Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.dürfen, und die Gefahr von dem übermächtig werdenden Rußland war noch So war es und so blieb es auch wahrend der Friedensjahre, welche Die Erhebung des Jahres 1346 in Galizien. und die allgemeine Be- Im Jahre 1850 beschloß die östreichische Regierung, um sich den Besitz Die Stellung Oestreichs zu Rußland während der orientalischen Wirren dürfen, und die Gefahr von dem übermächtig werdenden Rußland war noch So war es und so blieb es auch wahrend der Friedensjahre, welche Die Erhebung des Jahres 1346 in Galizien. und die allgemeine Be- Im Jahre 1850 beschloß die östreichische Regierung, um sich den Besitz Die Stellung Oestreichs zu Rußland während der orientalischen Wirren <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0071" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/105882"/> <p xml:id="ID_148" prev="#ID_147"> dürfen, und die Gefahr von dem übermächtig werdenden Rußland war noch<lb/> nicht zum allgemeinen Bewußtsein gelangt. Die lange Grenze von den<lb/> Höhen, welche Oder und Weichsel trennen, bis in die Bukowina war voll¬<lb/> kommen entblößt, und nicht nur war in den polnischen Provinzen nördlich<lb/> der Karpathen kein einziger befestigter Platz, sondern es stand auch ganz<lb/> Ungarn bis an die Donau offen. Komorn. im Herzen des Landes, war<lb/> der einzige Punkt, der eine russische Armee hätte aufhalten können.</p><lb/> <p xml:id="ID_149"> So war es und so blieb es auch wahrend der Friedensjahre, welche<lb/> den napoleonischen Kriegen folgten. Rußland benutzte diese Zeit, um in<lb/> Russisch-Polen starke Festungen anzulegen; dasselbe thaten auch andere Staaten,<lb/> z. B. Preußen, das für seine neuen Erwerbungen und Begrenzungen<lb/> sich ein Festungssystem schaffen mußte. Selbst Oestreich that an einigen<lb/> Punkten der Monarchie Einiges. Die nordöstliche Grenze aber blieb unbe¬<lb/> greiflicherweise vernachlässigt, als ob der Fall gar nicht denkbar gewesen<lb/> wäre, daß der mächtige Nachbar diese Wehrlosigkeit je benutzen könnte.</p><lb/> <p xml:id="ID_150"> Die Erhebung des Jahres 1346 in Galizien. und die allgemeine Be-<lb/> wegung von 1848 erst veranlaßten die östreichische Regierung, in den beiden<lb/> Hauptstädtendes Landes, Lemberg und Krakau, Citadellen anzulegen, um die<lb/> Bevölkerung im Zaum zu halten und sich den Besitz dieser Punkte zu sichern.<lb/> In Krakau wurde das auf einem Hügel in der Mitte der Stadt gelegene<lb/> alte königliche Schloß als Castell eingerichtet, und in Lemberg eine Anhöhe<lb/> in der Nähe der Stadt mit mehren isolirten Thürmen besetzt, welche, die<lb/> Stadt vollkommen beherrschend, eine Art verschanzten Lagers einschließen.</p><lb/> <p xml:id="ID_151"> Im Jahre 1850 beschloß die östreichische Regierung, um sich den Besitz<lb/> eines militärisch wichtigen Punktes gegen Rußland zu verschaffen. Krakau zu<lb/> befestigen, und es wurden fünf große detachirte Forts an beiden Ufern der<lb/> Weichsel sofort in Angriff genommen, bestimmt, der Kern eines Manövrir-<lb/> depotplatzes zu werden, wozu Krakau gewühlt war. Und in der That ist<lb/> diese Stadt der wichtigste Punkt an der nordöstlichen Grenze, den Lauf der<lb/> Weichsel, so wie auch die Straßen nach Ungarn und nach den deutschen<lb/> Provinzen der Monarchie beherrschend, als Offensiv- und Defensivplatz von<lb/> größtem Werth. Vereinzelt bleibend, hätte Krakau wol den Kern der<lb/> Monarchie an dieser verwundbarsten Seite geschützt, aber es wäre der östliche<lb/> Theil Galiziens dennoch ganz offen geblieben.</p><lb/> <p xml:id="ID_152" next="#ID_153"> Die Stellung Oestreichs zu Rußland während der orientalischen Wirren<lb/> und des Krieges der Westmächte gegen das Uebergewicht Rußlands im Osten,<lb/> machte es hauptsächlich fühlbar, daß Oestreich auf der Seite gegen seinen<lb/> mächtigsten und ehrgeizigsten Nachbar des Schutzes einer starken Grenze ent¬<lb/> behre. Um sich in Galizien für die dort aufgestellte Armee eine Operations¬<lb/> basis zu gründen, mußten Festungen erst geschaffen werden, und dies in</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0071]
dürfen, und die Gefahr von dem übermächtig werdenden Rußland war noch
nicht zum allgemeinen Bewußtsein gelangt. Die lange Grenze von den
Höhen, welche Oder und Weichsel trennen, bis in die Bukowina war voll¬
kommen entblößt, und nicht nur war in den polnischen Provinzen nördlich
der Karpathen kein einziger befestigter Platz, sondern es stand auch ganz
Ungarn bis an die Donau offen. Komorn. im Herzen des Landes, war
der einzige Punkt, der eine russische Armee hätte aufhalten können.
So war es und so blieb es auch wahrend der Friedensjahre, welche
den napoleonischen Kriegen folgten. Rußland benutzte diese Zeit, um in
Russisch-Polen starke Festungen anzulegen; dasselbe thaten auch andere Staaten,
z. B. Preußen, das für seine neuen Erwerbungen und Begrenzungen
sich ein Festungssystem schaffen mußte. Selbst Oestreich that an einigen
Punkten der Monarchie Einiges. Die nordöstliche Grenze aber blieb unbe¬
greiflicherweise vernachlässigt, als ob der Fall gar nicht denkbar gewesen
wäre, daß der mächtige Nachbar diese Wehrlosigkeit je benutzen könnte.
Die Erhebung des Jahres 1346 in Galizien. und die allgemeine Be-
wegung von 1848 erst veranlaßten die östreichische Regierung, in den beiden
Hauptstädtendes Landes, Lemberg und Krakau, Citadellen anzulegen, um die
Bevölkerung im Zaum zu halten und sich den Besitz dieser Punkte zu sichern.
In Krakau wurde das auf einem Hügel in der Mitte der Stadt gelegene
alte königliche Schloß als Castell eingerichtet, und in Lemberg eine Anhöhe
in der Nähe der Stadt mit mehren isolirten Thürmen besetzt, welche, die
Stadt vollkommen beherrschend, eine Art verschanzten Lagers einschließen.
Im Jahre 1850 beschloß die östreichische Regierung, um sich den Besitz
eines militärisch wichtigen Punktes gegen Rußland zu verschaffen. Krakau zu
befestigen, und es wurden fünf große detachirte Forts an beiden Ufern der
Weichsel sofort in Angriff genommen, bestimmt, der Kern eines Manövrir-
depotplatzes zu werden, wozu Krakau gewühlt war. Und in der That ist
diese Stadt der wichtigste Punkt an der nordöstlichen Grenze, den Lauf der
Weichsel, so wie auch die Straßen nach Ungarn und nach den deutschen
Provinzen der Monarchie beherrschend, als Offensiv- und Defensivplatz von
größtem Werth. Vereinzelt bleibend, hätte Krakau wol den Kern der
Monarchie an dieser verwundbarsten Seite geschützt, aber es wäre der östliche
Theil Galiziens dennoch ganz offen geblieben.
Die Stellung Oestreichs zu Rußland während der orientalischen Wirren
und des Krieges der Westmächte gegen das Uebergewicht Rußlands im Osten,
machte es hauptsächlich fühlbar, daß Oestreich auf der Seite gegen seinen
mächtigsten und ehrgeizigsten Nachbar des Schutzes einer starken Grenze ent¬
behre. Um sich in Galizien für die dort aufgestellte Armee eine Operations¬
basis zu gründen, mußten Festungen erst geschaffen werden, und dies in
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