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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

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gar die westlicher Kartosfelbauern. Branntwein trinkt der Weinbauer nur in
äußerst seltenen Fällen, ihm aber mit Bier aufzuwarte", wäre wirklich belei¬
digend. Er mag das Bier nicht, das fallen die Altbaiern trinken, meint er,
oder die Herrenleute, die nichts arbeiten und der Biermade huldigen. In der
That müßten denn auch die ganz wenigen Bierschenken im Weinland ihre
Schilder einstecken, wenn nicht die Stadt- und Landhvnvrntionen und die
Juden Bier tränken. -- In der Ebene und in Städten wird mehr Bier ge¬
trunken, -- die GaubcAern sollen aber auch andere Mägen haben als die
Weinpfälzcr und tüchtige Esser sein, was sie in ihrem reichen Lande wol sein
dürfen und können.

Gar vieles ist nun anders im Westrich, wo das Land nicht so reizend,
nicht so fruchtbar, das Klima uicht so milde ist. Der Vorderpfälzer kriegt
immer Gänsehaut, wenn er ans Westrich denkt, wenigstens thut er so. Aber
er soll nicht vergessen, daß hinter den Bergen auch Leute wohnen und Leute,
die sich sehen lassen dürfen. Das waldige Hochland der Hanrdt wird
jetzt mit der Eisenbahn rasch durchflogen, und man hätte nun Gelegenheit
genug, Land und Leute dahinten besser kennen zu lernen, als vom bloßen
Hörensagen., Aber noch immer denkt man sich in der Vorderpfalz das Westrich
als ein Urland voll Urmenschen, e>n trauriger Wechsel von Wald, Haide und
Felsen; man beurtheilt es eben nach den der Vorderpfalz zunächstliegenden
Strichen, nach den Waldthälern an der Speyerbach, wo in den Einzelhöfen
bei Elmstein die Leute sogar dem Hungertyphus verfallen, oder nach dem
Felsenland des gossersweilercr und badner Thals im Wasgau und dessen
düsteren armen Bewohnern. -- Fleiß und Ausdauer charat'terisircn auch
den Wcstrichcr, Geschick und Talent zur Landwirthschaft ist ihiü so sehr
eigen wie dem Vorderpfälzer und einzelne Striche seines Hügellandes
hat er sogar zu Musterländern der Landwirthschaft ' und Viehzucht um-
geschaffen. Im Ganzen fehlt ihm freilich die Elasticität des Geistes und
Körpevs, wie sie dem Vorderpfälzer eigen ist; er ist weder so mundfertig,
noch so witzig, weder so laut und lärmend in seiner Lustigkeit, uoch so feurig.
Selbst seine Figur steht der des Vorderpfälzers nach, und gar häufig findet
man dies mehr gedrückte Wesen auch in seiner Haltung ausgesprochen. Es
ist mehr Innerlichkeit, mehr Sinnigkeit in dem stillen Westricher, er läßt nicht
so gern seinen Witz glänzen und selbst seiue Schalkhaftigkeit hat den gut¬
müthigen Anstrich liebenswürdiger Naivetät, wo der Vorderpfälzer satirisch,
ja sarkastisch werden kann. Ihm ist das "Aezen", das Sticheln und Foppen
bei weitem weniger geläufig als dein Vorderpälzer, dem das "Aezen" an¬
geboren ist. der sich gar nicht wohl suhlen würde, wenn er nicht jemand
hätte, an dem er seinen "Utz" und Witz auslassen könnte. Da wird denn in
Ermanglung eines Schwaben oder Altbaiern draußen- am ehesten der Westricher


gar die westlicher Kartosfelbauern. Branntwein trinkt der Weinbauer nur in
äußerst seltenen Fällen, ihm aber mit Bier aufzuwarte», wäre wirklich belei¬
digend. Er mag das Bier nicht, das fallen die Altbaiern trinken, meint er,
oder die Herrenleute, die nichts arbeiten und der Biermade huldigen. In der
That müßten denn auch die ganz wenigen Bierschenken im Weinland ihre
Schilder einstecken, wenn nicht die Stadt- und Landhvnvrntionen und die
Juden Bier tränken. — In der Ebene und in Städten wird mehr Bier ge¬
trunken, — die GaubcAern sollen aber auch andere Mägen haben als die
Weinpfälzcr und tüchtige Esser sein, was sie in ihrem reichen Lande wol sein
dürfen und können.

Gar vieles ist nun anders im Westrich, wo das Land nicht so reizend,
nicht so fruchtbar, das Klima uicht so milde ist. Der Vorderpfälzer kriegt
immer Gänsehaut, wenn er ans Westrich denkt, wenigstens thut er so. Aber
er soll nicht vergessen, daß hinter den Bergen auch Leute wohnen und Leute,
die sich sehen lassen dürfen. Das waldige Hochland der Hanrdt wird
jetzt mit der Eisenbahn rasch durchflogen, und man hätte nun Gelegenheit
genug, Land und Leute dahinten besser kennen zu lernen, als vom bloßen
Hörensagen., Aber noch immer denkt man sich in der Vorderpfalz das Westrich
als ein Urland voll Urmenschen, e>n trauriger Wechsel von Wald, Haide und
Felsen; man beurtheilt es eben nach den der Vorderpfalz zunächstliegenden
Strichen, nach den Waldthälern an der Speyerbach, wo in den Einzelhöfen
bei Elmstein die Leute sogar dem Hungertyphus verfallen, oder nach dem
Felsenland des gossersweilercr und badner Thals im Wasgau und dessen
düsteren armen Bewohnern. — Fleiß und Ausdauer charat'terisircn auch
den Wcstrichcr, Geschick und Talent zur Landwirthschaft ist ihiü so sehr
eigen wie dem Vorderpfälzer und einzelne Striche seines Hügellandes
hat er sogar zu Musterländern der Landwirthschaft ' und Viehzucht um-
geschaffen. Im Ganzen fehlt ihm freilich die Elasticität des Geistes und
Körpevs, wie sie dem Vorderpfälzer eigen ist; er ist weder so mundfertig,
noch so witzig, weder so laut und lärmend in seiner Lustigkeit, uoch so feurig.
Selbst seine Figur steht der des Vorderpfälzers nach, und gar häufig findet
man dies mehr gedrückte Wesen auch in seiner Haltung ausgesprochen. Es
ist mehr Innerlichkeit, mehr Sinnigkeit in dem stillen Westricher, er läßt nicht
so gern seinen Witz glänzen und selbst seiue Schalkhaftigkeit hat den gut¬
müthigen Anstrich liebenswürdiger Naivetät, wo der Vorderpfälzer satirisch,
ja sarkastisch werden kann. Ihm ist das „Aezen", das Sticheln und Foppen
bei weitem weniger geläufig als dein Vorderpälzer, dem das „Aezen" an¬
geboren ist. der sich gar nicht wohl suhlen würde, wenn er nicht jemand
hätte, an dem er seinen „Utz" und Witz auslassen könnte. Da wird denn in
Ermanglung eines Schwaben oder Altbaiern draußen- am ehesten der Westricher


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[0159] gar die westlicher Kartosfelbauern. Branntwein trinkt der Weinbauer nur in äußerst seltenen Fällen, ihm aber mit Bier aufzuwarte», wäre wirklich belei¬ digend. Er mag das Bier nicht, das fallen die Altbaiern trinken, meint er, oder die Herrenleute, die nichts arbeiten und der Biermade huldigen. In der That müßten denn auch die ganz wenigen Bierschenken im Weinland ihre Schilder einstecken, wenn nicht die Stadt- und Landhvnvrntionen und die Juden Bier tränken. — In der Ebene und in Städten wird mehr Bier ge¬ trunken, — die GaubcAern sollen aber auch andere Mägen haben als die Weinpfälzcr und tüchtige Esser sein, was sie in ihrem reichen Lande wol sein dürfen und können. Gar vieles ist nun anders im Westrich, wo das Land nicht so reizend, nicht so fruchtbar, das Klima uicht so milde ist. Der Vorderpfälzer kriegt immer Gänsehaut, wenn er ans Westrich denkt, wenigstens thut er so. Aber er soll nicht vergessen, daß hinter den Bergen auch Leute wohnen und Leute, die sich sehen lassen dürfen. Das waldige Hochland der Hanrdt wird jetzt mit der Eisenbahn rasch durchflogen, und man hätte nun Gelegenheit genug, Land und Leute dahinten besser kennen zu lernen, als vom bloßen Hörensagen., Aber noch immer denkt man sich in der Vorderpfalz das Westrich als ein Urland voll Urmenschen, e>n trauriger Wechsel von Wald, Haide und Felsen; man beurtheilt es eben nach den der Vorderpfalz zunächstliegenden Strichen, nach den Waldthälern an der Speyerbach, wo in den Einzelhöfen bei Elmstein die Leute sogar dem Hungertyphus verfallen, oder nach dem Felsenland des gossersweilercr und badner Thals im Wasgau und dessen düsteren armen Bewohnern. — Fleiß und Ausdauer charat'terisircn auch den Wcstrichcr, Geschick und Talent zur Landwirthschaft ist ihiü so sehr eigen wie dem Vorderpfälzer und einzelne Striche seines Hügellandes hat er sogar zu Musterländern der Landwirthschaft ' und Viehzucht um- geschaffen. Im Ganzen fehlt ihm freilich die Elasticität des Geistes und Körpevs, wie sie dem Vorderpfälzer eigen ist; er ist weder so mundfertig, noch so witzig, weder so laut und lärmend in seiner Lustigkeit, uoch so feurig. Selbst seine Figur steht der des Vorderpfälzers nach, und gar häufig findet man dies mehr gedrückte Wesen auch in seiner Haltung ausgesprochen. Es ist mehr Innerlichkeit, mehr Sinnigkeit in dem stillen Westricher, er läßt nicht so gern seinen Witz glänzen und selbst seiue Schalkhaftigkeit hat den gut¬ müthigen Anstrich liebenswürdiger Naivetät, wo der Vorderpfälzer satirisch, ja sarkastisch werden kann. Ihm ist das „Aezen", das Sticheln und Foppen bei weitem weniger geläufig als dein Vorderpälzer, dem das „Aezen" an¬ geboren ist. der sich gar nicht wohl suhlen würde, wenn er nicht jemand hätte, an dem er seinen „Utz" und Witz auslassen könnte. Da wird denn in Ermanglung eines Schwaben oder Altbaiern draußen- am ehesten der Westricher

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/159>, abgerufen am 21.12.2024.