mächtigsten Kaiser beharrlicher und wirksamer gearbeitet? Unsere Reichsverfassung, die ihre Stärke jetzt in sich selbst, und in welcher Europa feilte Sicherheit findet, sind wir dem Papst schuldig. Weder weltliche noch geistliche Universaldespotie ist gut: vielleicht aber hat diese folgenden wichtigen Vorzug. Alle Herrschaft, welche auf der Meinung beruhet, besteht nur so lang sie erträglich verwaltet wird;
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(vollendet 12. Febr. 1787) war zu einem Buch angeschwollen- sie vertiefte sich
in die ersten Begriffe der Rechtsphilosophie. Müller beginnt mit der Be¬
griffsbestimmung. Bürgerliche Freiheit ist, wo Gesetze einen jeden Menschen
wider alle willkürliche Gewalt bei Ehre, Leib und Gut sichern. Die politische
Freiheit besteht in dem, daß Fundamentalverordnungen und Friedensverträge
einem jeden Staat seine Verfassung und seine Besitzungen gewähren. Aus
dieser Begriffsbestimmung ergibt sich ein geschickt geführter Kampf gegen den
Absolutismus und die Universalmonarchie. „Ein unbedeutender Philosoph
(besonders wenn er schweigt) ist überall frei, die Lazzaroni sind es ebenfalls;
wo keine Polizei ist, sind es auch die Bettler. Aber daß er sich der Staats¬
pflichten entäußert, entschuldigt kein Gefühl unbezwingbarer Seelenhoheit, keine
Philosophie; blieb Cato gleichgiltig, als die Gesetze sielen? Wir haben einen
Glauben, welcher Theilnehmung lehrt; uns ist nichts fremd, was Brüder be¬
trifft, wir sind für sie zu sterben verbunden." Bei den Verbindungen für
die allgemeine Freiheit kommt es nicht auf höhere Motive an. Privatinteresse
und Nebenumstände haben das Meiste gethan. Aber dadurch ist ein Staat¬
system befestigt worden, welches, wenn für die Menschheit nicht das beste,
gewiß weit vortheilhafter als das entgegenstehende ist. Das Uebrige wird
niemand befremden, welcher gewohnt ist, im Gang der großen Geschäfte den
Geist jeder Zeit, und in der Bildung des letzteren die Hand Gottes zu sehen.
Uns kann gleichgiltig sein, ob König Wilhelm aus Privathaß, aus Ruhm¬
begierde oder aus stnatstluger Sorge für Europa die Projecte Frankreichs
gehemmt- edel genug, wenn er seinen Leidenschaften die gemeinnützigste Rich¬
tung gab. So lange Menschen sein werden, läßt sich kaum eine bessere Lage
der Geschäfte denken, als worin das öffentliche Gute zugleich der Weg für das
Privatglück sei. Staatsverbindungen beruhen weniger auf dem Charakter
des Urhebers, als daß wir uns folgende Fragen wohl beantworten: Was
ist unser und sein Interesse? sind sie dieselben? hat er den Geist solches
zu fühlen und Macht uns zu helfen?" — Interessant ist die Rechtfertigung
der deutscheu Fürsten, daß sie in ihrem Kampf gegen den Kaiser sich ans
Gregor 7. stützten. „Niemand konnte so wie der Papst ihrer Association
Consistenz geben. Seine Theologie beurtheile die Kirche, seine Privatabsichten
der Richter der Lebendigen und der Todten; aber wer hat wider den all-
drohenden Despotismus der klügsten, der thätigsten und mächtigsten Kaiser
beharrlicher und wirksamer gearbeitet? Unsere Reichsverfassung, die ihre Stärke
jetzt in sich selbst, und in welcher Europa feilte Sicherheit findet, sind wir dem
Papst schuldig. Weder weltliche noch geistliche Universaldespotie ist gut:
vielleicht aber hat diese folgenden wichtigen Vorzug. Alle Herrschaft, welche
auf der Meinung beruhet, besteht nur so lang sie erträglich verwaltet wird;
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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/234>, abgerufen am 06.01.2025.
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