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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

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Depesche in eine Note zu fassen und die Frage an das dünner Cabinet zu
richten, dieser wiederholt die Ansicht Clarendons wörtlich, aber zieht vorweg
aus jener Mißbilligung des neapolitanischen Verfahrens ganz unstatthafter
Weise die Consequenz, daß I. M. Regierung beschlossen dagegen zu pro.
testiren und endet mit der Frage, ob die sardinische Regierung die Ansicht
festhalten werde, daß der Eagliari ungesetzlicherweise weggenommen sei.
GrafCavour antwortete auf diese von Hudson unterzeichnete Depesche vom 5. Jan.
natürlich bejahend und mußte der Ansicht sein, daß England mit ihm gehen
werde, erst am 18. Januar schreibt er seiue erste Note an Neapel. Als nun
Lord Malmesbury das auswärtige Amt übernommen, telegraphirt er am
13. März an Hudson, auf welche Autorität er an Cnvour geschrieben, daß
England gegen das Verfahren Neapels Einspruch thun wolle. Der Gesandte,
der von seiner Note keine Eopie behalten (!) begibt sich auf das auswärtige
Ministerium, um dort die Note zu sehen, und findet, daß in derselben ganz
etwas Andres steht, als was ihm mitzutheilen aufgetragen. Er weiß sich für
diese Nachlässigkeit nur dadurch zu entschuldigen, daß er erklärt, es sei nicht
seine Gewohnheit, die Noten, die er unterzeichne, mit den Entwürfen, welche
er für dieselben gemacht, zu vergleichen (!) und Mr. Erskine bringt für seine
Verdrehung nur einige Absurditäten vor, welche nicht den Namen einer Ent¬
schuldigung verdienen. Manche waren im ersten Augenblick geneigt, die ganze
Sache für eine Komödie zu erklären, aber nähere Ueberlegung wird doch
zeigen, daß eine solche unnöthig und unmöglich war, unnöthig. weil Lord
Malmesbury nicht an die Meinung seines Vorgängers im Amte gebunden
war, unmöglich, weil die frühern Minister ja nicht ihre Jnstructionen ruhig
desavouiren und verdrehen sehen würden, vorausgesetzt selbst, daß ein Mann
wie Hudson sich zum Sündenbock hergäbe. Wir glauben, daß sich die Sache
ziemlich so verhält, wie sie aussieht, obwol dergleichen diplomatische Schreibfehler
und Nachlässigkeiten über alles erlaubte Maß hinausgehen. Noch unbegreiflicher
aber scheint es, daß, da doch sowol Lord Clarendon mit dem sardinischen Gesandten,
als Graf Eavour mit dem englischen unzweifelhaft nach Erlaß jeuer Note
vom 5. Januar über eine so wichtige Angelegenheit werden gesprochen haben,
keiner dieser Staatsmänner die Differenz gemerkt hat, man sah den Fonds
der Sache gewiß aus dieselbe Weise an, aber es ist doch ein bedeutsamer Um¬
stand, den man wol in der Unterhaltung berührt, ob eine Regierung positiv
erklärt hat, gegen einen Act Protestiren zu wollen oder nicht. Begreiflicherweise
ist die sardinische Regierung über die Sache sehr gereizt; den unparteiischen
Zuschauern aber ist diese Komödie der Irrungen ein neuer Beweis für die
Wahrheit des Wortes OxenstiernasMein Sohn, du weißt nicht, mit wie
wenig Weisheit die Welt regiert wird.




Äreiizlwtm II. 185".22

Depesche in eine Note zu fassen und die Frage an das dünner Cabinet zu
richten, dieser wiederholt die Ansicht Clarendons wörtlich, aber zieht vorweg
aus jener Mißbilligung des neapolitanischen Verfahrens ganz unstatthafter
Weise die Consequenz, daß I. M. Regierung beschlossen dagegen zu pro.
testiren und endet mit der Frage, ob die sardinische Regierung die Ansicht
festhalten werde, daß der Eagliari ungesetzlicherweise weggenommen sei.
GrafCavour antwortete auf diese von Hudson unterzeichnete Depesche vom 5. Jan.
natürlich bejahend und mußte der Ansicht sein, daß England mit ihm gehen
werde, erst am 18. Januar schreibt er seiue erste Note an Neapel. Als nun
Lord Malmesbury das auswärtige Amt übernommen, telegraphirt er am
13. März an Hudson, auf welche Autorität er an Cnvour geschrieben, daß
England gegen das Verfahren Neapels Einspruch thun wolle. Der Gesandte,
der von seiner Note keine Eopie behalten (!) begibt sich auf das auswärtige
Ministerium, um dort die Note zu sehen, und findet, daß in derselben ganz
etwas Andres steht, als was ihm mitzutheilen aufgetragen. Er weiß sich für
diese Nachlässigkeit nur dadurch zu entschuldigen, daß er erklärt, es sei nicht
seine Gewohnheit, die Noten, die er unterzeichne, mit den Entwürfen, welche
er für dieselben gemacht, zu vergleichen (!) und Mr. Erskine bringt für seine
Verdrehung nur einige Absurditäten vor, welche nicht den Namen einer Ent¬
schuldigung verdienen. Manche waren im ersten Augenblick geneigt, die ganze
Sache für eine Komödie zu erklären, aber nähere Ueberlegung wird doch
zeigen, daß eine solche unnöthig und unmöglich war, unnöthig. weil Lord
Malmesbury nicht an die Meinung seines Vorgängers im Amte gebunden
war, unmöglich, weil die frühern Minister ja nicht ihre Jnstructionen ruhig
desavouiren und verdrehen sehen würden, vorausgesetzt selbst, daß ein Mann
wie Hudson sich zum Sündenbock hergäbe. Wir glauben, daß sich die Sache
ziemlich so verhält, wie sie aussieht, obwol dergleichen diplomatische Schreibfehler
und Nachlässigkeiten über alles erlaubte Maß hinausgehen. Noch unbegreiflicher
aber scheint es, daß, da doch sowol Lord Clarendon mit dem sardinischen Gesandten,
als Graf Eavour mit dem englischen unzweifelhaft nach Erlaß jeuer Note
vom 5. Januar über eine so wichtige Angelegenheit werden gesprochen haben,
keiner dieser Staatsmänner die Differenz gemerkt hat, man sah den Fonds
der Sache gewiß aus dieselbe Weise an, aber es ist doch ein bedeutsamer Um¬
stand, den man wol in der Unterhaltung berührt, ob eine Regierung positiv
erklärt hat, gegen einen Act Protestiren zu wollen oder nicht. Begreiflicherweise
ist die sardinische Regierung über die Sache sehr gereizt; den unparteiischen
Zuschauern aber ist diese Komödie der Irrungen ein neuer Beweis für die
Wahrheit des Wortes OxenstiernasMein Sohn, du weißt nicht, mit wie
wenig Weisheit die Welt regiert wird.




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[0177] Depesche in eine Note zu fassen und die Frage an das dünner Cabinet zu richten, dieser wiederholt die Ansicht Clarendons wörtlich, aber zieht vorweg aus jener Mißbilligung des neapolitanischen Verfahrens ganz unstatthafter Weise die Consequenz, daß I. M. Regierung beschlossen dagegen zu pro. testiren und endet mit der Frage, ob die sardinische Regierung die Ansicht festhalten werde, daß der Eagliari ungesetzlicherweise weggenommen sei. GrafCavour antwortete auf diese von Hudson unterzeichnete Depesche vom 5. Jan. natürlich bejahend und mußte der Ansicht sein, daß England mit ihm gehen werde, erst am 18. Januar schreibt er seiue erste Note an Neapel. Als nun Lord Malmesbury das auswärtige Amt übernommen, telegraphirt er am 13. März an Hudson, auf welche Autorität er an Cnvour geschrieben, daß England gegen das Verfahren Neapels Einspruch thun wolle. Der Gesandte, der von seiner Note keine Eopie behalten (!) begibt sich auf das auswärtige Ministerium, um dort die Note zu sehen, und findet, daß in derselben ganz etwas Andres steht, als was ihm mitzutheilen aufgetragen. Er weiß sich für diese Nachlässigkeit nur dadurch zu entschuldigen, daß er erklärt, es sei nicht seine Gewohnheit, die Noten, die er unterzeichne, mit den Entwürfen, welche er für dieselben gemacht, zu vergleichen (!) und Mr. Erskine bringt für seine Verdrehung nur einige Absurditäten vor, welche nicht den Namen einer Ent¬ schuldigung verdienen. Manche waren im ersten Augenblick geneigt, die ganze Sache für eine Komödie zu erklären, aber nähere Ueberlegung wird doch zeigen, daß eine solche unnöthig und unmöglich war, unnöthig. weil Lord Malmesbury nicht an die Meinung seines Vorgängers im Amte gebunden war, unmöglich, weil die frühern Minister ja nicht ihre Jnstructionen ruhig desavouiren und verdrehen sehen würden, vorausgesetzt selbst, daß ein Mann wie Hudson sich zum Sündenbock hergäbe. Wir glauben, daß sich die Sache ziemlich so verhält, wie sie aussieht, obwol dergleichen diplomatische Schreibfehler und Nachlässigkeiten über alles erlaubte Maß hinausgehen. Noch unbegreiflicher aber scheint es, daß, da doch sowol Lord Clarendon mit dem sardinischen Gesandten, als Graf Eavour mit dem englischen unzweifelhaft nach Erlaß jeuer Note vom 5. Januar über eine so wichtige Angelegenheit werden gesprochen haben, keiner dieser Staatsmänner die Differenz gemerkt hat, man sah den Fonds der Sache gewiß aus dieselbe Weise an, aber es ist doch ein bedeutsamer Um¬ stand, den man wol in der Unterhaltung berührt, ob eine Regierung positiv erklärt hat, gegen einen Act Protestiren zu wollen oder nicht. Begreiflicherweise ist die sardinische Regierung über die Sache sehr gereizt; den unparteiischen Zuschauern aber ist diese Komödie der Irrungen ein neuer Beweis für die Wahrheit des Wortes OxenstiernasMein Sohn, du weißt nicht, mit wie wenig Weisheit die Welt regiert wird. Äreiizlwtm II. 185».22

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/177>, abgerufen am 21.12.2024.