Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.aber jetzt klage ich bei ihrem Namen, und verlange von dem Gotte der Unter¬ Unter den Denkmälern, welche die häuslichen Tugenden der Frauen aber jetzt klage ich bei ihrem Namen, und verlange von dem Gotte der Unter¬ Unter den Denkmälern, welche die häuslichen Tugenden der Frauen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0104" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/186516"/> <p xml:id="ID_241" prev="#ID_240"> aber jetzt klage ich bei ihrem Namen, und verlange von dem Gotte der Unter¬<lb/> welt, entweder gebt mich meiner Gattin wieder, die mit mir bis zum Tage<lb/> des Verhängnisses so einträchtig gelebt hat, oder du Mevia Sophe, erwirke<lb/> (falls es abgeschiedene Geister gibt), daß ich eine so schreckliche Scheidung nicht<lb/> länger erdulden darf. Fremdling so möge dir die Erde leicht sein, wie du<lb/> an diesem Grabe nichts versehrst! wer aber daran etwas versehrt, der soll<lb/> weder den Göttern gefällig sein, noch die Unterwelt ihn aufnehmen, und die<lb/> Erde soll ihm schwer sein." Nicht blos die Tage der Ehe. wie in dieser In¬<lb/> schrift, sondern auch die Stunden der Ehe und des Lebens sind öfter in Zah¬<lb/> len angegeben, abweichend von der modernen Ansicht, daß dein Glücklichen<lb/> keine Stunde schlägt. Diese genauen Angaben konnten wol nur in einer Zeit<lb/> gemacht werden, wo man auf die Stunden der Geburt und wichtiger Ereig¬<lb/> nisse sorgfältig achtete, um astrologische Berechnungen darauf zu basiren. In<lb/> einer Inschrift empfiehlt eine Witwe ihren verstorbenen Gatten den Unterwelts¬<lb/> gottheiten, und bittet sie seinem Geist zu gestatten, ihr während der Nacht¬<lb/> stunden zu erscheinen.</p><lb/> <p xml:id="ID_242"> Unter den Denkmälern, welche die häuslichen Tugenden der Frauen<lb/> rühmen, heißt es öfter, sie seien gute Berntherinnen, und Erhalterinnen des<lb/> Vermögens gewesen, und hätten sich die Bereitung der Wolle angelegen<lb/> sein lassen. „Hier liegt Amymone, Frau des Marcus," steht auf einem<lb/> Sarkophage, „sie war gut und schön, eine fleißige Spinnerin, fromm,<lb/> züchtig, wirthlich, keusch und häuslich." Kürzer faßt eine andere Grabschrift<lb/> die Summe des vergangenen Lebens zusammen. „Ich war Anicia Glycera;<lb/> von meinem Leben habe ich genug gesagt, ich habe mich wol bewährt, da<lb/> ich die Zufriedenheit eines guten Mannes erworben." Und so könnten noch<lb/> manche Monumente angeführt werden, die das Gedächtniß liebenswürdiger<lb/> und geliebter Frauen bewahrt haben. Aber auch ohne sie würden wir nicht<lb/> zweifeln, daß selbst in den Zeiten der schlimmsten Entartung anmuthige und<lb/> vollendete Erscheinungen nicht fehlten, die dem Betrachter menschlicher Dinge<lb/> für so viele Mißgestalten und Zerrbilder Ersatz und Trost zu geben vermochten.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0104]
aber jetzt klage ich bei ihrem Namen, und verlange von dem Gotte der Unter¬
welt, entweder gebt mich meiner Gattin wieder, die mit mir bis zum Tage
des Verhängnisses so einträchtig gelebt hat, oder du Mevia Sophe, erwirke
(falls es abgeschiedene Geister gibt), daß ich eine so schreckliche Scheidung nicht
länger erdulden darf. Fremdling so möge dir die Erde leicht sein, wie du
an diesem Grabe nichts versehrst! wer aber daran etwas versehrt, der soll
weder den Göttern gefällig sein, noch die Unterwelt ihn aufnehmen, und die
Erde soll ihm schwer sein." Nicht blos die Tage der Ehe. wie in dieser In¬
schrift, sondern auch die Stunden der Ehe und des Lebens sind öfter in Zah¬
len angegeben, abweichend von der modernen Ansicht, daß dein Glücklichen
keine Stunde schlägt. Diese genauen Angaben konnten wol nur in einer Zeit
gemacht werden, wo man auf die Stunden der Geburt und wichtiger Ereig¬
nisse sorgfältig achtete, um astrologische Berechnungen darauf zu basiren. In
einer Inschrift empfiehlt eine Witwe ihren verstorbenen Gatten den Unterwelts¬
gottheiten, und bittet sie seinem Geist zu gestatten, ihr während der Nacht¬
stunden zu erscheinen.
Unter den Denkmälern, welche die häuslichen Tugenden der Frauen
rühmen, heißt es öfter, sie seien gute Berntherinnen, und Erhalterinnen des
Vermögens gewesen, und hätten sich die Bereitung der Wolle angelegen
sein lassen. „Hier liegt Amymone, Frau des Marcus," steht auf einem
Sarkophage, „sie war gut und schön, eine fleißige Spinnerin, fromm,
züchtig, wirthlich, keusch und häuslich." Kürzer faßt eine andere Grabschrift
die Summe des vergangenen Lebens zusammen. „Ich war Anicia Glycera;
von meinem Leben habe ich genug gesagt, ich habe mich wol bewährt, da
ich die Zufriedenheit eines guten Mannes erworben." Und so könnten noch
manche Monumente angeführt werden, die das Gedächtniß liebenswürdiger
und geliebter Frauen bewahrt haben. Aber auch ohne sie würden wir nicht
zweifeln, daß selbst in den Zeiten der schlimmsten Entartung anmuthige und
vollendete Erscheinungen nicht fehlten, die dem Betrachter menschlicher Dinge
für so viele Mißgestalten und Zerrbilder Ersatz und Trost zu geben vermochten.
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