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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

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suchten indeß mich aus directem Wege einer Theurung vorzubeugen, indem
man schau früh anfing Magazine zu bauen, sür welche in billigen Jalnen
Getreide gekauft und als Aushilfe für schlimme Zeiten aufbewahrt wurde;
ja man zwang zuweilen Bürger selbst Kam zu magaziniren. sie mußten
an manchen Orten auf je 100 Gulden Vermögen ein bestimmtes Quantum
von Getreide, aufgespeichert nachweisen rannen. -- Trat wirklich Theurung
ein, so erhöhte sich die Wirksamkeit der Behörden. Die erste Maßregel war
gewöhnlich der Erlaß eines Ausfuhrverbotes für Getreide, wenn dies nicht
etwa durch die Gesetzgebung bei einer gewissen Höhe der Preise schon ein
sür alle Mal festgesetzt war. Ebenso pflegte man dann das Bierbrauen
zu beschränken oder ganz zu verbieten, um das Getreide nicht dem nächsten
Bedürfniß zu entziehen. Um die Preise nicht all zu hoch steigen zu lassen,
bestimmte häusig ein Edict ein Maximui" als eine nicht zu überschreitende
Grenze. Wir finden, daß man zu Augsburg im Jahre 1433 und 15U>
Nachsuchungen nach Getreide gehalten und die vorgefundenen Vorräthe den
Eigenthümern zu einem Zwangspreise abgenommen hat. Anderwärts
suchte man einen Zwangspreis dadurch zu erzielen, daß man feststellte, wie
viel einer Gewinn vom Scheffel nehmen dürfe. Manchmal ging man
auch den Kornhändlern direct zu Leibe, man ließ sie vor den Rath bescheiden,
ermahnte und bedrohte sie; ja um den Verkauf ganz genau controliren zu
können, bestimmte man, daß nur der Korn kaufen dürfe, der vom Rath
schriftlich die Erlaubniß dazu erhalten. Der Magistrat selbst verkaufte aus
seinem Magazine zu einem ermäßigten Preise, aber nur so viel, als jeder zu
seiner Nothdurft brauchte d. h. pro >5kopf eine bestimmte Quantität. So
streng und hart viele dieser Maßregeln auch waren, so muß man doch den
deutschen Städten zum Ruhme nachsagen, daß sie ungleich humaner handelten,
als die sonst als Sitze des Wohlstandes und der Bildung berühmten
italienischen Städte, bei denen es ganz allgemeine Sitte war, zur Zeit einer
Theurung alle Armen und Bettler aus der Stadt zu treiben, d. h. mit an¬
dern Worten sie in die Alternative zu versetzen, entweder zu rauben oder zu
verhungern. In den deutschen Städten ging mit jenen Maßregeln immer
eine gesteigerte Wohlthätigkeit Hand in Hand. Aus den öffentlichen Maga¬
zinen wurde oft Getreide an die Armen unentgeltlich verabreicht, man ließ
auch selbst wol Brod zur Vertheilung an Bedürftige backen. In Meiningen
ließ der Rath, bei verschiedenen Themungen. so lange die schlimme Zeit
dauerte, ein wohlgekochtes Habermus den Armen verabreichen, zu dessen Kosten
allgemein beigetragen wurde; jeder Arme erhielt einen besonders dazu an¬
gefertigten großen Löffel voll und Manche wollen davon die Redensart her¬
leiten- mit dem großen Löffel esse".

Andererseits suchte mau den Arme" in solcher Zeit dadurch Unterhalt zu


suchten indeß mich aus directem Wege einer Theurung vorzubeugen, indem
man schau früh anfing Magazine zu bauen, sür welche in billigen Jalnen
Getreide gekauft und als Aushilfe für schlimme Zeiten aufbewahrt wurde;
ja man zwang zuweilen Bürger selbst Kam zu magaziniren. sie mußten
an manchen Orten auf je 100 Gulden Vermögen ein bestimmtes Quantum
von Getreide, aufgespeichert nachweisen rannen. — Trat wirklich Theurung
ein, so erhöhte sich die Wirksamkeit der Behörden. Die erste Maßregel war
gewöhnlich der Erlaß eines Ausfuhrverbotes für Getreide, wenn dies nicht
etwa durch die Gesetzgebung bei einer gewissen Höhe der Preise schon ein
sür alle Mal festgesetzt war. Ebenso pflegte man dann das Bierbrauen
zu beschränken oder ganz zu verbieten, um das Getreide nicht dem nächsten
Bedürfniß zu entziehen. Um die Preise nicht all zu hoch steigen zu lassen,
bestimmte häusig ein Edict ein Maximui» als eine nicht zu überschreitende
Grenze. Wir finden, daß man zu Augsburg im Jahre 1433 und 15U>
Nachsuchungen nach Getreide gehalten und die vorgefundenen Vorräthe den
Eigenthümern zu einem Zwangspreise abgenommen hat. Anderwärts
suchte man einen Zwangspreis dadurch zu erzielen, daß man feststellte, wie
viel einer Gewinn vom Scheffel nehmen dürfe. Manchmal ging man
auch den Kornhändlern direct zu Leibe, man ließ sie vor den Rath bescheiden,
ermahnte und bedrohte sie; ja um den Verkauf ganz genau controliren zu
können, bestimmte man, daß nur der Korn kaufen dürfe, der vom Rath
schriftlich die Erlaubniß dazu erhalten. Der Magistrat selbst verkaufte aus
seinem Magazine zu einem ermäßigten Preise, aber nur so viel, als jeder zu
seiner Nothdurft brauchte d. h. pro >5kopf eine bestimmte Quantität. So
streng und hart viele dieser Maßregeln auch waren, so muß man doch den
deutschen Städten zum Ruhme nachsagen, daß sie ungleich humaner handelten,
als die sonst als Sitze des Wohlstandes und der Bildung berühmten
italienischen Städte, bei denen es ganz allgemeine Sitte war, zur Zeit einer
Theurung alle Armen und Bettler aus der Stadt zu treiben, d. h. mit an¬
dern Worten sie in die Alternative zu versetzen, entweder zu rauben oder zu
verhungern. In den deutschen Städten ging mit jenen Maßregeln immer
eine gesteigerte Wohlthätigkeit Hand in Hand. Aus den öffentlichen Maga¬
zinen wurde oft Getreide an die Armen unentgeltlich verabreicht, man ließ
auch selbst wol Brod zur Vertheilung an Bedürftige backen. In Meiningen
ließ der Rath, bei verschiedenen Themungen. so lange die schlimme Zeit
dauerte, ein wohlgekochtes Habermus den Armen verabreichen, zu dessen Kosten
allgemein beigetragen wurde; jeder Arme erhielt einen besonders dazu an¬
gefertigten großen Löffel voll und Manche wollen davon die Redensart her¬
leiten- mit dem großen Löffel esse».

Andererseits suchte mau den Arme» in solcher Zeit dadurch Unterhalt zu


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/122>, abgerufen am 30.12.2024.