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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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betrachtet, für eine Armee Oestreichs oder Mitteleuropas, die gegen Nußland
aggressiv vorzugehen Hütte.

Der zweite Waffenplatz an der Ostgrenze, Przemysl am San, 25 Mei-
er von Krakau entfernt, am Kreuzungspunkte der galizischen Langenstraße mit
der von Lemberg oder respective Warschau kommenden Hauptstraße nach Un¬
garn, hat gegen einen Angriff zu decken, den eine russische Haupt- oder secun-
däre Armee gegen die ungarischen Provinzen Oestreichs auszuführen suchen
würde. Andererseits kann es im Verein mit Krakau oder mit Zalesczk einer
östreichischen Armee für ihre Operationen gegen Russisch-Polen als Basis die¬
nen. Beide Bestimmungen verlangen, daß Przemysl ein Platz ersten Ranges,
ein Mauövrirdepotplatz sei.

Zalesczk, am Dniester, an der Grenze der Moldau gelegen, der äußerste
östliche Punkt der Operations- und Vertheidigungslinie Oestreichs, scheint wol
schon wegen der excentrischen Richtung eines dort erfolgenden Angriffes, am
wenigsten berufen, bei einem Kriege mit Rußland in Wirksamkeit zu treten,
ist aber zur Sicherstellung der Grenze nach dieser Seite hin unumgänglich
nöthig, und wird auch als großer Mauövrirdepotplatz behandelt. Aeußerst
wichtig wird Zalesczk, wenn ein ähnlicher Fall eintritt, als der, in welchem
sich Oestreich im Jahre 1854 gegen Nußland befand, dessen in die Donau-
fürstenthümer eingedrungene Armee durch das östreichische in Siebenbürgen
und Galizien ausgestellte Beobachtungscorps, dessen linker Flügel seinen Stütz¬
punkt eben in Zalesczk hatte, strategisch vollkommen skandirt war. Durch
seinen Einfluß auf die indirecte Vertheidigung der Moldau und des Weges,
der nach Konstantinopel führt, ist Zalesczk vorzüglich wichtig.

Die Wahl und Anordnung dieser drei Plätze, so wie, daß sie als große
Hauptplätze betrachtet und als solche befestigt wurden, kann nur gebilligt wer¬
den. Es ist ein anerkennenswerther Fortschritt in den Ansichten derjenigen,
welche über Landesbefestigungen zu entscheiden haben, daß man, anstatt die
Grenze mit einer Unzahl kleiner Plätze zu übersäen, die, von geringer Wider¬
standsfähigkeit, nur eine Zersplitterung der für die großen Operationen erforder¬
lichen Streittrnfte verursachen würden. -- sich mit einigen großen und starken Plä¬
tzen begnügte, welche ihre Bestimmung gegen einen Angriff, von welcher Seite er
immer kommen möge, vollkommen zu erfüllen im Stande sind und die nicht,
wie es viele kleine Plätze thun, die ope'rirende Armee schwächen, sondern sie
stärken, indem sie ihr die Möglichkeit bieten, von ihnen begünstigt, sich gegen
einen überlegenen Feind so lange Zeit zu halten, bis durch Vermehrung der
eigenen Streitkräfte oder Schwächung des Feindes oder andere Umstände das
Gleichgewicht der Kräfte hergestellt wird.

Diese drei Plätze bilden jedoch nur eine Linie, und eine Festungslinie ist
in einem Landes- oder Grenzbefestigungssystem das, was eine im Feuer stehende


betrachtet, für eine Armee Oestreichs oder Mitteleuropas, die gegen Nußland
aggressiv vorzugehen Hütte.

Der zweite Waffenplatz an der Ostgrenze, Przemysl am San, 25 Mei-
er von Krakau entfernt, am Kreuzungspunkte der galizischen Langenstraße mit
der von Lemberg oder respective Warschau kommenden Hauptstraße nach Un¬
garn, hat gegen einen Angriff zu decken, den eine russische Haupt- oder secun-
däre Armee gegen die ungarischen Provinzen Oestreichs auszuführen suchen
würde. Andererseits kann es im Verein mit Krakau oder mit Zalesczk einer
östreichischen Armee für ihre Operationen gegen Russisch-Polen als Basis die¬
nen. Beide Bestimmungen verlangen, daß Przemysl ein Platz ersten Ranges,
ein Mauövrirdepotplatz sei.

Zalesczk, am Dniester, an der Grenze der Moldau gelegen, der äußerste
östliche Punkt der Operations- und Vertheidigungslinie Oestreichs, scheint wol
schon wegen der excentrischen Richtung eines dort erfolgenden Angriffes, am
wenigsten berufen, bei einem Kriege mit Rußland in Wirksamkeit zu treten,
ist aber zur Sicherstellung der Grenze nach dieser Seite hin unumgänglich
nöthig, und wird auch als großer Mauövrirdepotplatz behandelt. Aeußerst
wichtig wird Zalesczk, wenn ein ähnlicher Fall eintritt, als der, in welchem
sich Oestreich im Jahre 1854 gegen Nußland befand, dessen in die Donau-
fürstenthümer eingedrungene Armee durch das östreichische in Siebenbürgen
und Galizien ausgestellte Beobachtungscorps, dessen linker Flügel seinen Stütz¬
punkt eben in Zalesczk hatte, strategisch vollkommen skandirt war. Durch
seinen Einfluß auf die indirecte Vertheidigung der Moldau und des Weges,
der nach Konstantinopel führt, ist Zalesczk vorzüglich wichtig.

Die Wahl und Anordnung dieser drei Plätze, so wie, daß sie als große
Hauptplätze betrachtet und als solche befestigt wurden, kann nur gebilligt wer¬
den. Es ist ein anerkennenswerther Fortschritt in den Ansichten derjenigen,
welche über Landesbefestigungen zu entscheiden haben, daß man, anstatt die
Grenze mit einer Unzahl kleiner Plätze zu übersäen, die, von geringer Wider¬
standsfähigkeit, nur eine Zersplitterung der für die großen Operationen erforder¬
lichen Streittrnfte verursachen würden. — sich mit einigen großen und starken Plä¬
tzen begnügte, welche ihre Bestimmung gegen einen Angriff, von welcher Seite er
immer kommen möge, vollkommen zu erfüllen im Stande sind und die nicht,
wie es viele kleine Plätze thun, die ope'rirende Armee schwächen, sondern sie
stärken, indem sie ihr die Möglichkeit bieten, von ihnen begünstigt, sich gegen
einen überlegenen Feind so lange Zeit zu halten, bis durch Vermehrung der
eigenen Streitkräfte oder Schwächung des Feindes oder andere Umstände das
Gleichgewicht der Kräfte hergestellt wird.

Diese drei Plätze bilden jedoch nur eine Linie, und eine Festungslinie ist
in einem Landes- oder Grenzbefestigungssystem das, was eine im Feuer stehende


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[0074] betrachtet, für eine Armee Oestreichs oder Mitteleuropas, die gegen Nußland aggressiv vorzugehen Hütte. Der zweite Waffenplatz an der Ostgrenze, Przemysl am San, 25 Mei- er von Krakau entfernt, am Kreuzungspunkte der galizischen Langenstraße mit der von Lemberg oder respective Warschau kommenden Hauptstraße nach Un¬ garn, hat gegen einen Angriff zu decken, den eine russische Haupt- oder secun- däre Armee gegen die ungarischen Provinzen Oestreichs auszuführen suchen würde. Andererseits kann es im Verein mit Krakau oder mit Zalesczk einer östreichischen Armee für ihre Operationen gegen Russisch-Polen als Basis die¬ nen. Beide Bestimmungen verlangen, daß Przemysl ein Platz ersten Ranges, ein Mauövrirdepotplatz sei. Zalesczk, am Dniester, an der Grenze der Moldau gelegen, der äußerste östliche Punkt der Operations- und Vertheidigungslinie Oestreichs, scheint wol schon wegen der excentrischen Richtung eines dort erfolgenden Angriffes, am wenigsten berufen, bei einem Kriege mit Rußland in Wirksamkeit zu treten, ist aber zur Sicherstellung der Grenze nach dieser Seite hin unumgänglich nöthig, und wird auch als großer Mauövrirdepotplatz behandelt. Aeußerst wichtig wird Zalesczk, wenn ein ähnlicher Fall eintritt, als der, in welchem sich Oestreich im Jahre 1854 gegen Nußland befand, dessen in die Donau- fürstenthümer eingedrungene Armee durch das östreichische in Siebenbürgen und Galizien ausgestellte Beobachtungscorps, dessen linker Flügel seinen Stütz¬ punkt eben in Zalesczk hatte, strategisch vollkommen skandirt war. Durch seinen Einfluß auf die indirecte Vertheidigung der Moldau und des Weges, der nach Konstantinopel führt, ist Zalesczk vorzüglich wichtig. Die Wahl und Anordnung dieser drei Plätze, so wie, daß sie als große Hauptplätze betrachtet und als solche befestigt wurden, kann nur gebilligt wer¬ den. Es ist ein anerkennenswerther Fortschritt in den Ansichten derjenigen, welche über Landesbefestigungen zu entscheiden haben, daß man, anstatt die Grenze mit einer Unzahl kleiner Plätze zu übersäen, die, von geringer Wider¬ standsfähigkeit, nur eine Zersplitterung der für die großen Operationen erforder¬ lichen Streittrnfte verursachen würden. — sich mit einigen großen und starken Plä¬ tzen begnügte, welche ihre Bestimmung gegen einen Angriff, von welcher Seite er immer kommen möge, vollkommen zu erfüllen im Stande sind und die nicht, wie es viele kleine Plätze thun, die ope'rirende Armee schwächen, sondern sie stärken, indem sie ihr die Möglichkeit bieten, von ihnen begünstigt, sich gegen einen überlegenen Feind so lange Zeit zu halten, bis durch Vermehrung der eigenen Streitkräfte oder Schwächung des Feindes oder andere Umstände das Gleichgewicht der Kräfte hergestellt wird. Diese drei Plätze bilden jedoch nur eine Linie, und eine Festungslinie ist in einem Landes- oder Grenzbefestigungssystem das, was eine im Feuer stehende

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/74>, abgerufen am 03.07.2024.