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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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Schlachtlinie ohne Reserve ist. Denn ist der Besitz Galiziens durch selbe wohl
gedeckt, so bleibt doch, aus dem Gesichtspunkt betrachtet, das? ein gegen den
östlichen Nachbar gerichtetes Verthcidigungssystem auch die weiteren Provinzen
zu schützen hat, zu wünschen übrig, daß diese Festungslinie eine Unterstützung
erhalte. Bis in das Innere Ungarns ist gegenwartig kein befestigter Punkt,
der sin eine aus Galizien hinausgedrängte Armee einen Stützpunkt abzugeben
im Stande wäre. Im Norden der Karpathcnkette noch Festungen anzulegen,
auf wenige Tagemarsche hinter diesen großen Plätzen, -- daran ist nicht zu
denken; sie würden werthlos sein. Das Festungssystcm Galiziens muß außer¬
halb Galiziens seine Vervollständigung erhalten; auf dem südlichen Abhang der
Karpathen müssen noch ein oder zwei große Plätze angelegt werden, an stra¬
tegisch wichtigen Punkten, damit, wenn infolge eines großen Unglücks, welches
die eigene Armee betroffen, die Festungslinie in Galizien durchbrochen würde,
die zurückgedrängte Armee nach ihrem Rückzug durch das Gebirge Stützpunkte
finde, um sich dem Feinde zu entziehen und sein Vordringen zu hemmen.
Die Uevergänge des Gebirges selbst lassen sich unmittelbar nicht vertheidigen;
denn es führen zu viele Straßen über die langgestreckte Kette der Karpathen,
und es ist auch das Gebirge überhaupt sehr leicht praktikabel. Im Süden
der Gebirgskette, an den Debouch6s der Straßen in die Ebene Ungarns, bie¬
ten sich nun zwei solche Punkte dar. geeignet, in die zweite Linie des Bese-
stigungssystems gezogen zu werden. Am Vereinigungspunkte der von Krakau
und von Przemzsl kommenden Straßen ist Eperies, die genannten Communi-
cationen direct beherrschend, mehre andere flankirend, und als am Knoten¬
punkt des oberungnrischen Straßennetzes gelegen nicht zu umgehen. Zudem
begünstigt das Terrain die Anlage eines großen verschanzten Lagers an dieser
Stelle. Weiter südöstlich wäre ein zweiter derartiger Punkt: Tokaj an der
Theiß, welches den Lauf dieses Flusses und alle aus Ostgalizien kommenden gegen
Pest-Ofen convergirenden Straßen beherrscht. Den Weg von Lemberg nach
Pesth versperrt Totaj direct; eine feindliche Armee, die über einen andern
Punkt des Gebirges nach Ungarn eingedrungen ist. dürfte an Tokaj nicht vor¬
beiziehen, wenn die östreichische, aus Galizien zurückgedrängte Armee, dem
Feind ausweichend, sich ^ den Schutz eines großen Maönvrirpwtzes bei
B. Tokaj begäbe.




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Schlachtlinie ohne Reserve ist. Denn ist der Besitz Galiziens durch selbe wohl
gedeckt, so bleibt doch, aus dem Gesichtspunkt betrachtet, das? ein gegen den
östlichen Nachbar gerichtetes Verthcidigungssystem auch die weiteren Provinzen
zu schützen hat, zu wünschen übrig, daß diese Festungslinie eine Unterstützung
erhalte. Bis in das Innere Ungarns ist gegenwartig kein befestigter Punkt,
der sin eine aus Galizien hinausgedrängte Armee einen Stützpunkt abzugeben
im Stande wäre. Im Norden der Karpathcnkette noch Festungen anzulegen,
auf wenige Tagemarsche hinter diesen großen Plätzen, — daran ist nicht zu
denken; sie würden werthlos sein. Das Festungssystcm Galiziens muß außer¬
halb Galiziens seine Vervollständigung erhalten; auf dem südlichen Abhang der
Karpathen müssen noch ein oder zwei große Plätze angelegt werden, an stra¬
tegisch wichtigen Punkten, damit, wenn infolge eines großen Unglücks, welches
die eigene Armee betroffen, die Festungslinie in Galizien durchbrochen würde,
die zurückgedrängte Armee nach ihrem Rückzug durch das Gebirge Stützpunkte
finde, um sich dem Feinde zu entziehen und sein Vordringen zu hemmen.
Die Uevergänge des Gebirges selbst lassen sich unmittelbar nicht vertheidigen;
denn es führen zu viele Straßen über die langgestreckte Kette der Karpathen,
und es ist auch das Gebirge überhaupt sehr leicht praktikabel. Im Süden
der Gebirgskette, an den Debouch6s der Straßen in die Ebene Ungarns, bie¬
ten sich nun zwei solche Punkte dar. geeignet, in die zweite Linie des Bese-
stigungssystems gezogen zu werden. Am Vereinigungspunkte der von Krakau
und von Przemzsl kommenden Straßen ist Eperies, die genannten Communi-
cationen direct beherrschend, mehre andere flankirend, und als am Knoten¬
punkt des oberungnrischen Straßennetzes gelegen nicht zu umgehen. Zudem
begünstigt das Terrain die Anlage eines großen verschanzten Lagers an dieser
Stelle. Weiter südöstlich wäre ein zweiter derartiger Punkt: Tokaj an der
Theiß, welches den Lauf dieses Flusses und alle aus Ostgalizien kommenden gegen
Pest-Ofen convergirenden Straßen beherrscht. Den Weg von Lemberg nach
Pesth versperrt Totaj direct; eine feindliche Armee, die über einen andern
Punkt des Gebirges nach Ungarn eingedrungen ist. dürfte an Tokaj nicht vor¬
beiziehen, wenn die östreichische, aus Galizien zurückgedrängte Armee, dem
Feind ausweichend, sich ^ den Schutz eines großen Maönvrirpwtzes bei
B. Tokaj begäbe.




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[0075] Schlachtlinie ohne Reserve ist. Denn ist der Besitz Galiziens durch selbe wohl gedeckt, so bleibt doch, aus dem Gesichtspunkt betrachtet, das? ein gegen den östlichen Nachbar gerichtetes Verthcidigungssystem auch die weiteren Provinzen zu schützen hat, zu wünschen übrig, daß diese Festungslinie eine Unterstützung erhalte. Bis in das Innere Ungarns ist gegenwartig kein befestigter Punkt, der sin eine aus Galizien hinausgedrängte Armee einen Stützpunkt abzugeben im Stande wäre. Im Norden der Karpathcnkette noch Festungen anzulegen, auf wenige Tagemarsche hinter diesen großen Plätzen, — daran ist nicht zu denken; sie würden werthlos sein. Das Festungssystcm Galiziens muß außer¬ halb Galiziens seine Vervollständigung erhalten; auf dem südlichen Abhang der Karpathen müssen noch ein oder zwei große Plätze angelegt werden, an stra¬ tegisch wichtigen Punkten, damit, wenn infolge eines großen Unglücks, welches die eigene Armee betroffen, die Festungslinie in Galizien durchbrochen würde, die zurückgedrängte Armee nach ihrem Rückzug durch das Gebirge Stützpunkte finde, um sich dem Feinde zu entziehen und sein Vordringen zu hemmen. Die Uevergänge des Gebirges selbst lassen sich unmittelbar nicht vertheidigen; denn es führen zu viele Straßen über die langgestreckte Kette der Karpathen, und es ist auch das Gebirge überhaupt sehr leicht praktikabel. Im Süden der Gebirgskette, an den Debouch6s der Straßen in die Ebene Ungarns, bie¬ ten sich nun zwei solche Punkte dar. geeignet, in die zweite Linie des Bese- stigungssystems gezogen zu werden. Am Vereinigungspunkte der von Krakau und von Przemzsl kommenden Straßen ist Eperies, die genannten Communi- cationen direct beherrschend, mehre andere flankirend, und als am Knoten¬ punkt des oberungnrischen Straßennetzes gelegen nicht zu umgehen. Zudem begünstigt das Terrain die Anlage eines großen verschanzten Lagers an dieser Stelle. Weiter südöstlich wäre ein zweiter derartiger Punkt: Tokaj an der Theiß, welches den Lauf dieses Flusses und alle aus Ostgalizien kommenden gegen Pest-Ofen convergirenden Straßen beherrscht. Den Weg von Lemberg nach Pesth versperrt Totaj direct; eine feindliche Armee, die über einen andern Punkt des Gebirges nach Ungarn eingedrungen ist. dürfte an Tokaj nicht vor¬ beiziehen, wenn die östreichische, aus Galizien zurückgedrängte Armee, dem Feind ausweichend, sich ^ den Schutz eines großen Maönvrirpwtzes bei B. Tokaj begäbe. 9"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/75>, abgerufen am 03.07.2024.