Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.haftet, mit dem es auch in der langen Dauer der Voruntersuchung und der Wie ganz in allen Beziehungen anders liegt die Sache in England! haftet, mit dem es auch in der langen Dauer der Voruntersuchung und der Wie ganz in allen Beziehungen anders liegt die Sache in England! <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0218" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/186630"/> <p xml:id="ID_507" prev="#ID_506"> haftet, mit dem es auch in der langen Dauer der Voruntersuchung und der<lb/> dabei stattfindenden vollkommenen Jsolirung des Untersuchungsgefangenen über¬<lb/> einstimmt.</p><lb/> <p xml:id="ID_508" next="#ID_509"> Wie ganz in allen Beziehungen anders liegt die Sache in England!<lb/> Auch dem flüchtigsten Zeitungsleser muß der so ungemein rasche Verlauf des<lb/> Bernardschen Processes trotz der unverkennbaren großen Solennität, mit welcher<lb/> er gehandhabt wurde, ausgefallen sein. Eine vor einem Polizeirichter öffent¬<lb/> lich geführte Voruntersuchung von wenigen Sitzungen genügte, um das all¬<lb/> gemeine Material zur Anklage zu liefern; die weitere genauere Begründung<lb/> derselben und die Herbeischaffung der dazu erforderlichen Beweismittel ward<lb/> dem überlassen, weichen die Negierung mit der Führung des Processes betraut<lb/> hatte. Schon von diesem ersten Augenblick desselben an hatte Bernard den<lb/> freien Zutritt und Beirath seines Vertheidigers, und auch als sein Gesuch<lb/> wegen Freilassung gegen Eaution abgeschlagen war, ward er nicht von der<lb/> übrigen Welt abgesperrt; denn diese erste Hast bezweckt nach englischem Rechte<lb/> nur die Sicherung der Persönlichkeit, enthält noch keine Strafe. Wenige Tage<lb/> nach diesem ersten Verfahren war denn auch der Gerichtshof constituirt, vor<lb/> dem der Proceß geführt werden sollte, ein außerordentlicher, aber kein Aus¬<lb/> nahmetribunal. In England bestehen eigentlich überhaupt keine ständigen<lb/> Criminalgerichtshöfe, vielmehr werden die Criminalsachen bei den mehremal<lb/> jährlich stattfindenden Rundreisen der Richter an den obersten Gerichtshöfen<lb/> des Landes abgemacht, eine Centralisation der Rechtsprechung, die man auf<lb/> dem Festlande vergebens sucht. Da aber das bei Bernard in Frage stehende<lb/> Verbrechen nicht in England verübt war, so fehlte auch der englische Juris-<lb/> dictionsbczirk, woselbst es abgeurtheilt werden konnte, und ward so eine<lb/> besondere Commission, bestehend aus einer Reihe juristischer und anderer hohen<lb/> Würdenträger ernannt, nach Anleitung der Parlamentsacte, auf welche hin die<lb/> Anklage gegen Bernard fußte. Diesem Verfahren selber mußte noch eine<lb/> andere Entscheidung vorangehen, die nämlich durch die große Jury, bestehend<lb/> aus 23 Mitgliedern, welche die bisherigen Vorlagen zu prüfen und ihr Ur¬<lb/> theil darüber abzugeben hat, ob der wirkliche Proceß geführt werden solle.<lb/> Sie entspricht etwa dein Anklagesenat im rheinisch-französischen Verfahren, nur<lb/> daß sie populärer gebildet ist und in einem ganz andern Stadium des Pro¬<lb/> cesses, nämlich wie hier unmittelbar vor Berufung der kleinen Jury eintritt.<lb/> Hiermit schließt denn aber erst die englische Voruntersuchung, die von dein<lb/> spätern Verfahren so scharf getrennt ist, daß alle bis jetzt gemachten Aussagen<lb/> für den nunmehrigen Lauf des Processes von gar keiner Bedeutung sind und<lb/> weder Anklage noch Vertheidigung sich darauf berufen dürfen. Es leuchtet<lb/> schon daraus hervor, wie die eigentliche, die entscheidende Jury nach eng-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0218]
haftet, mit dem es auch in der langen Dauer der Voruntersuchung und der
dabei stattfindenden vollkommenen Jsolirung des Untersuchungsgefangenen über¬
einstimmt.
Wie ganz in allen Beziehungen anders liegt die Sache in England!
Auch dem flüchtigsten Zeitungsleser muß der so ungemein rasche Verlauf des
Bernardschen Processes trotz der unverkennbaren großen Solennität, mit welcher
er gehandhabt wurde, ausgefallen sein. Eine vor einem Polizeirichter öffent¬
lich geführte Voruntersuchung von wenigen Sitzungen genügte, um das all¬
gemeine Material zur Anklage zu liefern; die weitere genauere Begründung
derselben und die Herbeischaffung der dazu erforderlichen Beweismittel ward
dem überlassen, weichen die Negierung mit der Führung des Processes betraut
hatte. Schon von diesem ersten Augenblick desselben an hatte Bernard den
freien Zutritt und Beirath seines Vertheidigers, und auch als sein Gesuch
wegen Freilassung gegen Eaution abgeschlagen war, ward er nicht von der
übrigen Welt abgesperrt; denn diese erste Hast bezweckt nach englischem Rechte
nur die Sicherung der Persönlichkeit, enthält noch keine Strafe. Wenige Tage
nach diesem ersten Verfahren war denn auch der Gerichtshof constituirt, vor
dem der Proceß geführt werden sollte, ein außerordentlicher, aber kein Aus¬
nahmetribunal. In England bestehen eigentlich überhaupt keine ständigen
Criminalgerichtshöfe, vielmehr werden die Criminalsachen bei den mehremal
jährlich stattfindenden Rundreisen der Richter an den obersten Gerichtshöfen
des Landes abgemacht, eine Centralisation der Rechtsprechung, die man auf
dem Festlande vergebens sucht. Da aber das bei Bernard in Frage stehende
Verbrechen nicht in England verübt war, so fehlte auch der englische Juris-
dictionsbczirk, woselbst es abgeurtheilt werden konnte, und ward so eine
besondere Commission, bestehend aus einer Reihe juristischer und anderer hohen
Würdenträger ernannt, nach Anleitung der Parlamentsacte, auf welche hin die
Anklage gegen Bernard fußte. Diesem Verfahren selber mußte noch eine
andere Entscheidung vorangehen, die nämlich durch die große Jury, bestehend
aus 23 Mitgliedern, welche die bisherigen Vorlagen zu prüfen und ihr Ur¬
theil darüber abzugeben hat, ob der wirkliche Proceß geführt werden solle.
Sie entspricht etwa dein Anklagesenat im rheinisch-französischen Verfahren, nur
daß sie populärer gebildet ist und in einem ganz andern Stadium des Pro¬
cesses, nämlich wie hier unmittelbar vor Berufung der kleinen Jury eintritt.
Hiermit schließt denn aber erst die englische Voruntersuchung, die von dein
spätern Verfahren so scharf getrennt ist, daß alle bis jetzt gemachten Aussagen
für den nunmehrigen Lauf des Processes von gar keiner Bedeutung sind und
weder Anklage noch Vertheidigung sich darauf berufen dürfen. Es leuchtet
schon daraus hervor, wie die eigentliche, die entscheidende Jury nach eng-
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |