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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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fideicommissarischer Sinecuren, auf welche es zuletzt immer hinausläuft,
wesentlich zur Ausartung der eignen Abkömmlinge beiträgt, denen jede An¬
strengung, jede eigne Regsamkeit als Quelle der einstigen Existenz von Haus
aus ferngerückt, ja durch die ihnen selbst bereiteten Hemmnisse in der freien
Verfügung verleidet wird, möchte noch hingehen, da es auf sie selbst zurückfällt.
Daß man aber dergleichen Tendenzen den übrigen Staatsbürgern als um
des gemeinen Wohls willen geboten aufdrängen will, ist stark. Bei keiner
Art von Eigenthum hat der Staat ein so lebhaftes Interesse, daß es sich in
tüchtigen Händen befinde, als eben beim Grundeigenthum. Jeder weiß, wie
wir wegen eines großen Theils unsrer unentbehrlichsten Bedürfnisse ausschlie߬
lich an Grund und Boden gewiesen sind. Nun ist und bleibt aber derselbe
etwas ein für allemal Gegebenes, räumlich Beschränktes, und dem stei¬
genden Bedürfniß einer wachsenden Bevölkerung kann nur durch intensivere
Cultur entsprochen werden. Gesetzliche Beschränkungen der freien Verfügung
darüber, welche der natürlichen Tendenz, die dem Grundbesitze wie allen
andern Arten des Eigenthums innewohnt, der Tendenz des Uebergangs
aus den Händen unfähiger und schlechter in die Hände fähiger
und guter Wirthe hemmend entgegentreten, welche Capital und Intelligenz.
Fleiß und Sparsamkeit geflissentlich davon fern halten, sind demnach eine
öffentliche Kalamität. Und außer der so außerordentlich wichtigen Frage der
Steigerung oder Minderung der landwirtschaftlichen Production, welche sich
an die freie Verfügung über das Grundeigenthum knüpft, kommen wir noch¬
mals auf die Rückwirkung der erzielten Beschränkungen auf die Zustände der
arbeitenden Classen, insbesondere der ländlichen Arbeiter. Daß und wie
diesen Leuten dadurch die Möglichkeit entzogen wird, eine kleine Landparcelle.
wie es ihre Mittel erlauben, ihr eigen zu nennen und sich mit Haus und
Gärtchen. wol auch einem Stück Acker darauf anzusiedeln, hat der Verfasser
treffend nachgewiesen. Dadurch verdammt man sie zu einem unsteten Leben,
zum ewigen Gesindedienst, der doch nur als Durchgangspunkt, nicht als End¬
ziel des Daseins seine wirthschaftliche und sittliche Berechtigung hat. Nur
auf eignem Grund und Boden erbaut sich die feste Wohnstätte, der häusliche
Herd, an ihn knüpft sich das Heimathsgefühl, alle vaterländische Gesinnung,
alle humane Gesittung. Wenn deshalb seit alten Zeiten das Eigenthum
daran als besonders heilig und unantastbar gegolten, so hüte man sich um
desto mehr, ganze zahlreiche Classen von der rechtlichen Möglichkeit des Er¬
werbs desselben gesetzlich auszuschließen, weil dies für alle Theile, Grundherrn
wie Arbeiter gleich verderblich ist. Denn daß der angesessene, durch einen
kleinen, festen Besitz, durch ein geordnetes Familienleben gegen die schlimmsten
Wechselfälle einigermaßen gesicherte Arbeiter hinsichtlich seiner Zuverlässigkeit,
Redlichkeit und Tüchtigkeit dem Arbeitsherrn bei weitem mehr Garantien


fideicommissarischer Sinecuren, auf welche es zuletzt immer hinausläuft,
wesentlich zur Ausartung der eignen Abkömmlinge beiträgt, denen jede An¬
strengung, jede eigne Regsamkeit als Quelle der einstigen Existenz von Haus
aus ferngerückt, ja durch die ihnen selbst bereiteten Hemmnisse in der freien
Verfügung verleidet wird, möchte noch hingehen, da es auf sie selbst zurückfällt.
Daß man aber dergleichen Tendenzen den übrigen Staatsbürgern als um
des gemeinen Wohls willen geboten aufdrängen will, ist stark. Bei keiner
Art von Eigenthum hat der Staat ein so lebhaftes Interesse, daß es sich in
tüchtigen Händen befinde, als eben beim Grundeigenthum. Jeder weiß, wie
wir wegen eines großen Theils unsrer unentbehrlichsten Bedürfnisse ausschlie߬
lich an Grund und Boden gewiesen sind. Nun ist und bleibt aber derselbe
etwas ein für allemal Gegebenes, räumlich Beschränktes, und dem stei¬
genden Bedürfniß einer wachsenden Bevölkerung kann nur durch intensivere
Cultur entsprochen werden. Gesetzliche Beschränkungen der freien Verfügung
darüber, welche der natürlichen Tendenz, die dem Grundbesitze wie allen
andern Arten des Eigenthums innewohnt, der Tendenz des Uebergangs
aus den Händen unfähiger und schlechter in die Hände fähiger
und guter Wirthe hemmend entgegentreten, welche Capital und Intelligenz.
Fleiß und Sparsamkeit geflissentlich davon fern halten, sind demnach eine
öffentliche Kalamität. Und außer der so außerordentlich wichtigen Frage der
Steigerung oder Minderung der landwirtschaftlichen Production, welche sich
an die freie Verfügung über das Grundeigenthum knüpft, kommen wir noch¬
mals auf die Rückwirkung der erzielten Beschränkungen auf die Zustände der
arbeitenden Classen, insbesondere der ländlichen Arbeiter. Daß und wie
diesen Leuten dadurch die Möglichkeit entzogen wird, eine kleine Landparcelle.
wie es ihre Mittel erlauben, ihr eigen zu nennen und sich mit Haus und
Gärtchen. wol auch einem Stück Acker darauf anzusiedeln, hat der Verfasser
treffend nachgewiesen. Dadurch verdammt man sie zu einem unsteten Leben,
zum ewigen Gesindedienst, der doch nur als Durchgangspunkt, nicht als End¬
ziel des Daseins seine wirthschaftliche und sittliche Berechtigung hat. Nur
auf eignem Grund und Boden erbaut sich die feste Wohnstätte, der häusliche
Herd, an ihn knüpft sich das Heimathsgefühl, alle vaterländische Gesinnung,
alle humane Gesittung. Wenn deshalb seit alten Zeiten das Eigenthum
daran als besonders heilig und unantastbar gegolten, so hüte man sich um
desto mehr, ganze zahlreiche Classen von der rechtlichen Möglichkeit des Er¬
werbs desselben gesetzlich auszuschließen, weil dies für alle Theile, Grundherrn
wie Arbeiter gleich verderblich ist. Denn daß der angesessene, durch einen
kleinen, festen Besitz, durch ein geordnetes Familienleben gegen die schlimmsten
Wechselfälle einigermaßen gesicherte Arbeiter hinsichtlich seiner Zuverlässigkeit,
Redlichkeit und Tüchtigkeit dem Arbeitsherrn bei weitem mehr Garantien


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[0054] fideicommissarischer Sinecuren, auf welche es zuletzt immer hinausläuft, wesentlich zur Ausartung der eignen Abkömmlinge beiträgt, denen jede An¬ strengung, jede eigne Regsamkeit als Quelle der einstigen Existenz von Haus aus ferngerückt, ja durch die ihnen selbst bereiteten Hemmnisse in der freien Verfügung verleidet wird, möchte noch hingehen, da es auf sie selbst zurückfällt. Daß man aber dergleichen Tendenzen den übrigen Staatsbürgern als um des gemeinen Wohls willen geboten aufdrängen will, ist stark. Bei keiner Art von Eigenthum hat der Staat ein so lebhaftes Interesse, daß es sich in tüchtigen Händen befinde, als eben beim Grundeigenthum. Jeder weiß, wie wir wegen eines großen Theils unsrer unentbehrlichsten Bedürfnisse ausschlie߬ lich an Grund und Boden gewiesen sind. Nun ist und bleibt aber derselbe etwas ein für allemal Gegebenes, räumlich Beschränktes, und dem stei¬ genden Bedürfniß einer wachsenden Bevölkerung kann nur durch intensivere Cultur entsprochen werden. Gesetzliche Beschränkungen der freien Verfügung darüber, welche der natürlichen Tendenz, die dem Grundbesitze wie allen andern Arten des Eigenthums innewohnt, der Tendenz des Uebergangs aus den Händen unfähiger und schlechter in die Hände fähiger und guter Wirthe hemmend entgegentreten, welche Capital und Intelligenz. Fleiß und Sparsamkeit geflissentlich davon fern halten, sind demnach eine öffentliche Kalamität. Und außer der so außerordentlich wichtigen Frage der Steigerung oder Minderung der landwirtschaftlichen Production, welche sich an die freie Verfügung über das Grundeigenthum knüpft, kommen wir noch¬ mals auf die Rückwirkung der erzielten Beschränkungen auf die Zustände der arbeitenden Classen, insbesondere der ländlichen Arbeiter. Daß und wie diesen Leuten dadurch die Möglichkeit entzogen wird, eine kleine Landparcelle. wie es ihre Mittel erlauben, ihr eigen zu nennen und sich mit Haus und Gärtchen. wol auch einem Stück Acker darauf anzusiedeln, hat der Verfasser treffend nachgewiesen. Dadurch verdammt man sie zu einem unsteten Leben, zum ewigen Gesindedienst, der doch nur als Durchgangspunkt, nicht als End¬ ziel des Daseins seine wirthschaftliche und sittliche Berechtigung hat. Nur auf eignem Grund und Boden erbaut sich die feste Wohnstätte, der häusliche Herd, an ihn knüpft sich das Heimathsgefühl, alle vaterländische Gesinnung, alle humane Gesittung. Wenn deshalb seit alten Zeiten das Eigenthum daran als besonders heilig und unantastbar gegolten, so hüte man sich um desto mehr, ganze zahlreiche Classen von der rechtlichen Möglichkeit des Er¬ werbs desselben gesetzlich auszuschließen, weil dies für alle Theile, Grundherrn wie Arbeiter gleich verderblich ist. Denn daß der angesessene, durch einen kleinen, festen Besitz, durch ein geordnetes Familienleben gegen die schlimmsten Wechselfälle einigermaßen gesicherte Arbeiter hinsichtlich seiner Zuverlässigkeit, Redlichkeit und Tüchtigkeit dem Arbeitsherrn bei weitem mehr Garantien

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/54>, abgerufen am 22.07.2024.